Das BVerfG hat die Ungleichbehandlung gleichgeschlechtlicher Lebenspartner beim Ehegattensplitting für verfassungswidrig erklärt. Der Beschluss wird überwiegend zustimmend kommentiert. Außerdem in der Presseschau: die Aussage eines Oberstaatsanwalts vor dem Mollath-Untersuchungsausschuss, die Perspektiven kleinerer Anwaltskanzleien und warum der "hengstische" Ausbruch eines Wallachs nicht zur Haftung seiner Halterin führt.
Ehegattensplitting für Lebenspartner: Das Bundesverfassungsgericht hat auf Verfassungsbeschwerde dreier homosexueller Paare entschieden, dass eingetragene Lebenspartner einen Anspruch auf das Ehegattensplitting bei der Einkommensteuer haben. Nach Berichten der SZ (Wolfgang Janisch), der FAZ (Joachim Jahn, Manfred Schäfers, Peter Carstens) und der taz (Christian Rath) erkannte der Zweite Senat des Gerichts in der bisherigen Regelung eine mittelbare Ungleichbehandlung wegen der sexuellen Orientierung. Diese könne nicht durch den besonderen Schutz von Ehe und Familie allein gerechtfertigt werden, da auch die eingetragene Partnerschaft als "Verantwortungsgemeinschaft" konzipiert sei. Auch dass der Kinderanteil bei Lebenspartnern weit unter dem von Ehepaaren liegt, könne die "typisierende Beschränkung" auf Ehepaare nicht rechtfertigen. Eine ausführliche Besprechung des Beschlusses findet sich auch auf dem Juwiss-Blog (Maria Wersig).
Zu dem Beschluss und den Möglichkeiten seiner Umsetzung durch den Gesetzgeber führt lto.de (Claudia Kornmeier) ein Interview mit dem Rechtsprofessor Herbert Grziwotz. Die FAZ (Reinhard Müller) zeichnet die verschiedenen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften vom Urteil über deren Verfassungskonformität im Jahr 2002 bis zur jüngsten Entscheidung zur Sukzessivadoption nach.
Jan Feddersen (taz) begrüßt den Beschluss: Es gebe einfach keinen wesentlichen Unterschied zwischen heterosexuellen und homosexuellen Konstruktionen einer verbindlichen Beziehung. "Gleiche Pflichten verlangen nach gleichen Rechten", findet auch Dorothea Siems (Die Welt). Mit seiner Entscheidung gehe das Verfassungsgericht dem Gesetzgeber als "Pfadfinder für die Politik" voraus, schreibt Heribert Prantl (SZ). Dagegen meint Joachim Jahn (FAZ), der Splittingvorteil habe stets mit dem Grundgedanken zu tun gehabt, dass Ehen auch Kinder hervorbringen. Dieser kleine biologische Unterschied ließe sich auch durch "ideologische Verrenkungen von Rechtsgelehrten" nicht hinwegdiskutieren. Auch Reinhard Müller (FAZ) kritisiert die Entscheidung als "fürwahr revolutionären Akt".
Verfassungsrichter Herbert Landau: Die FAZ (Reinhard Müller) porträtiert den Verfassungsrichter Herbert Landau, der gemeinsam mit der Verfassungsrichterin Sibylle Kessal-Wulf ein Sondervotum zu der Entscheidung zum Ehegattensplitting verfasst hat.
Ehegattensplitting und Verfassung: Aus Anlass der Verfassungsgerichtsentscheidung geht Maximilian Steinbeis auf verfassungsblog.de der Frage nach, inwieweit das politisch umstrittene Ehegattensplitting in der Verfassung verankert ist.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Transparenzgesetz: Die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche hat am Donnerstag einen eigenen Entwurf für ein Transparenzgesetz in Baden-Württemberg vorgelegt. Die grün-rote Landesregierung hatte ein solches Gesetz bei Regierungsantritt angekündigt, bisher jedoch keine Taten folgen lassen. Entsprechende Informationsfreiheitsgesetze, mit deren Hilfe Bürger Informationen bei der Verwaltung anfordern oder in Akten einsehen können, existieren bisher auf Bundesebene und in elf Bundesländern. spiegel.de und die taz (Nadine Michel) berichten.
Drei-Prozent-Sperrklausel bei den Europawahlen: Auch eine Drei-Prozent-Sperrklausel bei Europawahlen, über deren Einführung der Bundestag am Donnerstag beraten hat, ist nach Ansicht des Rechtswissenschaftler Enrico Peuker auf lto.de verfassungswidrig. So habe das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Fünf-Prozent-Hürde im Jahr 2011 geurteilt, dass eine Funktionsbeeinträchtigung des Europäischen Parlaments, die eine solche Sperrklausel rechtfertigen würde, nicht erkennbar sei. Der Gesetzgeber müsse deshalb darlegen, warum sich Funktionen des Europäischen Parlaments seither derart geändert haben, dass sie eine andere verfassungsrechtliche Beurteilung stützen. Dieser Begründungslast werde der vorliegende Gesetzentwurf aber nicht gerecht.
Menschenhandel: Die taz (Heide Oestreich) bespricht einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zu Menschenhandel und Prostitution, der am Donnerstagabend im Bundestag behandelt werden sollte. Der Enwurf sieht vor, dass der Straftatbestand zum Menschenhandel künftig auch auf Personen unter 18 Jahren angewandt werden kann und die Ausbeutung der Bettelei und den Organhandel einschließt. Zudem wird der Betrieb einer Prostitutionsstätte als "überwachungsbedürftiges Gewerbe" festgelegt, sodass die Gewerbeaufsicht Bordelle künftig kontrollieren kann.
Weitere Themen - Justiz
NSU-Verfahren – Holger G.: Mit Holger G., dem die mehrfache Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen wird, hat am Donnerstag der zweite der fünf Angeklagten im NSU-Verfahren ausgesagt. G. soll dem NSU-Trio Ausweise auf seinen Namen überlassen, Wohnmobile für sie gemietet und zudem eine Pistole übergeben haben. Im Prozess brachte G. in einer Erklärung den Angehörigen der Opfer sein Mitgefühl zum Ausdruck. Zu den Tatvorwürfen erklärte G., er bestreite nicht die "objektiven Handlungen", wohl aber die "subjektiven Kenntnisse", die ihm unterstellt würden. spiegel.de (Gisela Friedrichsen) und zeit.de (Tom Sundermann) schildern die Aussage ausführlich.
VGH BaWü zu Juris: In einer nun veröffentlichten Entscheidung vom Mai dieses Jahres hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entschieden, dass das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidungen nicht mehr ausschließlich dem Anbieter Juris zur Verfügung stellen darf. Rechtsanwalt Martin W. Huff skizziert auf lto.de den zu Grunde liegenden Fall und die Argumentation des Gerichtshofs. Das Urteil wertet Huff als richtig: "Entscheidungen, die "im Namen des Volkes" ergehen, und deren Aufbereitung und Digitalisierung durch Steuergelder des Volkes finanziert wird, haben dem Volk auch offenzustehen – und zwar auf allen Kanälen, nicht nur bei einem Exklusivorgan des Bundes."
VG Frankfurt - Blockupy: Das Blockupy-Bündnis hat nach Meldung von lto.de Klage beim Verwaltungsgericht Frankfurt wegen des Polizeieinsatzes bei der Blockupy-Demonstration in Frankfurt am vergangenen Wochenende eingereicht. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit sei verletzt worden. Auch der Rechtsprofessor Clemens Arzt, der zufällig Augenzeuge war, habe die Einkesselung der Demonstration durch die Polizei als "schlicht unverhältnismäßig" bezeichnet.
AG München zu Post-AGB: Nach einem Urteil des Amtsgerichts München muss der Versender eines Pakets, das auf dem Postweg verloren geht, nicht unbedingt auf dem Schaden sitzenbleiben. Für eine Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), nach denen die Post nur für den Verlust von Einschreiben u.a. aufkommt, genüge es nicht, dass in der Postfiliale ein Aushang angebracht sei, bei dem auf die in den Postfilialen einsehbaren AGB verwiesen werde. Wie lawblog.de (Udo Vetter) erläutert, habe das Gericht eine solche Bezugnahme, klein gedruckt und in einem Aushang über Produkte und Preise versteckt, als überraschend gewertet.
Fall Mollath: Der Untersuchungsausschuss des bayerischen Landtags zum Fall Mollath hat nach einem Bericht der SZ (Olaf Prybzilla) Oberstaatsanwalt Wolfhard Meindl angehört, der für den Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft Regensburg zuständig war. Seiner Ansicht nach sei ein solcher staatsanwaltschaftlicher Wiederaufnahmeantrag ein Novum. Wie spiegel.de (Björn Hengst) ausführt, seien für den Wiederaufnahmeantrag vom März dieses Jahres laut Meindl zwei Punkte maßgeblich gewesen: die Verwendung einer unechten Urkunde im Verfahren gegen Mollath und die Aussage eines damals noch nicht bekannten Zeugen.
Perspektiven der Anwaltschaft: "Der Kuchen wird nicht größer. Aber immer mehr wollen einen Teil davon ab", führt Thomas Sigmund (Handelsblatt) zu den Perspektiven der Anwaltschaft aus. Vor allem kleinere Kanzleien müssten daher umsteuern und eine klare Strategie bei Marketing und Akquise verfolgen. Etwa habe die Übernahme eines Ehrenamts schon so manchen Mandanten gebracht; auch die Spezialisierung zahle sich aus.
Weitere Themen – Recht in der Welt
USA – Bradley Manning: Die taz (Dorothea Hahn) beschreibt die Rahmenbedingungen und und die bisherigen Geschehnisse im Prozess gegen den mutmaßlichen Wikileaks-Informanten Bradley Manning vor einem Militärgericht in Fort Meade. Die Militärjustiz sei eine "geschlossene Gesellschaft" mit engen Grenzen. Journalisten bekämen nur eine Akkreditierung, wenn sie vierzehn Regeln unterschrieben, unter anderem dass sie jederzeit durchsucht werden könnten.
Mit dem Prozess sende die Militärjustiz Drohsignale an alle potenziellen Whistle-blower und Enthüllungsjournalisten, dass sie die Maximalstrafe riskierten, wenn sie nicht genehme Informationen veröffentlichen, urteilt Dorothea Hahn (taz).
Sonstiges
Pressepreis des DAV: Auf dem 64. Anwaltstag hat der Deutsche Anwaltverein (DAV) seine alle zwei Jahre zu vergebenden Pressepreise an Journalisten in den Kategorien Funk, Fernsehen und Print verliehen. Über die prämierten Beiträge und die Preisträger informiert lto.de.
Grundrechte-Report 2013: Bei der Präsentation des Grundrechte-Reports 2013 haben die Vertreter von acht deutschen Bürgerrechtsorganisationen den Polizeieinsatz bei den Blockupy-Protesten am vergangenen Wochenende als verfassungsrechtlichen Skandal bezeichnet und zugleich gefordert, dass die Identifizierung von Polizeibeamten bei solchen Einsätzen künftig sichergestellt werden müsse. Wie die SZ berichtet, wurde von den Bürgerrechtlern zudem verdeckte Fremdenfeindlichkeit bei Polizei, Verfassungsschutz und Behörden angeprangert.
Steuer-CDs: Auch der Markt der Steuer-CDs funktioniert nach einem Bericht der SZ (Hans Leyendecker) nach den Regeln von Angebot und Nachfrage. Wegen der steigenden Anzahl von Selbstanzeigen verlören die CDs dramatisch an Wert, so dass nach Angaben eines Insiders gute CDs schon für einen Preis von weniger als einer Million Euro angeboten würden. Im Angebot wären mittlerweile sogar CDs mit Daten von Banken, die noch nie auf dem Markt waren.
Das Letzte zum Schluss
Hengstischer Ausbruch: Ein Pferdepensionswirt ist nach Bericht der WAZ vor dem Oberlandesgericht Hamm mit einer Schadensersatzklage gegen eine Pferdehalterin wegen der Verletzungen seiner Stute durch ihren Wallach gescheitert. Nach Darstellung des Klägers hatte der Wallach in einem "hengstisch" aggressiven Ausbruch einen durch Elektrodraht gesicherten Weidezaun durchbrochen, war auf die Stute, ein talentiertes Springpferd, zugelaufen und mit den Vorderhufen auf sie gestiegen. Unabhängig von dem behaupteten sexuell motivierten Ausbruch des Wallachs sah das Gericht den Kläger selbst in der Pflicht, die Pferde zu beaufsichtigen und dafür zu sorgen, dass nichts passiert.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/js
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 7. Juni 2013: Ehegattensplitting für Lebenspartner – Oberstaatsanwalt vor Untersuchungsausschuss – Perspektiven der Anwaltschaft . In: Legal Tribune Online, 07.06.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8870/ (abgerufen am: 05.05.2024 )
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