Sieben Funktionäre der FIFA wurden festgenommen. Außerdem in der Presseschau: Kabinett verabschiedet Entwurf zur Vorratsdatenspeicherung, Bundesregierung muss Drohnenangriffe nicht verbieten und AdBlock Plus ist rechtmäßig.
Thema des Tages
FIFA-Funktionäre festgenommen/Ermittlungen gegen die FIFA: Die Schweizer Polizei hat am gestrigen Mittwoch sieben Spitzenfunktionäre der FIFA festgenommen, darunter Vizepräsident Jeffrey Webb. Sie sollen an die USA ausgeliefert werden. Ihnen wird vorgeworfen, Bestechungsgelder von Sportvermarktungsfirmen gegen Medien-, Vermarktungs,- und Sponsoringrechte an Fußball-Turnieren in den USA und Lateinamerika angenommen zu haben. Die Schweizer Bundesanwaltschaft durchsuchte auch die FIFA-Zentrale. US-Justizministerin Loretta Lynch spricht von "wuchernder, systemischer und tief verwurzelter Korruption". Es berichten die taz (Johannes Kopp/Markus Völker), die Welt (Tim Röhn), lto.de, das Handelsblatt (Holger Alich u.a.), die FAZ (u.a. Andreas Ross) und die SZ (Claudio Catuogno).
Jens Weinreich (spiegel.de) kommentiert: "Die Schweiz garantierte den Sportverbänden bislang stets die nötige Verschwiegenheit und eine gewisse Ruhe vor Strafverfolgung." Das scheint nun anders, die Ereignisse vom Mittwoch sind deshalb historisch zu nennen." Der 27. Mai 2015 werde Spuren hinterlassen in der Parallelgesellschaft des Weltsports.
Rechtspolitik
Vorratsdatenspeicherung – Entwurf verabschiedet: Die Bundesregierung hat den Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung verabschiedet. Die taz (Christian Rath) bringt einen Abriss zur Entwicklung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland, ebenso lto.de. Opposition und Aktivisten haben Klagen gegen das Gesetz bereits angekündigt. Außerdem berichten SZ (Christoph Hickmann) und die Welt (Thorsten Jungholt).
Für Heribert Prantl (SZ) entpuppen sich die neuen Regelungen, die "mit einer starken Zuckerlösung übergossen wurden", nach kurzem Lutschen als "kandierte Essiggurken": schärfere Überwachungs-Gesamtbilanz, unzureichender Richtervorbehalt, schlechter Schutz von Berufsgeheimnisträgern. Und der neu eingeführte Tatbestand der Datenhehlerei führe "zur Kriminalisierung der Whistleblower, Blogger und Journalisten, die mit heiklen Daten arbeiten".
Über die Kritik aus der Rechtswissenschaft schreibt die FAZ (Helene Bubrowski/Eckart Lohse). Der Deutsche Anwaltverein sieht einen Paradigmenwechsel, indem Verbindungsdaten aller Bürger anlasslos und ohne Anfangsverdacht gespeichert werden. Der Richterbund hingegen hält die Speicherfristen für zu kurz.
Öffnung der Ehe: Gleichgeschlechtliche Partnerschaften werden in Deutschland vorerst nicht den Status der Ehe erhalten. Die Regierung trete aber für den "Abbau diskriminatorischer Regelungen" ein. Das Bundeskabinett hat daher den Abbau der Benachteiligung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften für einige Regelungsbereiche beschlossen – etwa in Ausbildungsverordnungen, erbrechtlichen Regelungen oder im Asyl- und Aufenthaltsrecht. Es berichten unter anderem die SZ (Constanze von Bullion).
Mehrheitsentscheidungen und Minderheitenrechte: Nach dem irischen Referendum zur Öffnung der Ehe sieht Maximilian Steinbeis (verfassungsblog.de) einen Irritationspunkt darin, die Stärkung von Minderheitenrechten vom Ausgang einer Mehrheitsentscheidung abhängig zu machen.
Mietpreisbremse: Skeptisch zur am 1. Juni in Kraft tretenden gesetzlichen Mietpreisbremse äußert sich Felix Rohrbeck (Zeit): Legitim sei es, mit einem planwirtschaftlichen Instrument in den Kapitalismus einzugreifen. Es lasse sich aber einen Weg am Gesetz vorbei finden und es habe zu viele Ausnahmen, sodass die Mieten letztlich doch weiter steigen würden.
Islam/Staatsvertrag: Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) hat einen Staatsvertrag mit den muslimischen Gemeinschaften in Deutschland ins Gespräch gebracht, um "die islamischen Verbände enger an den Verfassungsstaat und seine Werte" heranzuführen. Das melden u.a. deutschlandfunk.de.
Schlichtungsstellen: Streitigkeiten zwischen Unternehmen und Verbrauchern – etwa über Mängel von Produkten oder Dienstleistungen – sollen künftig durch Schlichtungsstellen schnell und unbürokratisch beigelegt werden. Das Bundeskabinett hat einen entsprechenden Gesetzentwurf verabschiedet. Unternehmen fürchten vor allem hohe Kosten. Das Handelsblatt (Frank M. Drost/Silke Kersting) und spiegel.de berichten.
Schutzparagraf 112: Wie die taz (Alina Leimbach) schreibt, hat die schwarz-grüne Koalition in Hessen eine Bundesratsinitiative beschlossen, nachdem ein neuer "Schutzparagraf 112" Angriffe auf Polizisten und andere Einsatzkräfte mit mindestens sechs Monaten Freiheitsstrafe bestrafen soll.
Justiz
VG Köln zur Drohnensteuerung Ramstein: Den jemenitischen Angehörige von Drohnenopfern hatten mit ihrer Klage gegen die Bundesrepublik vor dem Verwaltungsgericht Köln keinen Erfolg: Deutschland muss den USA die Nutzung des Stützpunkts Ramstein für den Drohnenkrieg nicht untersagen. Das Gericht wollte die Sache außenpolitisch und völkerrechtlich nicht beurteilen. Der Bundesregierung steht ein Ermessen zu, zu handeln oder nicht. Die SZ (Jannis Brühl – ausführlichere Onlinefassung), der Tagesspiegel (Jost Müller-Neuhof), die taz (Helke Ellersieck) und lto.de berichten.
Reinhard Müller (FAZ) meint: "Deutschland muss sicherstellen, dass von seinem Staatsgebiet aus keine rechtswidrigen Drohnenangriffe geflogen werden. Aber daraus folgt noch kein individueller Anspruch auf bestimmte Handlungen oder Unterlassungen der Bundesregierung."
BVerfG zum Bestellerprinzip: Der Eilantrag vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das am 1. Juni in Kraft tretende Bestellerprinzip ist gescheitert. Zwei Immobilienmakler hatten geklagt. Sie konnten aber nicht ausreichend darlegen, dass sie oder der gesamte Berufsstand durch das Gesetz wirtschaftlich bedroht seien. Das melden die SZ und die FAZ (Michael Psotta).
LG Darmstadt – Tugce-Prozess: Im Prozess gegen Sanel M. um den gewaltsamen Tod von Tugce A. vor dem Landgericht Darmstadt hat nun ein Zeuge ausgesagt, der Angeklagte sei gar nicht so aggressiv gewesen wie von den Freundinnen des Opfers beschrieben. Hierzu spiegel.de und die FAZ (Timo Frasch).
LG München I zu AdBlock Plus: Auch RTL und ProSiebenSat.1 sind mit ihren Klagen gegen den Werbeblocker AdBlock Plus vor dem Landgericht München I gescheitert. Dass der Hersteller Eyeo gegen Geld Seitenbetreiber auf eine Whitelist setzt, stellt nach Auffassung des LG keinen Verstoß gegen Wettbewerbs-, Urheber- oder Kartellrecht dar. lto.de und die SZ (Ekkehard Müller-Jentsch) berichten.
StA Hamburg – Anklage gegen Gysi: Auch die Zeit (Martin Klingst) bezeichnet die bisher – trotz Weisung des Generalstaatsanwalts – unterbliebene Anklage gegen Gregor Gysi wegen falscher Versicherung an Eides statt als "einzigartigen Vorgang in der deutschen Justizgeschichte". Generalstaatsanwalt Lutz von Selle habe der Zeit gegenüber geäußert, als Vorgesetzter dürfe man nicht den "Weg des geringsten Widerstands" gehen; er habe "Prinzipien und Themen", die ihn "besonders bewegen". Der Beitrag fasst außerdem die Geschichte um die Vorwürfe gegen Gysi zusammen.
LG Lüneburg – Oskar Gröning: Die Zeit (Daniel Müller) bringt in ihrem Dossier einen ausführlichen Beitrag über den Prozess gegen Oskar Gröning vor dem Landgericht Lüneburg. Gröning ist als früherer SS-Mann wegen 300.000-facher Beihilfe zum Mord im Vernichtungslager Auschwitz angeklagt.
LG Koblenz – Deag verklagt Nürburgring: Laut Handelsblatt (Volker Votsmeier) verklagt der Konzertveranstalter Deag den Betreiber des Nürburgrings vor dem Landgericht Koblenz. Bei der Auseinandersetzung soll es vor allem um die Frage gehen, wer die Kosten trägt, die im Zusammenhang mit dem schleppenden Kartenverkauf für das Festival "Grüne Hölle Rock" entstanden sind und der zur Verlegung des Festivals nach Gelsenkirchen führte.
LG Köln – Sal. Oppenheim: Das Strafverfahren gegen frühere Gesellschafter der Sal. Oppenheim-Bank vor dem Landgericht Köln wegen Untreue und Verstößen gegen das Kreditwesengesetz steht laut Handelsblatt (Volker Votsmeier) vor seinem Abschluss: Am heutigen Donnerstag soll die Staatsanwaltschaft plädieren.
Richter Kirchhof im Interview: Im Interview mit der FAZ (Reinhard Müller) äußert sich Ferdinand Kirchhof, Vizepräsident des Bundesverfassungsgericht, zur Rolle des Gerichts in den Themen Religionsfreiheit und Leistungen für Asylbewerber, sein Verhältnis zum Europäischen Gerichtshof, den Föderalismus in Deutschland und die Grundrechte in der digitalen Welt. Was neue Entwicklungen betrifft, sei es zuerst "Aufgabe der Politik, Regeln zu setzen und die Bürger zu schützen".
Schöffensystem: Über "Sinn und Unsinn des Schöffensystems" reden die Journalisten Peter Maxwill und Marc Baumann auf spiegel.de. Beide haben ihre Erfahrungen als Schöffen gesammelt.
Recht in der Welt
USA – Todesstrafe: Mit Nebraska schafft nun der 19. US-Bundesstaat die Todesstrafe ab. Das Parlament hat entsprechend abgestimmt; das Gesetz soll auch rückwirkend gelten, meldet spiegel.de.
Schweiz – Steuerpersonalien: Auch die Zeit (Matthias Daum) schreibt über die behördliche Veröffentlichung der Namen von Personen, gegen die aus dem Ausland ein Amtshilfegesuch wegen Steuerhinterziehung erging. Das Dilemma zwischen Anspruch auf Vertraulichkeit und Recht auf Gehör bei Behördenentscheiden könnte sich ab 2017 von selbst lösen, und zwar mit Anlaufen des automatischen Informationsaustauschs mit ausländischen Behörden.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/fr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 28. Mai 2015: FIFA-Funktionäre festgenommen – Vorratsdatenspeicherung beschlossen – Drohnen und Recht . In: Legal Tribune Online, 28.05.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15669/ (abgerufen am: 19.05.2024 )
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