Die Journalistin Meşale Tolu ist aus der türkischen Untersuchungshaft entlassen worden. Außerdem in der Presseschau: Krombacher unterliegt in Markenrechtsstreit und völkerrechtliche Kritik an Trumps Äußerung zu Jerusalem.
Thema des Tages
Türkei – Meşale Tolu: Die deutsche Journalistin Meşale Tolu ist aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Die entsprechende Anordnung hat das türkische Gericht gestern getroffen. Tolu darf jedoch die Türkei nicht verlassen und der Prozess gegen sie und weitere Journalisten geht weiter. Den Mitarbeitern einer linken Nachrichtenagentur wird Mitgliedschaft in einer Terrororganisation vorgeworfen, auf die bis zu 20 Jahre Haft steht. In Berlin ist dennoch von einer gewissen Entspannung der deutsch-türkischen Beziehung die Rede. Die SZ (Luisa Seeling), die Welt (Daniel-Dylan Böhmer) und die taz (Jürgen Gottschlich) berichten.
Für Luisa Seeling (SZ) ist die Haftentlassung ein Grund zur Erleichterung, aber kein Grund, der Justiz zu applaudieren. Das Vertrauen in die Justiz sei beschädigt. Ali Çelikkan (taz) sieht die Entlassung als Ausdruck der Schwäche des Regimes und als Erfolg des Widerstands dagegen.
Auf zeit.de (Till Schwarze u.a.) findet sich eine aktualisierte Dokumentation der in der Türkei inhaftierten Journalisten.
Rechtspolitik
Verbrennung von Israel-Flaggen: Jost Müller-Neuhof (Tsp) hält es für möglich, das öffentliche Verbrennen von Israel-Flaggen unter Strafe zu stellen. Das Bundesverfassungsgericht würde sich dem nicht entgegenstellen. Es habe oft betont, "dass die Grundrechte aktive Abwehrrechte gegen Nazi-Denke und Judenhass sind". Die Behauptung Angela Merkels, mit allen Mitteln des Rechtsstaates einzuschreiten, sei daher falsch. Es handele sich um eine Notlüge, weil eine Kriminalisierung des Flaggen-Verbrennens im Widerspruch zur jüngst beschlossenen Abschaffung der Strafbarkeit der Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter stünde.
Upload-Filter: In einem Gastbeitrag für netzpolitik.org führen Diego Naranjo und Joe McNamee von der Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights sieben Argumente gegen "Mythen zur Zensurmaschine" aus. Die geplante neue Urheberrechtsrichtlinie beinhalte eine allgemeine Monitoring-Verpflichtung, die Meinungsfreiheit und Datenschutz gefährde.
Vereinigte Staaten von Europa: Die ehemalige Verfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff schreibt im Hbl, dass das Plädoyer von Martin Schulz für die "Vereinigten Staaten von Europa" post-faktische Züge habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedürfe es für einen europäischen föderalen Staat einer Volksabstimmung, bei der es keine Mehrheit geben werden. Außerdem müssten alle EU-Staaten nach Art. 48 des EU-Vertrags zustimmen.
Änderungen im Steuerrecht: Die Steuerberaterin Martina Ortmann-Babel stellt im Hbl einige 2018 in Kraft tretende Änderungen im Steuerrecht vor, darunter die Anhebung des Grundfreibetrags in der Einkommensteuer auf 9.000 Euro und die Neuregelung der Investmentbesteuerung.
Justiz
LG Bochum zu "Felsquellwasser" als Marke: Die Wortmarke "mit Felsquellwasser gebraut", mit der Krombacher für sein Bier wirbt, muss aus dem Markenregister gelöscht werden. Das hat das Landgericht Bochum entschieden. Geklagt hatte ein Hobbybrauer, der es für eine "Unsitte" hält, dass Krombacher "einen Allerweltsbegriff für sich monopolisiert". Das Gericht sah in dem Wort einen rein beschreibenden Begriff, der nicht markenmäßig genutzt werde. Krombacher will laut FAZ (Tillmann Neuscheler) in Berufung gehen.
OLG Düsseldorf – Wurstkartell: Vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf beginnt am heutigen Dienstag die Verhandlung zum sogenannten Wurstkartell. Es geht um Einsprüche gegen Bußgeldbescheide des Bundeskartellamtes wegen illegaler Preisabsprachen. Insgesamt wurden Bußgelder in Höhe von 338 Millionen Euro verhängt. Viele Wurstunternehmen sind jedoch einer Haftung durch Ausnutzung der sogenannten "Wurstlücke" entgangen, die erst dieses Jahr geschlossen wurde. Durch interne Umstrukturierungen gingen die Bußgeldbescheide ins Leere. Die FAZ (Christine Scharrenbroch) erläutert den Fall.
LG München I – Lügendetektor: Im Prozess gegen einen wegen Vergewaltigung angeklagten ehemaligen Linklaters-Partner hat die Verteidigung die Verwendung eines Lügendetektors beantragt. Der Einsatz von Polygraphentests auf Antrag des Angeklagten wird von der bisherigen Rechtsprechung abgelehnt. Nachdem der Bundesgerichtshof zunächst einen Verstoß gegen die Menschenwürde sah, verwies er zuletzt auf die fehlende Zuverlässigkeit. Kritiker befürchten zudem ein Unterlaufen des "In dubio pro reo"-Grundsatzes, wie lto.de (Anja Hall) schreibt.
StA/Polizei Hamburg – G20: Die Hamburger Polizei hat Fotos von mutmaßlichen Straftätern im Zusammenhang mit den G20-Protesten veröffentlicht. Sie erhofft sich davon Hinweise aus der Bevölkerung. spiegel.de (Ansgar Siemens) lässt unter anderem den Kriminalpsychologen Rudolf Egg zu Wort kommen, der Zurückhaltung bei der Öffentlichkeitsfahndung anmahnt. zeit.de (Elke Spanner) weist auf verschiedene in Hamburg laufende Strafverfahren hin.
Zentrale Stelle – KZ-Bedienstete: Die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen hat Vorermittlungen gegen zehn mutmaßliche KZ-Bedienstete abgeschlossen und an die zuständigen Staatsanwaltschaften übergeben. Es handelt sich um Personen, die in den Lagern Ravensbrück, Mauthausen, Buchenwald und Auschwitz tätig gewesen sein sollen. Die taz (Klaus Hillenbrand) berichtet und gibt die Entwicklung der Rechtsprechung zu NS-Verbrechen wieder. Nach der neuen Rechtsprechung reiche es aus, wenn der mutmaßliche Täter allein durch seine Tätigkeit in einem Vernichtungslager die systematischen Mordaktionen unterstützt hat.
EuGH zu Luxuswaren bei Amazon: Der Rechtsanwalt Mathias Stöcker befasst sich auf dem Handlesblatt-Rechtsboard mit möglichen Folgen der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs von Anfang des Monats zum Verbot des Verkaufs von Luxuswaren über Online-Marktplätze wie Amazon oder Ebay. Darin hatte der EuGH ein solches Verbot für zulässig gehalten, wenn das vertriebene Produkt einen "Prestigecharakter" oder eine "luxuriöse Ausstrahlung" aufweist. Der Autur weist auf Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zu hochwertigen Markenprodukten hin. Offen sei zudem die Frage, ob für diese ebenfalls ein selektives Vertriebssystem zulässig ist.
BVerwG zu Bürgermeister gegen Rechts: Gewählte Amtsinhaber dürfen sich nur durch den "Austausch rationaler Argumente" am politischen Diskurs beteiligen. Das schreibt das Bundesverwaltungsgericht in der Begründung des Urteils zu Aufrufen gegen Rechts durch den Düsseldorfer Bürgermeister, das der taz (Christian Rath) vorliegt. Indem der Bürgermeister dazu aufgerufen hat, die Lichter aus Protest gegen die rechte Dügida-Demonstration auszuschalten, habe er das Sachlichkeitsgebot verletzt, so die Richter. Auch der Aufruf zu einer Gegendemonstration sei unzulässig gewesen.
Prominente Angeklagte: "Dumpfe Vorurteile und archetypische Erzählstrukturen, die mehr an Volksmärchen als an solide Gerichtsberichterstattung erinnern, treten an die Stelle von Fakten." Mit diesen Worten kritisiert der Rechtsprofessor Matthias Jahn in der FAZ die Berichterstattung über Strafverfahren gegen Prominente. Dass die Angeklagten versuchen, sich vor Gericht und in der Öffentlichkeit geschickt zu inszenieren, sei hingegen eine legitime Verteidigungsstrategie.
Recht in der Welt
Österreich – Asylpolitik: Die Welt (Marcel Leubecher) untersucht die asylpolitischen Pläne der neuen österreichischen Regierung. Rechtlich problematisch sei insbesondere die Deckelung der Sozialleistungen auf 1.500 Euro für eine Bedarfsgemeinschaft. Auch in anderen Punkten würden die geplanten Restriktionen über das in Deutschland Zulässige hinausgehen.
Polen – Wahlrechtsreform: Das polnische Unterhaus, der Sejm, hat letzte Woche eine Wahlrechtsreform verabschiedet, durch die die Zusammensetzung der Wahlkommission und der Komitees, die für die Bestimmung der Wahlkreise zuständig sind, geändert wird. Zudem soll der Wahlkampf reguliert und die Briefwahl abgeschafft werden. Die Assistenzprofessorin Anna Rakowska-Trela kritisiert auf verfassungsblog.de, dass die Reform zu einer Politisierung der Wahlbehörden führe, und befürchtet Verzerrungen zugunsten der regierenden PiS-Partei.
Osteuropa – Rechtsstaatlichkeit: Florian Hassel (SZ) kritisiert die Tatenlosigkeit der Europäischen Union im Hinblick auf den Zerfall der Rechtsstaatlichkeit in Osteuropa: "Wenn von Polen bis Rumänien das Recht missachtet oder demontiert wird, verspielen die EU und ihre führenden Mitglieder mit ihrer Tatenlosigkeit alle Glaubwürdigkeit."
Israel/Palästina – Völkerrechtlicher Status Jerusalems: Indem US-Präsident Donald Trump nicht nur West-Jerusalem sondern auch Ost-Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt hat, habe er das Völkerrecht missachtet. Diese Ansicht äußert der emeritierte Rechtsprofessor Christian Tomuschat im Interview mit der SZ (Andreas Zielcke). Die Stadt sei mit dem Waffenstillstand von 1949 geteilt worden, Israel habe Ost-Jerusalem 1967 besetzt. Das Argument der normativen Kraft des Faktischen besagte "nichts anderes, als dass Gewalt vor Recht geht".
Sonstiges
Gutachten zu Habeck-Kandidatur: Der ehemalige Richter des Berliner Verfassungsgerichts Johann Müller-Gazurek kommt in einem Gutachten im Auftrag des Parteivorstandes der Grünen zu dem Ergebnis, dass Robert Habeck für den Bundesvorstand kandidieren kann und erst danach ohne starre Frist von seinem Amt als schleswig-holsteinischer Umweltminister zurücktreten muss. Die Klausel in der Satzung der Partei, nach der Mitglieder der Bundesregierung, einer Landesregierung oder der Europäischen Kommission nicht dem Bundesvorstand angehören dürfen, dürfe nicht dahingehend ausgelegt werden, dass Habeck vor oder sofort nach seiner Wahl zurücktreten müsse. Ansonsten werde sein Recht auf freie Kandidatur verletzt. Die Welt (Ansgar Graw) berichtet.
70 Jahre Juristenprozess: Vor 70 Jahren sind zwölf Richter und Jusitizbeamte des NS-Regimes im sogenannten Juristenprozess vor einem amerikanischen Militärgericht verurteilt worden. Der Rechtsprofessor Christoph Safferling erinnert in einem Gastbeitrag für die SZ an die Beteiligung von Juristen an nationalsozialistischen Verbrechen und fordert die Juristen von heute auf, sich mit ihrer gesellschaftlichen Rolle und der Geschichte zu befassen. Ein Anfang wäre gemacht, wenn Ministerien und Fakultäten sich ihrer Vergangenheit stellen würden.
Liebmann und Palandt: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Jonas Höltig spricht sich auf lto.de dafür aus, den Palandt nach Otto Liebmann umzubenennen. Der jüdische Jurist hatte einen erfolgreichen Fachverlag betrieben, bis er ihn unter dem Druck des NS-Regimes an den Münchener Verleger Heinrich Beck verkaufte. Seither geriet der Verleger in Vergessenheit.
Das Letzte zum Schluss
OLG München – Toter Mops: Weil Mopsdame Ronja wegen eines Gendefekts starb, verklagten die Käufer die Züchterin auf Erstattung des Kaufpreises und Schadensersatz für 22.000 Euro Behandlungskosten. Der Rechtsstreit ist jetzt mit einem Vergleich beendet worden, so spiegel.de und lto.de. Die Züchterin verpflichtete sich, an die Kläger 2.000 Euro zu zahlen, obwohl das Oberlandesgericht München vorher deutlich gemacht hatte, dass es die Ansprüche zumindest als verjährt ansieht. Vielleicht hatte die Züchterin Mitleid mit den trauernden Mops-Liebhabern.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dw
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Sie können die tägliche lto-Presseschau im Volltext auch kostenlos als Newsletter abonnieren.
Die juristische Presseschau vom 19. Dezember 2017: Meşale Tolu frei / Felsquellwasser keine Marke / Jerusalem nach Völkerrecht . In: Legal Tribune Online, 19.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26089/ (abgerufen am: 01.05.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag