Nachdem die Panama Papers im April bekannt wurden, lohnt sich ein erster Blick darauf, welche rechtlichen Auswirkungen dieses Ereignis auf Wirtschaft, Politik und Gesellschaft entfaltet hat. Ein Kommentar von Björn Demuth.
Die Veröffentlichung der Panama Papers hat den öffentlichen Druck auf die Politik erhöht. Dabei spielen Gleichbehandlungsüberlegungen und moralische Aspekte vorrangig eine Rolle, aber auch die Gleichmäßigkeit der Besteuerung und damit die Verhinderung der kriminellen Verschleierung von Einkünften vor den Finanzbehörden. Deshalb ist das Thema Steuerhinterziehung verstärkt wieder in den Vordergrund geraten, denn verschiedene Briefkastenfirmen wurden zu eben solchen Steuerhinterziehungen missbraucht.
So ist eine Fülle von Maßnahmen ergangen, die insbesondere auf das Steuer- und Strafrecht Einfluss nehmen, ebenso aber auch auf Geldwäschevermeidung. Zu nennen ist das BEPS-Projekt (Base Erosion and Profit Shifting), das schon länger verhandelt wurde, nun aber beschleunigt vorangetrieben wird. Zwischen den Finanz- und Strafverfolgungsbehörden ist eine verstärkte Zusammenarbeit zu erwarten. Auf nationaler Ebene haben die Finanzminister der Länder eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Thema eingesetzt, welche die Abschaffung des Bankgeheimnisses fordert. Zudem sollen im Falle der Geschäftsbeziehung zu Briefkastengesellschaften die Mitwirkungspflichten erweitert werden und Außenprüfungen anlasslos möglich sein. Der Verstoß gegen Mitteilungspflichten soll härter sanktioniert werden, ebenso wurde ein öffentlich einsehbares Transparenzregister vorgeschlagen.
Alle diese Bemühungen haben sowohl nationale als auch internationale Wurzeln: Die EU-Mitgliedsstaaten ebenso wie die OECD-Mitgliedsstaaten haben sich bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Geldwäsche abgestimmt. Amtshilfe- und Auskunftsabkommen wurden erweitert oder erstmals geschlossen und der Kreis der Teilnehmer am internationalen automatischen Auskunftsabkommen erweitert.
Was auf Unternehmen zukommt
Für Unternehmen wirkt sich die Veröffentlichung der Panama Papers schon jetzt aus: Das für Unternehmen komplexe Gebiet der Compliance wird durch die anvisierten Maßnahmen noch schwieriger zu handhaben. Es ist zu erwarten, dass Steuerbehörden verstärkt und besonders sensibilisiert bei der Prüfung von Geschäftsbeziehungen zu Briefkastengesellschaften im Ausland vorgehen. Zwar wurden unternehmerische Kontakte zu Briefkastenfirmen im Ausland auch schon vorher unter dem Aspekt der Korruption und Geldwäsche genau geprüft. Durch die jüngsten Erkenntnisse werden sich die kritischen Nachprüfungen aber besonders im steuerlichen Bereich ausweiten.
Dabei bedeutet die Gründung einer Briefkastenfirma zunächst einmal nicht mehr, als die Gründung einer juristischen Person unter Verschleierung der wahren Gesellschafter. Erreicht wird diese Verschleierung durch eine treuhänderische Konstruktion. Dieser Vorgang ist nicht per se strafbar. Dem Entschluss eine Briefkastengesellschaft zu eröffnen, liegt in vielen Situationen eine sinnvolle und legale Überlegung zugrunde.
So kann es zum Beispiel für ein Unternehmen wichtig sein, beim Eintritt in einen neuen Markteintritt und Rechtskreis zunächst nur geringe Ausgaben für Personal und Büroräume einzugehen. Über eine Briefkastenfirma, die eben außer einem Briefkasten und einen externen Serviceprovider keine weiteren Räume und Angestellten unterhält, kann dieses Problem zunächst einmal elegant und verhältnismäßig kostengünstig gelöst werden. Damit besteht eine erste Anlaufstelle im Ausland ohne nennenswerte Verpflichtungen, bis das Geschäft aufgebaut und eine ordentliche Struktur aufgesetzt wird.
Gelegentlich sollen die Vertragspartner auch nicht hinter die Kulisse schauen dürfen, um den eigentlichen Player nicht zu früh beim Marktzugang zu erkennen und zu behindern. Ebenso haben auch prominente oder vermögende Personen ein Interesse daran, bei bestimmten Geschäften unerkannt zu bleiben und die wahre Höhe ihres Vermögens im Verborgenen zu belassen, ohne deshalb gleich Steuern zu hinterziehen. Es gibt zudem Fälle, in denen einer Vertragspartei ohne die Verschleierung ihrer wahren Identität überhaupt kein ausgeglichenes und faires Geschäft ermöglicht würde.
2/2: Steuerliches Motiv ebenfalls nicht gleich strafbar
Aber selbst eine steuerliche Motivation macht eine internationale Steuerplanung eines Unternehmens nicht bereits strafbar. Es gilt das vom Bundesverfassungsgericht anerkannte Recht auf Steueroptimierung. Im Rahmen der vom Gesetzgeber selbst geschaffenen Gestaltungsmöglichkeiten kann jedermann seine Vermögensangelegenheiten so ordnen, dass ihn eine möglichst geringe Steuerbelastung trifft. Dieses Recht hat bereits das Bundesverfassungsgericht jedem Bürger zugesprochen. Dass dies den Finanzbehörden nicht recht ist, ist unter rein fiskalischen Gesichtspunkten verständlich, rechtfertigt aber keinen rechtlichen Vorwurf gegen Steuerpflichtige, die sich im gesetzlichen Rahmen optimal aufstellen.
Eine strafbare Steuerhinterziehung liegt erst vor, wenn steuerlich erhebliche Tatsachen vorsätzlich unrichtig oder unvollständig angegeben oder nicht mitgeteilt werden. Eine Briefkastenfirma darf also nicht zu dem Zweck eingerichtet werden, den Steuerbehörden bewusst Informationen vorzuenthalten, die für die eigene Besteuerung relevant sind, etwa das eine in Deutschland steuerpflichtige Person Einkünfte in einer sogenannten Steueroase erzielt und in Deutschland nicht angibt. Die bloße Gründung einer Briefkastenfirma erfüllt also noch nicht den Straftatbestand der Steuerhinterziehung. Hinzukommen muss der Zweck, dadurch den Finanzämtern steuerrelevante Informationen vorzuenthalten.
Konkrete Ergebnisse zur Steuerfahndung erst 2018
Die obigen Maßnahmen sind dazu geeignet, die steuerliche Aufklärung und Bekämpfung von Steuerhinterziehung voranzutreiben, wenn auch konkrete Ergebnisse nicht vor 2018 erwartet werden können, da erst dann Ergebnisse zu den konkreten Anlagestrukturen aus den automatischen Auskunftsverfahren bereitstehen. Neben der Förderung der Transparenz ist es aber auch Aufgabe des Gesetzgebers, die Freiheitsrechte der einzelnen Bürger im Blick zu behalten.
Wie beschrieben sind Gestaltungen um Briefkastenfirmen nicht unbedingt strafbar. Wenn jetzt aber Transparenz um jeden Preis gefordert und das Bankgeheimnis weitestgehend gelüftet wird, dann werden davon alle Bürger und Unternehmen betroffen und nicht nur die tatsächlich Steuerhinterziehenden. Außerdem kann derzeit kein Staat den Datenschutz gewährleisten, zu viele Ereignisse belegen das Gegenteil. Damit würde es externen Kriminellen nur leichter gemacht, auf die von Banken gesammelten relevanten Daten zugreifen zu können.
Darüber hinaus wächst der Druck auf die Steueroasen, bei den Auskunftsabkommen mitzuspielen und neben steuerlichen Daten auch Einbehaltsteuern pauschal zu erheben. Ob sich letztlich wirklich jeder dieser Staaten auf eine Zusammenarbeit einlassen wird, ist eine andere Frage.
Dr. Björn Demuth ist Rechtsanwalt, Steuerberater und Partner bei CMS in Deutschland. Als Fachanwalt für Steuerrecht berät er regelmäßig Unternehmen bei Fragen zum Steuerrecht und Compliance.
Dr. Björn Demuth, Sechs Monate danach: Was die Panama Papers verändert haben . In: Legal Tribune Online, 14.10.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20868/ (abgerufen am: 02.05.2024 )
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