BGH bestätigt: Eltern haften für Filesharing ihrer Kinder, wenn sie den Nachwuchs nicht belehrt haben. Außerdem in der Presseschau: Aufhebung des Kontaktsperregesetzes, Urteil im Maskenmann-Prozess und Plädoyer im Fall Tugce erwartet.
Thema des Tages
BGH zu Haftung der Eltern für Filesharing: Eltern von Kindern, die über den Familien-PC an Internettauschbörsen teilnehmen, haften nicht für entstandene Schäden, wenn sie ihre Kinder darauf hingewiesen haben, dass das Online-Tauschen rechtswidrig ist. Der Bundesgerichtshof bestätigte mit dieser Entscheidung seine grundsätzliche Rechtsprechung und wies damit die Revisionen dreier Elternpaare ab. Die Vorinstanzen hatten die Eltern zur Zahlung von Schadensersatz und Abmahnkosten verurteilt, nachdem Warner Music und drei weitere Unternehmen wegen der Verletzung ihrer Tonträgerherstellerrechte geklagt hatten. Die Karlsruher Richter hielten zudem 200 Euro Schadenersatz pro zur Verfügung gestelltem Musiktitel für angemessen und sprachen den Geschädigten jeweils Schadensersatzansprüche in Höhe von 3.000 Euro zu. FAZ (Martin Gropp/Joachim Jahn) und Tagesspiegel (Ursula Knapp) befassen sich mit dem Fall.
Rechtspolitik
Gleichgeschlechtliche Ehe: Am heutigen Freitag wollen SPD, Grüne und die Linke im Bundesrat einen Entschließungsantrag in der Diskussion um die "Ehe für alle" stellen und damit die Bundesregierung auffordern, die Ehe von gleichgeschlechtlichen und verschiedengeschlechlichen Paaren gleichzustellen. Für die anstehende Abstimmung über die Gleichberechtigung forderten die Opposition und Teile der SPD die Aufhebung des Fraktionszwangs, da die Regierungsparteien sich in dieser Frage weitestgehend uneinig sind. Die SZ (Jens Schneider) und die FAZ (Günter Bannas) stellen unterschiedliche Positionen im Bundestag dar.
Heribert Prantl (SZ) ist davon überzeugt, dass die Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Ehe kommt – wenn auch mit zeitlicher Verzögerung. Dies sei auch kein "rasendes Unglück", "denn die gesellschaftliche Revolution braucht möglichst große Akzeptanz". CDU, CSU und anderen konservative Gruppierungen zeigten "Zurückhaltung und Widerstand" und hielten die gleichgeschlechtliche Ehe für "eine modische Zeitgeist-Geschichte". Prantl moniert, es handele sich hier aber nicht um eine Frage des Zeitgeistes, sondern um eine Frage der Menschenwürde.
Vorratsdatenspeicherung: Unter dem Titel "vom Held zum Umfaller" analysiert die SZ (Robert Rossmann) die Rolle von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) in dem von SPD-Chef Sigmar Gabriel verfügten Kurswechsel bezüglich der Vorratsdatenspeicherung. Der Beitrag resümiert zudem Maas' politische Laufbahn und erklärt sein Verhältnis zu Gabriel.
Die SZ (Heribert Prantl) sammelt zudem die wichtigsten Kritikpunkte an der Vorratsdatenspeicherung. Auch der Deutsche Anwaltsverein zeige sich kritisch gegenüber dem Gesetzentwurf. Am heutigen Freitag werde im Bundestag erstmals darüber beraten.
Schiedsverfahren: Am gestrigen Donnerstag wurde der 66. Deutsche Anwaltstag mit dem Motto "Streitkultur im Wandel – weniger Recht?" eröffnet. Die SZ (Wolfgang Janisch) erläutert, welche Vor- und Nachteile sich daraus ergeben können, Streitigkeiten über Schlichtungsstellen oder Schiedsgerichte beizulegen.
Suizidhilfe: Renate Künast (die Grünen) und Petra Sitte (Die Linke) sowie 36 weitere Bundestagsabgeordnete legten einen Entwurf zur organisierten Suizidhilfe vor. So solle Hilfe zur Selbsttötung "grundsätzlich straflos" sein. Organisierte Suizidhilfe solle dann legal sein, wenn sie ohne Gewinnabsicht erfolge, eine Zuwiderhandlung solle mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden können. SZ (Kim-Björn Becker) und FAZ (Heike Schmoll) schreiben über den Entwurf und weitere darin vorgesehene Voraussetzungen für assistierten Suizid.
Prostitutionsschutzgesetz: Die taz (Simone Schmollack) stellt den der Zeitung vorliegenden Gesetzentwurf zum Prostitutionsschutzgesetz vor.
Kontaktsperregesetz: Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) plant das Kontaktsperregesetz aufzuheben. Die Norm sei mit EU-Recht nicht vereinbar und es sei nicht mehr zu erwarten, dass Anwälte zu "Helfershelfern des Terrors" werden. Der Welt (Thomas Jungholt) liegt der Entwurf eines "Gesetzes zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren" vor.
Justiz
BGH zu rechtsstaatswidriger Tatprovokation: Rechtsprofessor Robert Esser befasst sich für lto.de mit dem Urteil des Bundesgerichtshofs zur rechtsstaatswidrigen Tatprovokation. Er erläutert den zentralen Punkt der Entscheidung – "die Frage, wie der Staat prozessual auf eine verbotswidrige und damit unzulässige Tatprovokation im anschließenden Strafverfahren" reagieren muss.
VG Köln zu US-Drohneneinsatz im Jemen: Der wissenschaftliche Mitarbeiter Björn Schiffbauer beantwortet auf juwiss.de jeweils eine staats-, eine verwaltungs- und eine völkerrechtliche Frage zum Urteil des Verwaltungsgerichts Köln bezüglich des US-Drohneneinsatzes im Jemen über eine Relaisstation in Ramstein. Das VG hatte die Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland von drei Jemeniten, welche Verwandte bei einem Drohneneinsatz der USA verloren hatten, abgewiesen.
LG Darmstadt – Tugce-Prozess: Am heutigen Freitag sollen vor dem Landgericht Darmstadt Staatsanwaltschaft und Verteidigung im Fall Tugce plädieren. Das Urteil werde am kommenden Dienstag erwartet. Der Angeklagte Sanel M. steht unter dem Verdacht der Körperverletzung mit Todesfolge. Die SZ (Susanne Höll) befasst sich mit dem Fall und den teils widersprüchlichen Zeugenaussagen zu den Vorkommnissen vor dem Tathergang.
LG Frankfurt (Oder) – Maskenmann-Prozess: Am heutigen Freitag soll das Landgericht Frankfurt (Oder) im Maskenmann-Prozess entscheiden. Der Angeklagte soll unter anderem einen Mordversuch und einen erpresserischen Menschenraub begangen haben. spiegel.de (Benjamin Schulz) fasst die vorgeworfenen Taten zusammen und verweist auf weiterhin bestehende Zweifel daran, dass der Angeklagte der Täter ist. Die Verteidigung plädiert auf Freispruch.
LG Duisburg – Loveparade: Am 1. September diesen Jahres soll vor dem Landgericht Duisburg das erste Gerichtsverfahren wegen der Katastrophe auf der Loveparade 2010 beginnen. Ein dort eingesetzter Feuerwehrmann hatte gegen die Stadt Duisburg, den Veranstalter Rainer Schaller und das Land Nordrhein-Westfalen auf Zahlung von Schadensersatz geklagt. Unter dem Titel "Zeitlupenjustiz" schreibt die SZ (Bernd Dörries) über die juristische Aufarbeitung der Katastrophe.
LG Leipzig – fahrlässige Tötung durch Sozialarbeiter? Vor dem Landgericht Leipzig läuft das Berufungsverfahren im Fall eines Sozialarbeiters, welcher wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen zu einer Geldstrafe in Höhe von 36.000 Euro verurteilt wurde. Das Amtsgericht Leipzig sah es in seinem Urteil von 2014 als erwiesen dann, dass der Betroffene mitverantwortlich für den Tod einer Drogensüchtigen und ihres Sohnes sei. Der Sozialarbeiter fordert seinen Freispruch, so spiegel.de.
LG Köln – Sal. Oppenheim: Die Verteidigung des früheren Gesellschafters des Bankhauses Sal. Oppenheim, Friederich Carl Janssen, forderte vor dem Landgericht Köln den Freispruch ihres Mandanten. Ihm sei kein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten vorzuwerfen. Dies meldet die SZ und erinnert noch mal daran, dass die Staatsanwaltschaft Freiheitsstrafen für alle Angeklagten gefordert hatte.
LG Düsseldorf - rauchender Mieter: Das Landgericht Düsseldorf verhandelt erneut über den Fall Friedhelm Adolfs. Seine Vermieterin hatte ihm die Wohnung gekündigt, weil sein Rauchen die anderen Nachbarn belästige. Das LG hatte ihr zunächst recht gegeben – dieses Urteil hob der Bundesgerichtshof allerdings auf und verwies den Fall zurück. spiegel.de meldet, ein Vergleich der Parteien sei in der mündlichen Verhandlung nicht zustande gekommen.
Recht in der Welt
Schweiz/Österreich – Spionage bei Atomgesprächen: Die Schweiz und Österreich ermitteln wegen des Verdachts der Spionage bei den Atomverhandlungen mit dem Iran gegen Unbekannt. Dies meldet spiegel.de.
China – Sicherheitschef verurteilt: Ein chinesisches Gericht hat den ehemaligen Chef der chinesischen Polizei und Staatssicherheit, Zhou Yongkang, wegen Bestechlichkeit, Verrats von Staatsgeheimnissen und Machtmissbrauchs zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Yongkang soll Bestechungsgelder in Höhe von 130 Millionen Euro angenommen haben. Kritisiert werde, dass der Prozess im Geheimen erfolgte, zudem werde eine politische Intention vermutet. Die SZ (Kai Strittmatter) und die FAZ (Petra Kolonko) berichten.
In einem separaten Kommentar betont Kai Strittmatter (SZ), dass es sich bei der Entscheidung keineswegs um eine rechtsstaatliche handele. Staatspräsident Xi Jinping verfolge vielmehr nur dort strikt seine Anti-Korruptionskampagne, wo ihm Amtsträger "im Weg stehen". Auch Peter Sturm (FAZ) ist der Ansicht, dass bei der Ahndung von Korruption in China "politische Opportunität oder schlicht Willkür" entscheidend sei. Mitleid mit Yongkang sei allerdings "fehl am Platz", denn einen Unschuldigen habe es nicht getroffen.
Sonstiges
NSU-U-Ausschuss - Erkenntnisse: Die FAZ (Rüdiger Soldt) resümiert unter dem Titel "rechtsextreme Märchenstunde" die Erkenntnisse des NSU-Untersuchungsausschusses zu der Mitgliedschaft baden-württembergischer Polizisten im Ku-Klux-Klan, zu den Morden an Michèle Kiesewetter und Florian H. sowie über "Schlampereien bei der Arbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei".
NSA-U-Ausschuss setzt Frist: Der NSA-Untersuchungsausschuss hat der Bundesregierung eine Frist bis kommenden Donnerstag gesetzt, um eine Entscheidung darüber zu treffen, wie sie mit der Selektorenliste verfahren wird. Dies meldet die SZ.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/vb
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 12. Juni 2015: Haftung für Filesharing – Plädoyer im Tugce-Prozess – "Ehe für alle" . In: Legal Tribune Online, 12.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15834/ (abgerufen am: 11.05.2024 )
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