Das Bundesverwaltungsgericht urteilt zur "Licht aus"-Aktion des Düsseldorfer Oberbürgermeisters. Außerdem in der Presseschau: Der EuGH zu Anbauverboten von Genmais und die spanische Justiz geht gegen 742 katalanische Bürgermeister vor.
Thema des Tages
BVerwG zu "Licht aus"-Aktion: Die "Licht aus"-Aktion, mit welcher der Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) 2015 ein Zeichen gegen die "Dügida"-Bewegung setzen wollte, war rechtswidrig. Dies entschied das Bundesverwaltungsgericht, wie u.a. SZ (Wolfgang Janisch), Welt (Sven Eichstädt) und lto.de berichten. Mit seiner Anweisung, während einer Demonstration des Pegida-Ablegers Dügida die Beleuchtung im Rathaus und anderen öffentlichen Gebäuden abzuschalten, habe Geisel die Grenzen seiner Äußerungsbefugnis überschritten. Die Stadt habe bei der symbolhaften Aktion Mittel verwendet, die Dügida nicht zur Verfügung standen, und damit "den Bereich politischer Kommunikation verlassen". Auch habe Geisel nicht zur Teilnahme an einer Gegendemonstration aufrufen dürfen. Als Staatsorgan dürfe er sich nur im Rahmen eines integrativen Diskurses äußern, nicht jedoch öffentliche Kommunikation lenken oder steuern. Mit der Entscheidung geht das Bundesverwaltungsgericht weiter als das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, das in zweiter Instanz nur die Aufforderung zur Verdunkelung des Rathauses beanstandet hatte, nicht jedoch den Demonstrationsaufruf.
Heribert Prantl (SZ) kritisiert die Entscheidung: Die Neutralitätspflicht von Amtsträgern erschöpfe sich in dem Verbot, in amtlicher Funktion Wahlwerbung zu betreiben. Ein Signal für die Menschenwürde hingegen, wie es der Düsseldorfer Oberbürgermeister intendiert habe, müsse zulässig sein. Hier jedoch habe ihn das Gericht zu einem "Dr. Eunuch" gemacht.
Rechtspolitik
Heiko Maas zu Justizreform/Gesetzesinitiativen: In einem Gastbeitrag für lto.de stellt Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) rechtspolitische Forderungen auf und bilanziert die Gesetzesänderungen der vergangenen Legislaturperiode. Er lobt das Netzwerkdurchsetzungsgesetz als Maßnahme im "Kampf gegen die verbale Verrohung im Netz" ebenso wie die Reformen des Sexualstrafrechts, des Stalking-Paragraphen und die Einführung der Strafbarkeit illegaler Autorennen. Notwendig sei jedoch eine erhebliche personelle Aufstockung der Justiz. Überdies solle die Musterfeststellungsklage eingeführt werden, um eine niedrigschwellige und kostengünstige Möglichkeit der Rechtsverfolgung zu schaffen.
Internationales Privatrecht und "Ehe für alle": Rechtsprofessor Thomas Pfeiffer erläutert in der FAZ eine Besonderheit des Internationalen Privatrechts der "Ehe für alle". Anders als bei heterosexuellen Ehen hätten homosexuelle Paare künftig eine weitgehende Wahlmöglichkeit, welches Recht auf ihre Ehe anwendbar sein solle. Entscheidend sei bei homosexuellen Ehen nämlich stets das Recht des Staates, in dem sie geschlossen werde. Bei heterosexuellen Ehen müsse für die Anwendbarkeit des Rechtes eines bestimmten Staates hingegen ein hinreichender Bezug zu diesem bestehen, etwa die Staatsangehörigkeit eines Ehepartners oder der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts. Grund für diese Ungleichheit hinsichtlich der Wahlmöglichkeiten sei das Fortbestehen von Normen, die ursprünglich zum Schutz von eingetragenen Lebenspartnerschaften geschaffen wurden. Der Gesetzgeber habe diese bei Einführung der "Ehe für alle" für entsprechend anwendbar erklärt.
Strafrechtsreformen: Auf community.beck.de stellt Honorarprofessor Bernd von Heintschel-Heinegg die strafrechtlichen Gesetzesänderungen der jüngeren Vergangenheit in einem Überblick zusammen – in seinen Worten eine "wahre strafrechtliche Gesetzesflut".
Justiz
EuGH zu Genmais: EU-Staaten dürfen den Anbau gentechnisch veränderter Lebens- oder Futtermittel nicht eigenmächtig verbieten, wenn diese europaweit zugelassen sind. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden, wie u.a. taz (Christian Rath) und lto.de (Carsten Bittner) berichten. Dem Fall zugrunde lag ein italienisches Anbauverbot von MON-810-Mais, das Italien aufgrund gesundheitlicher Bedenken erlassen hatte. Das Gericht hielt dies für unzulässig, da MON 810 vor seiner EU-weiten Zulassung ausreichend wissenschaftlich getestet worden sei. Daher könne sich Italien auch nicht auf das "Vorsorgegebot" berufen, da dieses nur bei wissenschaftlichen Unsicherheiten greife. Das Anbauverbot selbst hob das Gericht indes nicht auf, da dies nur durch die EU-Kommission möglich sei. Auch in Deutschland besteht seit 2009 ein Anbauverbot für MON 810.
Rechtsprofessor Jose Martinez kritisiert das Urteil auf community.beck.de. Der EuGH hätte den Fall nicht schulmäßig im Sinne seiner traditionellen Harmonisierungsrechtsprechung entscheiden, sondern auf die besondere Ausnahmesituation des Falles reagieren sollen.
BGH zu Fluggastrechten: Fluggäste können Ansprüche wegen Verspätungen bei der Fluggesellschaft geltend machen, bei der sie den Flug gebucht haben, auch wenn diese den Flug nicht selbst durchgeführt hat. Dies entschied der Bundesgerichtshof, wie u.a. lto.de (Phillip Fabricius) berichtet. Hintergrund des Falles ist die Praxis von Fluggesellschaft, untereinander Flugzeuge zu vermieten. Als "ausführendes Luftfahrtunternehmen" im Sinne der Fluggastrechte-Verordnung sei dessen ungeachtet nur dasjenige anzusehen, das dem Fluggast bei der Buchung erkennbar als Vertragspartner gegenübertrete.
OLG München – NSU: Das Oberlandesgericht München hat Haftbefehl gegen den Mitangeklagten André E. erlassen. Dies berichtet u.a. spiegel.de (Julia Jüttner). Nachdem die Bundesanwaltschaft ein hohes Strafmaß von zwölf Jahren Freiheitsstrafe gefordert habe, müsse von einer Fluchtgefahr ausgegangen werden. Die taz (Konrad Litschko) befasst sich aus diesem Anlass mit der Rolle und dem Prozessverhalten von André E. Nach Ansicht der Bundesanwaltschaft habe er als einziger der Mitangeklagten in vollem Umfang Kenntnis der Taten des NSU gehabt. Er habe sich von diesen nie distanziert, als einziger der Angeklagten habe er bis heute nicht ausgesagt.
OVG Berlin-Brandenburg zu Leichen-Ausstellung: Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat das von dem Anatom Gunther von Hagens konzipierte "Menschen Museum" am Alexanderplatz in Berlin gebilligt, in dem dieser plastinierte Leichen ausstellt. Dies melden u.a. taz und Tsp (Christoph Stollowsky). Die Exponate unterfielen nicht dem Bestattungsrecht, da die Präsentation auch wissenschaftlichen Zwecken diene. Voraussetzung für den Weiterbetrieb des Museums sei jedoch, dass zu jedem Exponat eine Einwilligung des Körperspenders präsentiert werden könne.
BFH zu Brezelverkauf auf Oktoberfest: Brezelverkäufer auf dem Oktoberfest bieten keine "restaurantähnliche Leistung" an, weshalb für sie der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 Prozent anzuwenden ist. Dies hat der Bundesfinanzhof entschieden, wie lto.de meldet. Die Brezelverkäufer nutzten die Festzelte als "fremde Verzehrvorrichtungen". Dies zeige sich etwa daran, dass Gäste in den Zelten wohl nie bloß Brezeln konsumierten, überdies hätten die Brezelverkäufer kein eigenes Recht, Besuchern Plätze zuzuweisen.
EuGH – Flüchtlingsverteilung: Rechtsprofessor Martin Nettesheim kritisiert in der FAZ das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Flüchtlingsverteilung innerhalb der Europäischen Union. Die Maßnahmen zur Umverteilung berührten Kernfragen der staatlichen Souveränität und hätten daher einstimmig beschlossen werden müssen. Maßnahmen der Solidarität könnten nicht gegen den erklärten Widerstand der betroffenen Staaten umgesetzt werden, da es sich bei einer derartigen "Solidarität" in Wirklichkeit um Zwang handele.
LG Freiburg – Fall Maria L.: Am dritten Verhandlungstag im Prozess um die Tötung der Studentin Maria L. vor dem Landgericht Freiburg haben mehrere Zeugen über das Verhalten des Angeklagten Hussein K. am Abend der Tat ausgesagt. Hierüber berichtet u.a. spiegel.de. Der Angeklagte habe in verschiedenen Bars und in der Straßenbahn mehrere Frauen belästigt, sei dabei jedoch entgegen seiner Aussage im Prozess nicht betrunken gewesen.
*Korrektur: Eine frühere Version sprach von einem "Strafbefehl", den das Oberlandesgericht München gegen André E. erlassen habe. Gemeint war natürlich "Haftbefehl". Danke an den Leser für den Hinweis!
Recht in der Welt
Spanien – Katalanisches Unabhängigkeitsreferendum: Die spanische Justiz geht gegen katalanische Bürgermeister vor, die trotz des Verbots durch das Verfassungsgericht das geplante Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober durchführen wollen. Dies melden SZ und spiegel.de. Die Staatsanwaltschaft Madrid habe 742 katalonische Bürgermeister als Beschuldigte in einem Ermittlungsverfahren vorgeladen und bei Nichtbefolgung ihre Inhaftierung angeordnet.
Italien – Faschismus-Gesetz: Die italienische Abgeordnetenkammer hat ein Gesetz verabschiedet, das faschistische Symbole und Gesten strafrechtlich verbietet, wie SZ und spiegel.de berichten. Es richtet sich insbesondere gegen den Verkauf von Mussolini-Devotionalien und das Zeigen des faschistischen Grußes. Jedoch sei unklar, ob das Gesetz auch die nötige Mehrheit im Senat finden werde.
Polen – Reparationsforderungen: Die Welt (Sven Felix Kellerhoff) analysiert das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des polnischen Parlaments zu Reparationsforderungen aufgrund der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg. Das Gutachten sei wenig überzeugend. So erkläre es zwei Verzichtserklärungen der polnischen Regierung von August 1953 und Dezember 1970 bereits deshalb für irrelevant, weil es sich um kommunistische Regierungen gehandelt habe. An der völkerrechtlichen Verbindlichkeit der beiden Zusagen ändere dieser Umstand jedoch nichts.
USA – Präventive Selbstverteidigung: Rechtsprofessorin Monika Polzin erläutert auf verfassungsblog.de die völkerrechtlichen Voraussetzungen eines US-amerikanischen Militärschlags gegen Nordkorea. Grundsätzlich sei ein solcher nach Artikel 51 der UN-Charta nur zur Selbstverteidigung zulässig, was einen unmittelbar bevorstehenden Angriff erfordere. Diskutiert werde nun jedoch auch vermehrt die Frage, ob der Besitz von Atomwaffen durch sogenannte "rogue states" ein derartiges Bedrohungsszenario darstelle, so dass bereits deutlich im Vorfeld einer unmittelbaren Gefährdung ein präventives Selbstverteidigungsrecht greife.
Ukraine – Sprachengesetz: Ein neues Gesetz soll den Gebrauch von Minderheitensprachen in ukrainischen Schulen stark einschränken, wie FAZ meldet. Die Unterschrift des Präsidenten Poroschenko stehe aber noch aus.
Das Letzte zum Schluss
Déjà-vu im Staatsexamen: Prüflinge im Ersten Staatsexamen in Niedersachsen konnten diesen Juli ein Déjà-vu erleben: Wie justillon.de meldet, schrieben 200 Kandidaten im Zivilrecht eine Klausur, die bereits 2016 gestellt worden war. Unter den Prüflingen befanden sich auch Wiederholer und Notenverbesserer, die sich nun ein zweites Mal mit dem Sachverhalt konfrontiert sahen. Hintergrund war ein internes Versehen des Landesjustizprüfungsamtes. Wiederholt werden soll die Klausur jedoch nicht: Da mit einer doppelten Aufgabennutzung nicht zu rechnen gewesen sei, hätten die Prüflinge keinen Vorteil gegenüber anderen gehabt, so das Landesjustizprüfungsamt.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/mps
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 14. September 2017: "Licht aus"-Aktion rechtswidrig / EuGH zu Genmais / Katalanisches Unabhängigkeitsreferendum . In: Legal Tribune Online, 14.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24517/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
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