Aller Anfang ist schwer, besonders bei Twitter. Wer dennoch einsteigen und Rechtliches aus der weiblichen Perspektive lesen möchte, findet hier zehn Accounts für den gut informierten Anfang.
Twitter ist die perfekte Möglichkeit, um sich schnell und - richtig genutzt - vielseitig und nicht nur innerhalb der eigenen Meinungsblase zu informieren. Zu praktisch jedem Thema, auch zu Justiz und Recht, wenn man denn den richtigen Leuten folgt.
Wer die sind, ist zwar Geschmackssache, aber mit ein paar Accounts kann man für einen gelungenen Einstieg ganz gewiss nichts falsch machen. Nach unseren ersten Vorschlägen, wem man folgen könnte, geht es passend zum Weltfrauentag weiter mit einer Liste mit Damen aus dem Rechtsbusiness, die viel zu Recht und Justiz zu sagen haben.
Nur in diesem Sinne ist auch unsere Aufstellung gemeint: Naturgemäß subjektiv, nicht als "Top 10", "Best Of" oder Ranking und schon gar nicht als vollständig oder abschließend. Aber als guter Ausgangspunkt für jeden Juristen, der den Einstieg bei Twitter wagen oder ein paar neue, weibliche Stimmen rund ums Recht in seine Timeline aufnehmen will.
In diesem Sinne: Hier sind unsere 10 Follow-Empfehlungen.
2/11: Recht verständlich gemacht: @TackeSarah
Beide Autoraser wirken fassungslos- wurden soeben wg Mordes vom LG Berlin verurteilt. Letztes Wort aber wohl BGH #illegaleautorennen
— Sarah Tacke (@TackeSarah) 27. Februar 2017
Ihr Gesicht nicht zu erkennen, ist fast unmöglich. Dr. Sarah Tacke ist justizpolitische Korrespondentin des ZDF und stellvertretende Leiterin der dortigen Rechtsredaktion. Einem noch breiteren Publikum ist sie als Moderatorin des ZDF Wirtschafts- und Verbrauchermagazins WISO bekannt. Bei Twitter reicht das für über 3.000 Follower.
Ob gescheiterter Versuch, die NPD zu verbieten ("völlig unnötig"), Elbvertiefung oder das Mord-Urteil der Berliner Ku’damm-Raser: Tacke ist vor Ort und hat, wenn gerade mal nicht das Mikrofon, dann ziemlich sicher ein Handy zum Twittern in der Hand. Mit Karlsruhe ist die promovierte Juristin, die auch Mitautorin im Hamburger Kommentar zum gesamten Medienrecht ist, nach wenigen Jahren so vertraut, als sei sie dort groß geworden. Sie zwitschert auch Stimmen und Stimmungen, beschäftigt sich aber auch bei Twitter ausschließlich mit rechtlich-sachlichen Themen. Privates und Banales finden auf ihrem Twitter-Account nicht statt.
Die Tochter des ehemaligen Staatssekretärs im Bundeswirtschaftsministeriums Alfred Tacke (SPD) unter Gerhard Schröder greift auf juristischen Sachverstand und von der Pike gelernten Journalismus zurück. Ihre Tweets sind ihren TV-Auftritten aus Karlsruhe ähnlich: Sie erklärt, sortiert und ordnet ein, sodass für den Fachmann noch einmal deutlicher wird, was der Laie zum ersten Mal versteht.
3/11: Recht, Politik, Familie, HR und/oder Nonsense: @RA'in Nina Diercks
Reminder: Wer meine Tweets zu Politik, Familie, HR und/oder Nonsense überflüssig findet, darf für pures Recht gerne @KanzleiDiercks folgen.
— RA'in Nina Diercks (@RAinDiercks) 21. September 2016
Rechtsanwältin Nina Diercks fürchtete, dass sie in diesem redaktionellen "Followwomen" nicht vorkommen würde. Es war der letzte Tweet in einer regen Diskussion, die die Anwältin für IT-, Medien-, Datenschutz- und Arbeitsrecht unmittelbar nach Veröffentlichung unseres ersten redaktionellen Following Friday anstieß: "Die @lto_de schlägt 10 'folgenswerte Twitteraccounts von Juristen' vor. Darunter keine einzige Frau. #waytogo". Den Hashtag nutzt die Hamburger Anwältin häufig, denn die Gleichberechtigung von Frauen ist eines ihrer großen Themen.
Twitter-Kollegin DieAnwältin nennt Diercks die "Fachfrau für Socialmedia-Recht". Sie spielt damit nicht nur auf diverse Presseveröffentlichungen und ein veröffentlichtes Buch an, sondern auch auf den "Social Media Recht Blog", den die vom Unabhängigen Landesdatenschutzzentrum Schleswig-Holstein anerkannte Sachverständige* seit 2010 betreibt.
Bereits seit 2009 twittert sie auf ihrem nicht rein geschäftlichen Account neben Rechtlichem zu Medien-, Arbeits- und IT-Recht und nach eigenen Angaben auch über "Politik, Familie, HR und/oder Nonsense". Die Politik beleuchtet sie aus SPD-Sicht, die Familienthemen mit dem Blick einer zweifachen Mutter, die sich mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie beschäftigt. Alle Tweets sind stark meinungslastig, bekennend subjektiv und mit einer Verve, die für mehr als 3.500 Follower gesorgt hat. Das reicht locker für unsere Empfehlungsliste, LTO-Schelte hin oder her.
*Korrektur am Tag der Veröffentlichung
4/11: Recht und Politik aus Europa, direkt aus Straßburg: @ckornmeier
Wenn man mit dem Bus länger braucht als zu Fuß...
— Claudia Kornmeier (@ckornmeier) 7. März 2017
Wer sich für Europa und Politik interessiert, kommt an Dr. Claudia Kornmeier nicht vorbei. Die Journalistin und Juristin mit Faible fürs Verfassungsrecht und sanftem Sinn für trockenen Humor berichtet als Korrespondentin der Deutschen Presseagentur aus Straßburg.
Verhandelt und entscheidet der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, ist Claudia Kornmeier vor Ort, auch wenn die Architektur des Europaparlaments sie noch immer vor so manches Rätsel stellt.
Außerdem beschäftigt sich die leidenschaftliche Europäerin mit gesellschaftlich Relevantem, französischer Innenpolitik und verfolgt den Wahlkampf im gespaltenen Nachbarland. Neben Recht und Politik twittert die ehemalige LTO-Redakteurin über ihr neues Leben zwischen Straßburg und Kehl, deutsch-französische Völkerverständigung, öffentliche Verkehrsmittel und - ganz selten - auch mal über Katzen.
5/11: Trump, Frauen- und Kinderrechte – und die Monarchie: @FrauAnwaeltin
Mettbrötchen wäre auch nicht schlecht!
— RAin (@FrauAnwaeltin) 7. März 2017
Charme, Stil und Etikette: Wer vor der Arbeit oder in der Mittagspause lieber über den juristischen Tellerrand hinaus zu den Royals schaut als in juristische Fachmagazine, für den ist @FrauAnwaeltin ein Must-follow. Gelegentlich twittert die Strafverteidigerin einen Link auf ein Urteil, doch ihre royalen oder politischen (Re-)Tweets werden eher durch Anregungen zu Mode, Stil und Etikette unterbrochen als durch eigene fachliche Anmerkungen. Ihre Bildung kann sie dabei nicht verhehlen: Etikette und Königshäuser – darunter auch das Twitter-Königreich Kleinpistazien @kleinpistazien – sind ihre Passion. Sie ist die Juristin, die bei Bedarf den Dress-Code beim Empfang des Bundespräsidenten erklärt.
Berufliches findet in Form von Klatsch und Tratsch über die eigene Kanzlei und ihre Kunden statt. Sie schreibt Anekdötchen über Assistentinnen, die ihren Geburtstagskuchen verschmähen, oder über Mandanten, die absurde Vorschläge zur Prozesstaktik machen. Die Anwältin bleibt bei Twitter anonym, hat Tweets entfernt, die es leicht machen würden, ihre Person zu identifizieren. Sichtbar für alle sind ihr Lebens- und Schaffensraum München, die Herkunft Mainz und das Strafrecht. Mehr Informationen im sozialen Netzwerk würden bedeuten, ihre Offenheit einschränken zu müssen. Das möchte sie offenbar nicht.
Auch nicht mit Blick auf politische Überzeugungen: Dass sie klar gegen Präsident Donald Trump eingestellt ist, wäre für ihre berufliche Situation sicherlich unschädlich. Ihre Vorliebe für den kanadischen Premierminister Justin Trudeau – beziehungsweise für dessen Hintern – müsste sie allerdings bei nicht-anonymer Zwitscherei womöglich dezenter formulieren. Frau Anwältin ist ein Weibsbild im besten Sinne: Eine Feministin, Kinderrechte-Vertreterin und Fan der Gleichbehandlung mit Stil und Manieren.
6/11: Expertin für Zeitver(sch)wendung: @cbudras
Da erlebt man das erste Zeit-Paradox: kaum fängt man das Buch an, kommt die Zeit ganz von alleine. Verrückt! https://t.co/fIVsnyU9cn
— Corinna Budras (@CBudras) 21. Februar 2017
Laut ihrer Twitter-Bio ist Corinna Budras "zuständig für Zeitver(sch)wendung". Damit ist aber sicherlich nicht gemeint, dass man auf Twitter herrlich prokrastinieren kann – die FAS-Journalistin hat kürzlich das Buch "Wer hat an der Uhr gedreht? - Warum uns die Zeit abhanden kommt und wie wir sie zurückgewinnen" veröffentlicht.
Corinna Budras ist Juristin und Journalistin zugleich: Nach dem Jura-Studium absolvierte sie eine Ausbildung an der Berliner Journalisten-Schule und war zunächst in der Nachrichtenagentur Bloomberg zwei Jahre lang als "Legal Reporter" in Frankfurt tätig. 2005 wechselte sie in das Wirtschaftsressort der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, wo sie über Wirtschaftsrecht schrieb und gemeinsam mit Joachim Jahn das Ressort "Recht und Steuern" betreute. 2014 wechselte sie dann in das Wirtschaftsressort der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, auch dort schreibt sie häufig über wirtschaftsrechtliche Themen.
Sie gehört zwar nicht zu den eifrigsten twitternden Juristinnen, aber Budras retweetet regelmäßig interessante Artikel aus der nationalen und internationalen Presse. Zudem finden sich In ihren Tweets viele Netz-Fundstücke, die schmunzeln lassen. Wir schließen aus ihren Tweets: Ein Fan von Donald Trump ist Corinna Budras nicht.
7/11: Grey Hair Factor - Barbara Mayer
Liebes @heutejournal : #Gaggenau ist nicht #schwäbisch, sondern #badisch! #Heimatkunde
— Barbara Mayer (@Barb_Mayer) 3. März 2017
Barbara Mayers wohl schönster Tweet der letzten Zeit ist: "A woman with grey hair and a young face is a fashion statement - jetzt wisst ihrs!" Die Anwältin mit den kurzen, grauen Haaren ist seit vielen Jahren Managing Partnerin bei Friedrich Graf von Westphalen & Partner und damit eine der wenigen Frauen an der Spitze einer Wirtschaftsrechtskanzlei.
Entsprechend twittert Mayer häufig über juristische Themen und über aktuelle Mandate ihrer Kanzlei. Aber es gibt auch viel Politisches bei ihr zu lesen - und Mayer bezieht eindeutig Stellung: Immer wieder twittert sie Kritisches über Trump und die Rechtspopulisten in anderen Ländern; weitere Lieblingsthemen sind Gleichstellungsfragen und die Frauenquote.
Wer nun aber denkt, Barbara Mayer interessiere sich für nichts außer Jura und Politik, der täuscht sich gewaltig: Sie reist gerne, mag Südbaden und die Stadt Freiburg und ist ein großer Fan des dortigen Bundesliga-Vereins.
8/11: Skurriles aus der Kanzlei: @webanwaeltin
Der Morgen beginnt mit einer Mandantin, die mir Literatur vorbeigebracht hat, die mir "weiterhelfen" soll. Ohne Worte. OHNE. Worte.
— Jessica Wagner (@webanwaeltin) 8. März 2017
Die Webanwältin heisst eigentlich Jessica Wagner und ist Anwältin für Wirtschaftsrecht in Ulm. Sie twittert viel und regelmäßig, hat allerdings bislang nur rund 430 Follower. Das ist aus unserer Sicht zu wenig und sollte sich schleunigst ändern.
Die Webanwältin berichtet in ihren Tweets augenzwinkernd und selbstironisch von Absurditäten aus dem Kanzleialltag, etwa über Mandanten, die ungefragt Fachliteratur in der Kanzlei vorbeibringen oder pünktlich zum Termin erscheinen, nur leider den Namen ihres Anwalts vergessen haben. Viele ihrer Tweets sind politisch, fast alle haben einen juristischen Bezug. So twittert sie etwa zum Fall Wendt und dem Raserurteil des LG Berlin. Für Juristen mit rechtspolitischem Interesse und dem Bedürfnis, sich mit ihrem Berufsalltag nicht allzu allein zu fühlen, eine echte Bereicherung
9/11: Wissenschaft, Medienrecht & die richtige Dosis Alltag: @AnnaKBernzen
Aber: Das LG ließ offen, ob Facebook bei schweren APR-Verletzungen proaktiv suchen muss. Das müsse im Hauptsacheverfahren geklärt werden. https://t.co/Br0QgYzq65
— Anna K. Bernzen (@AnnaKBernzen) 7. März 2017
Noch mehr Follower, als sie jetzt schon hat, verdient auch Anna K. Bernzen. Die Juristin und freie Journalistin kann allerdings auf Prominenz unter ihren Followern verweisen, von Rechtsjournalisten bis Professorinnen folgen ihr so einige Größen der Rechtsbranche. Zu Recht, denn Anna Bernzen beschäftigt sich nicht nur mit "PR, IP, IT und anderen Abkürzungen", wie ihr Account verheißt, sondern mit fast allem rund ums Recht.
Ob die Verfolgung von Fakenews, Datenschutz oder Presserecht: Die wissenschaftliche Mitarbeiterin, die am Osnabrücker Lehrstuhl von Prof. Dr. Mary-Rose McGuire im Medienrecht promoviert, kommentiert, retweetet und bezieht Stellung. Nie aggressiv, aber immer mit Message und manchmal feministischem Einschlag zwitschert die noch junge Juristin, die sich nicht nur mit Artikeln über die juristische Ausbildung bereits einen Namen gemacht hat. Sie schrieb schon für LTO wie für den Kölner Stadtanzeiger, für Die Zeit wie auch Telemedicus.
Auch bei Twitter ist sie sehr aktiv, oft informiert Bernzen in gleich mehreren Tweets täglich. Dabei bleibt es selten nur bei Nachrichten aus Recht und Wissenschaft, auch der Alltag will kommentiert werden. Und das in bester Social-Media-Manier: "Der Moment, in dem das mit der Wissenschaft keine so gute Idee mehr zu sein scheint? Samstagmorgen um 6.45 h auf dem Weg zur Klausur."
10/11: Strafrecht, Anwaltswitze und Politik: @RAinBraun
Lächeln von Servicekräften ist auch irgendwie out, oder? Die machen den Eindruck, als wollten sie die Gäste alle töten.
— Alexandra Braun (@RAinBraun) 4. März 2017
Die Anfang 40-jährige Wahl-Hamburgerin Alexandra Braun twittert sich in ein Gesamtbild zwischen sympathisch und professionell. Auf dem von Kollegin und Freundin Nina Dierks empfohlenen Twitter-Account @RAinBraun nimmt die Strafverteidigerin sich und ihre Profession zumindest in der Zwitscher-Welt nicht ganz ernst. Sie twittert über laienhafte Einschätzungen des materiellen Strafrechts, überflüssige Einlassungen ihrer Mandanten und Klatsch und Tratsch in der Juristenszene.
Darüber hinaus ist auch sie vor allem politisch aktiv: Leserin der taz, Fan der Bus-Installation in Dresden, Gegnerin von US-Präsident Trump und Gegnerin der AfD. Bereits 2011 Twitter beigetreten, hat sie es inzwischen auf 2540 Follower gebracht. Wer also die Kombination aus Strafrecht, Berufswitzen und tendenziell linksliberaler Politik schätzt, ist bei der Fachanwältin für Strafrecht gut aufgehoben.
11/11: Technik, Recht und Frauen: @RechtBlond
Alles Gute zum #Weltfrauentag, liebe Followerinnen! Happy #InternationalWomensDay!
— Claudia (@RechtBlond) 8. März 2017
Erst seit Februar 2015 dabei ist Claudia Otto, die unter dem selbstironischen Namen @RechtBlond zwitschert. Die - blonde - Rechtsanwältin hat ihre eigene Kanzlei 2016 in Frankfurt gegründet, nachdem sie zuvor einige Jahre bei Hengeler Mueller tätig gewesen war. Claudia Otto hat sich vor allem auf das Recht der Informationstechnologie spezialisiert – es wäre schon fahrlässig, mit diesem Rechtsgebiet als Selbstständige nicht auch zu twittern.
Das macht sie gut – und unterhaltsam. Eine Rechtsanwaltskollegin aus der Twitter-Szene sagte über sie: "in der Tat recht amüsant". Genauso ist es auch aus Sicht der Redaktion.
Sie selbst folgt 1.008 Nutzern – entsprechend bunt ist auch bei ihr die Mischung der für gut befundenen oder retweeteten Mitteilungen. Auch wenn es gänzlich unpolitisch bei Twitter ja kaum geht, lässt Claudia Otto den Schwerpunkt doch bei beruflichen und vor allem fachlichen Themen rund ums IT-Recht. We like.
Pia Lorenz und Anja Hall und Tanja Podolski, Recht & Justiz auf Twitter: 10 Juristinnen, denen man folgen sollte . In: Legal Tribune Online, 08.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22315/ (abgerufen am: 28.04.2024 )
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