Das BVerfG moniert die strikte Karfreitagsregelung in Bayern. Außerdem in der Presseschau: "Zeit"-Stiftung initiiert eine Debatte um eine EU-Digitalcharta und der Verfassungsschutz enttarnt einen Islamisten in den eigenen Reihen.
Thema des Tages
BVerfG zum Tanzverbot: Das Bundesverfassungsgericht hat das strikte Verbot von Tanz- und Unterhaltungsveranstaltungen am Karfreitag in Bayern gekippt. Zumindest wenn diese politisch und weltanschaulich motiviert seien, müssten sie auch am Karfreitag stattfinden können, das gebiete die Versammlungsfreiheit. Es berichten die taz (Christian Rath), spiegel.de und die FAZ (Bingener).
Wolfgang Janisch (SZ) verweist auf die "guten Gründe", die nach der Entscheidung des BVerfG auch im säkularisierten Staat für den Schutz von Feiertagen sprächen. Sie seien Tage der Arbeitsruhe und der "seelischen Erhebung" geschützt, vor allem aus gesellschaftlichen Gründen – zur "synchronen Taktung des sozialen Lebens". Aus eben jenen Gründen findet sich Matthias Drobrinski (SZ) durch den Karlsruher Spruch befremdet. Es erstaune, dass der Wert eingeschränkt werde, wenn die Party am Karfreitag gewissermaßen ein Gegenbekenntnis zu den betenden Christen ist.
Rechtspolitik
EU-Digitalcharta: Die "Zeit"-Stiftung hat einen Prozess für eine "Charta der digitalen Grundrechte der EU" initiiert. Dabei geht es um mehr als Datenschutz – die 23 Artikel der Charta schlagen auch Prinzipien für den Umgang mit Big Data, künstlicher Intelligenz, Robotik und sozialer Verhaltenssteuerung vor. Der Entwurf soll am kommenden Montag dem Europäischen Parlament vorgestellt werden, wodurch eine Debatte über digitale Grundrechte angeregt werden solle, scheibt zeit.de. Es berichtet auch netzpolitik.org (Markus Beckedahl).
IMK – Vorratsdatenspeicherung für WhatsApp: Nach einem Bericht von netzpolitik.org (Markus Reuter) fordert die Innenministerkonferenz die Vorratsdatenspeicherung auf Messenger und Kommunikationsdienste wie WhatsApp auszuweiten. Damit verbunden sei die Debatte um die Aufhebung der Trennung von "Telekommunikationsdiensten" und "Telemediendiensten".
IMK – Waffenrecht: Die Regelüberprüfung aller Waffenbesitzer in Deutschland durch den Verfassungsschutz ist vorerst an Bedenken von Innenministern der CDU und CSU gescheitert. Noch vor Weihnachten solle es aber eine Einigung auf ein verschärftes Waffenrecht geben, schreibt die SZ (Ronen Steinke).
Verschärfung von § 113 StGB: Auf community.beck.de beschäftigt sich der Rechtsprofessor Henning Ernst Müller mit der Frage, ob es für die geplante Verschärfung von § 113 StGB (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) einen vernünftigen Grund gibt. Kriminalstatistisch lasse sich eine Zunahme solcher Fälle nicht erkennen.
Unterhaltsvorschuss: Das angekündigte Gesetz, das vom 1. Januar 2017 an auch älteren Trennungskindern Unterhaltsvorschuss sichern und den Druck auf nicht zahlende Unterhaltspflichtige erhöhen sollte, wird in diesem Jahr nicht mehr beschlossen. Hier zeige sich erneut, dass die Unterstützung von Alleinerziehenden sich meist in leeren Versprechungen erschöpfe, kritisiert Constanze von Bullion (SZ).
HIV-Register: In Deutschland werden HIV-Infizierte seit einem Beschluss der Innenministerkonferenz vor fünf Jahren in einem polizeilichen Register gespeichert, das bei Personenkontrollen einen Warnhinweis ausgibt. Diese Praxis will das Land Berlin jetzt beenden, schreibt die SZ (Ronen Steinke).
Justiz
EuG zu Ukraine-Sanktionen: Das Europäische Gericht hat die im Ukraine-Krieg gegen den Putin-nahen Unternehmer Arkadij Rotenberg verhängten EU-Sanktionen überwiegend bestätigt (Az. T-720/14). Wie die FAZ (Friedrich Schmidt) schreibt, stellte das Gericht bezüglich der Sanktionen, Vermögenssperren und eines Aufenthaltsverbots nur für den Zeitraum vom 30. Juli 2014 bis zum 14. März 2015 "Beurteilungsfehler" im Beschluss des Rates fest.
BVerfG zu Kopftuch in der Kita: Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass Erzieherinnen in Baden-Württemberger Kitas ein Kopftuch tragen dürfen, begrüßt Jost Müller-Neuhof (Tsp), zeige sie doch, dass Integration mit juristischen Mitteln allein nicht zu bewältigen ist.
OLG Frankfurt zu T-Aktie: Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat entschieden, dass die Telekom für grundlegende Fehler bei ihrem 3. Börsengang, durch die Anleger viel Geld verloren haben, haften muss. Die Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig, schreibt die SZ (Markus Zydra). Die Telekom könne noch Revision am Bundesgerichtshof einlegen (Az. 23 Kap 1/06).
LG Paderborn – Höxter: Im Prozess vor dem Landgericht Paderborn gegen ein Paar, dem die grausame Tötung und Misshandlung mehrerer Frauen in seinem Haus in Höxter vorgeworfen wird, hat die Mitangeklagte Angelika W. die Beteiligung an den Taten ihres Ex-Mannes Wilfried W. gestanden. Es berichten die SZ (Hans Holzhaider) und die FAZ (Katrin Hummel).
LG Dresden zu Bachmann: Im Berufungsprozess vor dem Landgericht Dresden ist die Geldstrafe von 9.600 Euro gegen den Pegida-Gründer Lutz Bachmann wegen Volksverhetzung bestätigt worden, schreibt zeit.de.
OVG Berlin-Brandenburg zu Auskunftsansprüchen: Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass der Bundestag keine Auskünfte über staatsanwaltliche Ermittlungen gegen Abgeordnete erteilen muss, weil es sich dabei um eine parlamentarische Angelegenheit handele, auf die der grundgesetzliche Informationsanspruch der Presse nicht anwendbar sei. Eine entsprechende Informationsklage des Tagespiegels sei abgewiesen und das anderslautende Urteil der Vorinstanz aufgehoben worden, schreibt Tsp (Jost Müller-Neuhof).
VG Koblenz zu Hakenkreuzfotos: Das Verwaltungsgericht Koblenz hat die Klage eines Soldaten abgewiesen, mit der dieser gegen seine Entlassung wegen Besitz von Hakenkreuzfotos vorging. Schon der Besitz solcher Fotos gehöre zu den schwersten denkbaren Pflichtwidrigkeiten, gibt lto.de die Entscheidung des Gerichts wieder.
StA Düsseldorf – Islamist beim VS: Gegen den inzwischen enttarnten Islamisten, der für das Bundesamt für Verfassungsschutz arbeitete, ermittelt die Staatsanwaltschaft Düsseldorf wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Die Beweislage sei allerdings dünn, andernfalls hätte die Generalbundesanwaltschaft die Ermittlungen an sich gezogen schreibt die SZ (Hans Leyendecker u.a.). Das Amt zähle inzwischen 3.000 Mitarbeiter und sei damit so groß, dass man mit der Sicherheitsüberprüfung neuer Mitarbeiter kaum noch hinterherkomme, weiß die SZ (Hans Leyendecker) zu berichten. Heribert Prantl (SZ) weist darauf hin, dass es zur Verbesserung der inneren Sicherheit nicht genüge, neue Planstellen zu bewilligen, viel wichtiger sei es, Leute für diese Stellen zu finden, die über ein ausgeprägtes rechtsstaatliches Bewusstsein verfügten.
Recht in der Welt
Polen – Verfassungsgericht: verfassungsblog.de (Maximiliam Steinbeis) veröffentlicht in englischer Übersetzung eine Stellungnahme ehemaliger Präsidenten des Polnischen Verfassungsgerichtshofs, in der sich diese besorgt über den Zustand des Gerichts äußern.
USA – Terrorfinanzierung: Die FAZ (Stefan Buchen/Rainer Herrmann) berichtet von zwei Deutschen, die für ihre Unternehmen nach deutschem Recht legale Geschäfte mit dem Iran abwickelten und dafür auf Druck amerikanischer Behörden ihren Job verloren.
Türkei – EU-Beitrittsprozess: Die Beitrittsverhandlungen der Türkei zur EU gelten unter anderem wegen der Menschenrechtslage in dem Land als gescheitert. Nun soll eine Ausweitung der Zollunion nach dem norwegischen Modell Auswege bieten, berichtet spiegel.de (Markus Becker).
Sonstiges
Forschung zu NS-Unrecht: Jost Müller-Neuhof (Tsp) empört sich darüber, dass die "Akte Rosenburg" knapp 30 Euro kostet, obwohl die Autoren 1,1 Millionen Euro staatliche Mittel für ihre Forschungsarbeit erhalten hätten. Statt die Aufarbeitung von NS-Unrecht auf diese Weise zu vermarkten, könnte die Regierung die Kosten einfach senken, indem sie die Geschichtsbände zu ihren eigen Behörden selbst veröffentlichte und diese dann ohne oder nur mit geringen Kosten an den Leser brächte.
Wahlrecht – Meinungsroboter: In der Debatte um den Einsatz von Meinungsrobotern im Wahlkampf entgegnet der Wissenschaftliche Mitarbeiter Tobias Brings-Wiesen auf juwiss.de, diese seien ein derart mächtiges Instrument, dass staatliche Schutzpflichten einen zumindest vorsichtig regulierenden Eingriff erforderlich machten.
Telekom-Router-Angriff: netzpolitik.org (Linus Neumann) beschreibt, wie der Angriff auf unzählige Telekom-Router am Montag und Dienstag dieser Woche möglich werden konnte. Zur Pressemitteilung, mit der das zuständige Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik auf den Vorfall reagierte, fragt die Informatikerin Constanze Kurz auf netzpolitik.org ob es sich dabei um einen Witz handelt.
Das Letzte zum Schluss
Streit um Mensa-Restessen: Große Metallplatten bedecken seit zwei Tagen die Rückgabebänder der Freiburger Unimensa. Damit soll das sogenannte "Bändern" verhindert werden, also der Verzehr von Essen, das andere Studierende zurückgehen lassen. Wie so oft geht es ums Geld, doch das Problem wird auf Gesundheitsvorschriften und Hygienestandards geschoben, schreibt die taz (Katharina Schantz).
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/ml
(Hinweis für Journalisten)
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 1. Dezember 2016: Tanzverbot gekippt / EU-Digitalcharta / Islamist beim VS . In: Legal Tribune Online, 01.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21439/ (abgerufen am: 11.05.2024 )
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