Kein Tag ohne Anschlag. Kommt nach der Tat von Ansbach das Asylrecht auf den Prüfstand? Außerdem in der Presseschau: nutzt oder schadet ein Darknet?, AfD-Fraktion darf sich spalten und endlich wieder Pokemon-Meldung.
Thema des Tages
Anschlag und Aufenthaltsrecht: Der Anschlag von Ansbach am vergangenen Sonntagabend setzt eine erneute Debatte über die Angemessenheit von Asyl- und Aufenthaltsbestimmungen in Gang. Nach dem Bericht der FAZ (Eckart Lohse/Henning Peitsmeier) stammte der bei der Explosion verstorbene Täter aus Syrien. Weil bei der Prüfung seines Asylantrag festgestellt wurde, dass er bereits in Bulgarien und dann in Österreich Asyl beantragt hatte, wurde die Überstellung nach Bulgarien, wo ihm subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist, angeordnet. Wegen zweier Selbstmordversuche habe sich der psychisch auffällige Mann auch in Behandlung befunden. Wegen möglicher Verbindungen des Attentäters zum sogenannten Islamischen Staat hat die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen aufgenommen. Dies schreibt spiegel.de (Florian Gathmann/Philipp Wittrock). Wegen der Vorfälle in den letzten Tage habe die bayerische Staatsregierung für den heutigen Dienstag eine Klausurtagung mit dem Thema Innere Sicherheit einberufen. Innenminister Joachim Herrmann (CSU) habe hierzu Gesetzesvorstöße, "vor allem mit Blick auf das Aufenthaltsrecht" angekündigt. Zu möglichen Konsequenzen befragt focus.de (Julian Rohrer) das Mitglied des Bundestages Armin Schuster (CDU). Neben einem freiwilligen Polizeidienst als Ergänzung der nur noch als "Reaktionspolizei" arbeitenden regulären Polizei sei vor allem eine "konsequente Abschiedskultur" vonnöten, so das Innenausschuss-Mitglied. In Frage-und-Antwort-Form legt die Welt (Manuel Bewarder/Marcel Leubecher) dar, "wie streng die Gesetze gegen kriminelle Ausländer bereits sind, warum Abschiebungen immer wieder scheitern und welche Sicherheitsrisiken mit der Flüchtlingswelle zusammenhängen."
Frank Specht (Hbl) fordert "auch im Sinne der großen Mehrheit der hier friedlich lebenden Flüchtlinge" das Angehen der durch den Ansbacher Anschlag "augenfällig gewordenen Defizite der Asylpolitik". Dabei seien Lösungen für Missstände wie "das Desaster der nicht funktionierenden EU-Asylpolitik" komplizierter als etwa durch die AfD suggeriert.
Rechtspolitik
Darknet: Vermeintliche Erkenntnisse zu Waffenbeschaffung des Täters von München und zur Funktionsweise des sogenannten Darknets fasst spiegel.de (Jörg Diehl/David Walden) zusammen. Constanze Kurz (netzpolitik.org) behauptet in einem Kommentar, dass angesichts zahlreicher Möglichkeiten dezentraler verschlüsselter Kommunikation der Interneteinsatz zu illegalen Zwecken nur mehr die Fähigkeit, "eine Suchmaschine bedienen zu können", erfordert. Verschlüsselte Angebote wie eben das vielbeschworene Darknet würden dagegen auch von Journalisten, Menschenrechtsorganisationen, Whistleblowern und anderen Schutzbedürftigen gern genutzt, dies spiele "in der populistischen Diskussion um die Schlussfolgerungen nach einem Amoklauf keine Rolle". Auch Carsten Knop (FAZ) gibt in seinem Kommentar zu bedenken, "dass ein großer Teil des Datenverkehrs im Darknet keinen kriminellen Zwecken dient". Für den "unerfreulichen" anderen Teil aber müssten Ermittlungskapazitäten ausgebaut und auch die Bereitsteller der technischen Infrastruktur in die Pflicht genommen werden.
Mutterschutz: Durch die von der Bundesregierung geplante Reform des Mutterschutzgesetzes sollen etwa auch Schülerinnen und Studentinnen künftig Schutz in Anspruch nehmen. Diese und weitere inhaltliche Änderungen stellt Rechtsanwalt Till Hoffmann-Remy auf lto.de ausführlich vor.
§ 175 StGB a.F.: Die geplante Rehabilitierung und Entschädigung von nach § 175 StGB a.F. verurteilten Männern untersucht Rechtsprofessor Pierre Thielbörger auf verfassungsblog.de. Besondere Berücksichtigung finden hierbei das im Auftrag der Anti-Diskriminierungsstelle des Bundes von Martin Burgi und Daniel Wolff erstellte Gutachten und das Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums.
Schadensersatz für Kartellrechtsverstöße: Über den Referentenentwurf zur Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen berichtet das Hbl (Heike Anger). In Umsetzung der Kartellschadensersatzrichtlinie soll die Geltendmachung von Entschädigungen für Kartellschäden erleichtert werden. Hierbei sei vor allem das vorgesehene Recht auf Einsicht in Unterlagen beachtlich. Dieses gelte nach dem Entwurf nicht nur gegenüber dem Schadensverursacher, sondern auch gegenüber Dritten, die relevante Informationen besitzen könnten.
Justiz
OLG Hamm zu Tönnies: Das Oberlandesgericht Hamm hat eine auf die Abberufung des Geschäftsführers des Tönnies-Konzerns, Josef Tillmann, gerichtete Klage des Firmenmitinhabers Robert Tönnies abgewiesen. Der Kläger habe nach Ansicht des Gerichts keine die Abberufung rechtfertigenden Gründe beweisen können, schreibt die FAZ (Christine Scharrenbroch). Die behauptete Falschaussage Tillmanns in einem anderen Verfahren habe dieser bestritten. Die am Landgericht Bielefeld geführte Auseinandersetzung zwischen Robert und Clemens Tönnies um Firmenanteile werde wohl im Oktober fortgesetzt, nachdem ein zwischenzeitlich betriebenes Mediationsverfahren wohl gescheitert sei.
OLG Düsseldorf – Loveparade: Das Oberlandesgericht Düsseldorf wird über die Beschwerden gegen die Nichteröffnung eines Strafverfahrens wegen des Loveparade-Unglücks vor sechs Jahren "ausschließlich nach Recht und Gesetz" und damit unabhängig von der gestern überreichten Petition entscheiden. Diese Mitteilung des Gerichts meldet zeit.de.
OLG München – NSU: Das Oberlandesgericht München hat für das Verfahren gegen Beate Zschäpe und andere weitere 74 Verhandlungstage bis Anfang September 2017 festgelegt, meldet zeit.de.
LG Hof zu Silvesterübergriff: Das Landgericht Hof hat in der Berufung die Haftstrafe eines Irakers wegen einer in der Silvesternacht verübten sexuellen Nötigung leicht reduziert. Vom Amtsgericht hätte der Abschreckungsgedanke nicht strafschärfend gewertet werden dürfen, schreibt die SZ (Ulrike Heidenreich) über die jetzige Entscheidung. Dies gelte auch für die amtsgerichtliche Überlegung, der Verurteilte habe als Ausländer sein Gastrecht in der Bundesrepublik verletzt. Die Verteidigung habe eine Revision angekündigt.
LG Potsdam – Silvio S.: Vor dem am heutigen Dienstag anstehenden Urteil des Landgerichts Potsdam gegen Silvio S. fasst die taz (Uta Eisenhardt) die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse zum Angeklagten zusammen.
Michael D. Hausfeld: Die SZ (Markus Balser/Claus Hulverscheidt) widmet dem US-amerikanischen Rechtsanwalt Michael D. Hausfeld eine Seite Drei-Reportage. Durch seine Bemühungen zur Schaffung des NS-Zwangsarbeiter-Fonds oder seine Vertretung von südafrikanischen Apartheidopfern bekannt geworden, vertritt Hausfeld nun mit deutschen Kollegen vermeintlich Geschädigte in der Abgas-Affäre von VW. Hierfür setze er sich für die Einführung von Sammelklagen ein und plane, "das für VW zuständige Landgericht in Braunschweig mit Zehntausenden Einzelklagen" zu "überschwemmen".
Recht in der Welt
EuGH – Skilehrer: Wegen einschränkender Bestimmungen bei der Zulassung von Skilehrern in Tirol hat die EU-Kommission eine Klage gegen Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof angekündigt. Die Kommission sehe in den Bestimmungen eine ungerechtfertigte Bevorzugung einheimischer Instrukteure und damit einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit, schreibt die FAZ (Michael Stabenow).
Kroatien – SZ-Reporter: Die SZ (Hans Holzhaider) erinnert an ihren 1991 in Kroatien erschossenen Reporter Egon Scotland. Unter anderem wegen dieser Tat muss sich ab September der Anführer einer serbischen Miliz vor Gericht verantworten.
Türkei – Deutschtürken: Türkischstämmige Deutsche mit doppelter Staatsbürgerschaft können bei Problemen in der Türkei nicht mit deutschem konsularischen Schutz rechnen, schreibt die taz (Christian Rath). In der Türkei würden die betreffenden Doppelstaatler im Einklang mit internationaler Praxis als Inländer behandelt.
USA – VW: Am heutigen Dienstag wird ein US-Gericht in San Francisco darüber befinden, ob der zwischen VW und zahlreichen Kläger ausgehandelte Vergleich zur Beilegung der Abgas-Affäre zulässig ist. Hoffnungen machten dem Autobauer versöhnlichere Töne der Chefin der kalifornischen Umweltbehörde, schreibt die SZ (Thomas Fromm).
Sonstiges
Fraktionsmehrung: Die AfD-Abspaltung "Alternative für Baden-Württemberg" ist eine reguläre Landtagsfraktion. Zu diesem Ergebnis kommt ein von Christofer Lenz, Martin Morlok und Martin Nettesheim erstelltes Gutachten, über das die SZ berichtet. Weder aus der Landesverfassung noch aus geltenden Bestimmungen für Fraktionen und den Landtag lasse sich nach dem Gutachten ein Verbot für Abgeordnete ableiten, eine Fraktion bilden zu dürfen, nur weil andere Parteimitglieder bereits eine Fraktion gebildet hatten. "Das kann man auch anders sehen", kommentiert Reinhard Müller (FAZ) das Gutachten. Dieses halte das Prinzip des freien Mandats "mit Recht" hoch. Das "wahre Problem der Partei" sei aber nicht das Parlamentsrecht, vielmehr "die Personen und ihr Programm".
Richterliches Mäßigungsgebot: Bundesrichter Andreas Mosbacher referiert auf lto.de das in § 39 Deutsches Richtergesetz legaldefinierte Mäßigungsgebot. Unter Verweis auf die im sogenannten Facebook-Richter-Fall erfolgreiche Revision wegen Befangenheit sowie zahlreicher Zitate aus der zeit.de-Kolumne seines unbenannt bleibenden BGH-Kollegen Thomas Fischer legt Mosbacher dar, dass die Auferlegung konkreter Pflichten auch im außerdienstlichen Verhalten von Richtern die Kehrseite des dem Beruf entgegengebrachten öffentlichen Vertrauens sei. Rechtsanwalt Carsten R. Hoenig (kanzlei-hoenig.de) sieht durch den Beitrag die Krähentheorie widerlegt.
§ 138 StGB: Die Voraussetzungen der Strafbarkeit nach § 138 StGB, der Nichtanzeige geplanter Straftaten, stellt lawblog.de (Udo Vetter) ausführlich dar.
Nothilfe/Notstand: Nach einem tödlichen Messerangriff in Reutlingen hatte ein Autofahrer den Täter umgefahren. Aus diesem Anlass erläutern lawblog.de (Udo Vetter) und BadZ (Christian Rath) die Voraussetzungen von Nothilfe bzw. des rechtfertigenden Notstandes.
Fotografieren im Museum: Die FAZ (Julia Voss) befragt im Feuilleton Florian Schmidt-Gabain, Rechtsanwalt in Zürich, zu urheberrechtlichen Problemen des Fotografierens von Kunstwerken in Museen.
Das Letzte zum Schluss
Pokestop: Der wahrlich überlangen Pause bei Nachrichten zu sozialwidrigen Pokemon Go-Spielern macht bild.de ein Ende. Nach Meldung der Zeitung soll ein vom Kölner Dom beauftragter Anwalt den Hersteller der App dazu bewegen, den Innenraum des Gebäudes zur pokemonfreien Zone zu machen.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mpi
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 26. Juli 2016: Anschlag und Aufenthaltsrecht / Darknet diffizil / AfD mal zwei . In: Legal Tribune Online, 26.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20080/ (abgerufen am: 11.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag