Die neue Google-Bildersuche stößt auf heftigen Widerstand bei Urhebern. Dabei ist sie rechtlich sogar weniger bedenklich als ihr Vorgänger, sagt Arno Lampmann.
In einem offenen Brief an Google kritisieren der Bundesverband professioneller Bildanbieter (BVPA) und acht weitere Verbände die Ausgestaltung der neuen Google-Bildersuche und fordern den Internetriesen zu Änderungen auf. Nachdem die Neuerungen bereits 2013 in den USA und anderen europäischen Ländern in Kraft getreten waren, ließ sich Google damit für den deutschen Ableger www.google.de bis vor kurzem noch Zeit. Seit Anfang Februar 2017 ist die neue Version aber auch in Deutschland online.
Ab sofort zeigt Google nicht nur Vorschaubilder ("Thumbnails"), sondern die Bilder in der originalen Größe. Diese werden dabei von der Quellseite geladen und erscheinen als sogenannte Blow-Ups ohne Kontext der Webseite, aber mit ähnlichen Bildern daneben. Ein Urhebervermerk fehlt, dafür gibt es aber einen Button "Seite besuchen" mit einem Link zu Quellseite. Ebenso gibt es einen Knopf "Bild ansehen" mit einer Verlinkung zum Speicherort des Bildes und einen Button "Teilen" für soziale Netzwerke und zum E-Mail-Versand.
Vorher wurden die gefundenen Bilder zwar auch bereits auf Google angezeigt, allerdings nicht in voller Größe und Qualität. Sie befanden sich verkleinert auf dem google-eigenen Server. Zudem wurde gleichzeitig die Quellseite im Hintergrund geladen und der Suchende damit dazu eingeladen, diese zur Darstellung des Bildes in vollständiger Größe beziehungsweise für weitere Informationen zu besuchen.
Bekannte Probleme
Bereits die alte Form der Bildersuche war rechtlich umstritten. Es musste damals sogar höchstrichterlich geklärt werden, ob Urheber sich die ungefragte Übernahme ihrer Werke in die Bildersuche tatsächlich gefallen lassen müssen. Die von einer Fotografin eingereichte Klage landete vor dem Bundesgerichtshof (BGH), der diese in einer viel kritisierten Entscheidung zurückwies (BGH, Urteil v. 29.4.2010, Az. I ZR 69/08). Der BGH war der Auffassung, dass der Eingriff in das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung, § 19a Urhebergesetz (UrhG), dadurch gerechtfertigt sei, dass die Rechteinhaberin keine technischen Suchmaschinen-Blockaden errichtet hatte. Google habe davon ausgehen dürfen, sie sei mit der Anzeige ihrer Werke im Rahmen der Bildersuche einverstanden. Eine solche – leicht umzusetzende – technische Möglichkeit habe aber bestanden.
Das Argument des BGH, dass derjenige, der seine Bilder nicht auf Google sehen wolle, die Suchmaschine ja einfach aussperren könne, stieß bereits damals auf heftige Kritik. Denn: Wer seine Seite von der Indexierung durch Google ausschließt, vermeidet zwar die Listung seiner Bilder, Besucher bekommt er allerdings keine mehr von der Suchmaschine.
Die Kritik der Rechteinhaber
Die Verbände sind in ihrem Brief deshalb der Ansicht, dass die konkrete Art der Darstellung unzulässigerweise in das Recht der Urheber auf öffentliche Zugänglichmachung gem. § 19a UrhG eingreife, auf zweifache Weise das Urheberpersönlichkeitsrecht verletze und durch die "Teilen"-Funktion fremde Rechtsverletzungen fördere.
Selbst wenn man dem dogmatisch fragwürdigen Urteil des BGH zur faktischen Einwilligung folge, erstrecke sich diese allenfalls auf das im Rahmen der Informations- und Meinungsfreiheit notwendige Maß, nämlich die Rasteransicht mit geringer Bildauflösung – und eben nicht auf die Großansicht mit optimaler Auflösung wie in der neuen Bildersuche. Durch diese werde der Besuch auf der Ursprungswebseite ersetzt, sodass sich Google nicht mehr auf die Vorschaubild-Entscheidung des BGH berufen könne.
Google wirke daher auch nicht mehr nur als Suchmaschine, sondern als Content-Anbieter, der sich die Lichtbilder zu Eigen mache. Auf die BestWater-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Beschl. v. 21.10.2014, Az. C-348/13) könne sich Google nicht berufen, weil die Bilder nicht nur verlinkt, sondern zum Abruf bereitgehalten würden.
Das Herausreißen der Fotos aus dem ursprünglichen Kontext der Webseite und deren Einstellung in einen neuen mit anderen Bildern sei zudem eine Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts gem. § 14 UrhG (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 12.07.2016, Az. 11 U 133/15). Außerdem verletze es das Urheberpersönlichkeitsrecht gem. § 13 UrhG, die Bilder ohne Urhebervermerk darzustellen.
Schließlich sei die "Teilen"-Funktion nicht notwendiger Bestandteil der Suchergebnisanzeige und damit auch nicht von einer faktischen Einwilligung gedeckt. Durch das Teilen müsse der Teilende beispielsweise Facebook nach den entsprechenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) eine weltweite, kostenfreie Lizenz an den geteilten IP-Inhalten einräumen, wozu er im Regelfall nicht in der Lage sei. Dieses rechtswidrige Verhalten der User fördere Google durch das Anbieten des "Teilen"-Buttons.
Ist die neue Bildersuche von Google damit tatsächlich eine Urheberrechtsverletzung? Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Nein. Sie ist sogar nach den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs noch weniger rechtswidrig, als es die alte Suche war, obwohl sie für Urheber viel einschneidender ist.
Die Anzeige bei Google als öffentliche Wiedergabe
Während der BGH in den "Thumbnail"-Entscheidungen das Vorgehen Googles noch mit dem Kunstgriff eines "tatbestandsauschließenden Einverständnisses" rechtfertigen musste, hat der EuGH mit seiner Bestwater-Entscheidung zum Einbetten von Inhalten einen Weg geebnet, gegen die sich die Urheber viel weniger wehren können. Danach ist "die Einbettung eines auf einer Website öffentlich zugänglichen geschützten Werkes in eine andere Website mittels eines Links unter Verwendung der Framing-Technik […]keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. l der Richtlinie 2001/29 […], soweit das betreffende Werk weder für ein neues Publikum noch nach einem speziellen technischen Verfahren wiedergegeben wird, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet."
Und seit der EuGH-Entscheidung im Fall Svensson (Beschl. v. 13.2.2014, Az. C-466/12) ist geklärt, dass eine Verlinkung im Internet auf eine erlaubte öffentliche Wiedergabe, die frei zugänglich ist, kein neues Publikum erreicht und damit urheberrechtlich irrelevant ist. Das Argument hinter dieser Wertung lautet vereinfacht gesagt, dass derjenige, der ein Werk im Internet öffentlich zugänglich gemacht hat, dabei auch an alle Internetnutzer als mögliches Publikum gedacht hat.
Die Auffassung der Verbände, dass die neue Google-Bildersuche in das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung eingreife, ist daher – aus Sicht der Urheber – unzutreffend.
2/2: "Teilen"-Funktion für soziale Medien ist urheberrechtlich unbedenklich
Auch das Angebot der "Teilen"-Funktion neben dem betreffenden Bild dürfte rechtlich unbedenklich sein. Die Verbände gehen in Ihrem Brief fälschlicherweise davon aus, dass das Teilen von Inhalten in sozialen Medien voraussetzt, dass der Teilende eine weltweite, kostenfreie Lizenz an den geteilten Inhalten einräumen muss.
Obwohl der Brief offen lässt, worauf diese Auffassung gestützt wird, ist davon auszugehen, dass man diesbezüglich Ziffer 2.1. der Nutzungsbedingungen von Facebook im Blick hatte. Dort wird vorausgesetzt, dass derjenige, der Inhalte und Informationen auf Facebook postet, auch alle Rechte daran hat und diese dementsprechend an Facebook weiterreicht. Es ist aber ein weit verbreiteter Irrtum anzunehmen, dass Facebook damit auch das bloße "Teilen" meint, in dessen Rahmen auf eine Quelle verlinkt wird und lediglich ein Ausschnitt des Textes und eine Vorschauversion des illustrierenden Lichtbilds übernommen wird.
Das ist nämlich nicht der Fall, denn beim Teilen wird das Lichtbild lediglich akzessorisch zum geteilten Beitrag verwendet. Abgesehen davon ist es auch aus anderen Gründen abwegig, dass Facebook sich für diese Handlungen ein eigenes Nutzungsrecht einräumen lässt, da es dies nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gar nicht benötigt. In der erwähnten Entscheidung des BGH hat dieser bereits im Jahre 2010 betont, dass ein Berechtigter, der Texte oder Bilder im Internet ohne Einschränkungen frei zugänglich macht, mit den nach den Umständen üblichen Nutzungshandlungen rechnen muss. Dazu dürfte man die allseits bekannte und ausgiebig genutzte "Teilen"-Funktion der sozialen Medien jedenfalls mittlerweile zählen können.
Keine Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts
Ebenso liegt die Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts durch Einbettung in einen anderen Kontext fern. Das von den Kritikern angeführte OLG Frankfurt hatte in der Standort-Änderung eines Kunstwerks eine Urheberrechtsverletzung gesehen. Bei einem auf gewöhnliche Art und Weise im Internet öffentlich zugänglich gemachten Foto dürfte ein solcher Fall in der Regel nicht in Betracht kommen, auch wenn seltene Ausnahmen, etwa im Zusammenhang mit einer Collage, denkbar sein mögen.
So bleibt noch die Kritik an der fehlenden Urhebernennung. § 13 UrhG schreibt vor, dass der Urheber das Recht auf Anerkennung seiner Urheberschaft am Werk hat und bestimmen kann, ob und wie das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu verwenden ist. Voraussetzung für eine solche Verpflichtung ist jedoch eine urheberrechtliche Nutzung des Werks. Wenn man aber mit dem EuGH davon ausgeht, dass die Einblendung eines Bilds in der Google-Bildersuche bereits keine urheberrechtlich relevante Verwertung bzw. Nutzung darstellt, dann entfällt auch die Pflicht, das Bild dort mit einer eigenständigen Urheberbezeichnung zu versehen.
Die Google-Bildersuche verletzt grundsätzlich keine Urheberrechte
Urheberrechtliche Ansprüche scheiden daher – so unbefriedigend das aus Sicht der Urheber sein mag – grundsätzlich aus. Google nutzt insoweit lediglich die liberalen Vorgaben des EuGH zur Verwendung von urheberrechtlich geschützten Werken im Internet zum Ausbau seiner Vormachtstellung im Markt aus. Dass sich das Unternehmen damit neben den Google-News nun auch im Bild-Bereich faktisch mehr und mehr Kontrolle über die Inhalte im Netz verschafft, kann man mit guten Gründen kritisieren und mit geschäftlichen Entscheidungen sanktionieren. Urheberrechtlich ist dieser Entwicklung nicht beizukommen.
Der Autor Arno Lampmann ist Partner der Kanzlei Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum - Marken, Medien, Reputation in Köln und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz. Er ist spezialisiert auf das Urheber- und Wettbewerbsrecht.
Arno Lampmann, Urheberverbände gegen neue Google-Bildersuche: Kritikwürdig, aber eben nicht rechtswidrig . In: Legal Tribune Online, 13.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22358/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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