Angela Merkel und Horst Seehofer dürfen in einem Zivilprozess um die Berichterstattung der Bild am Sonntag zur "Bremer BAMF-Affäre" nicht als Zeugen aussagen. Die Verweigerung der Aussagegenehmigung ist laut VG Berlin rechtmäßig.
Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der frühere Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sind nach einer Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin daran gehindert, als Zeugen in einem Zivilprozess vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamburg auszusagen. Die dafür erforderliche Aussagegenehmigung sei zu Recht verweigert worden, teilte das VG am Donnerstag mit (Beschl. v. 01.11.2022, Az. 6 L 174/22).
In einem Zivilverfahren am OLG Hamburg begehrt ein früherer Abteilungsleiter im Bundesinnenministerium die Unterlassung einer Berichterstattung der Bild am Sonntag. Diese hatte berichtet, dessen Versetzung in den einstweiligen Ruhestand im Frühsommer 2018 habe ihren Grund in der sog. "Bremer BAMF-Affäre" gehabt. Nach Auffassung des Abteilungsleiters trifft dies nicht zu. Das OLG hatte im September 2021 beschlossen, über diese Frage durch Vernehmung von Merkel und Seehofer Beweis zu erheben.
Das Bundeskabinett hatte die hierfür erforderlichen Aussagegenehmigungen im März 2022 jedoch verweigert. Durch eine Aussage könnten die Hintergründe des allein auf Vertrauen, Loyalität und Verschwiegenheit beruhenden Verhältnisses zwischen dem Minister und leitenden Beamten seines Hauses offengelegt werden. Eine Zeugeneinvernahme könne daher die Erfüllung auch zukünftiger öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren.
Den hiergegen erhobenen Eilantrag der Axel Springer SE hat das VG zurückgewiesen. Die Versagung der Aussagegenehmigung erweise sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig, so das VG.
Offenbarungspflicht berührt Entscheidungsfreiheit
Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die Mitglieder der Bundesregierung nach dem Bundesministergesetz (BMinG) auch nach Beendigung ihres Amtsverhältnisses verpflichtet seien, über die ihnen amtlich bekanntgewordenen Angelegenheiten Verschwiegenheit zu bewahren. Sie dürften über solche Angelegenheiten ohne Genehmigung der Bundesregierung weder vor Gericht noch außergerichtlich aussagen oder Erklärungen abgeben.
Eine Genehmigung solle zwar nur versagt werden, wenn die Aussage dem Wohle des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten oder die Erfüllung öffentlicher Aufgaben ernstlich gefährden oder erheblich erschweren würde. Dies sei laut VG hier allerdings der Fall.
Das VG entschied, dass eine etwaige Pflicht zur Offenbarung von Vorgängen im Zusammenhang mit der Versetzung eines politischen Beamten in den einstweiligen Ruhestand die Entscheidungsfreiheit der Bundesminister:innen in Personalfragen berühre. Damit sei auch das Recht, den Leitungsbereich eines Ministeriums ohne Rechtfertigungsdruck mit Vertrauenspersonen zu besetzen, betroffen.
Wenn Bundesminister:innen wüssten, dass sie möglicherweise später verpflichtet sind, vor Gericht zu ihren Personalentscheidungen auszusagen, könne sich dies negativ auf die Ausübung ihrer Leitungsfunktion auswirken. Daran ändere hier auch der Umstand nichts, dass der Sachverhalt bereits eine gewisse Zeit zurückliege. Denn eine anderslautende Entscheidung sei geeignet, auch zukünftige Mitglieder der Bundesregierung bei Entscheidungen über die Versetzung ihrer politischen Beamten in den einstweiligen Ruhestand zu beeinträchtigen, hieß es.
Gegen den Beschluss kann Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingelegt werden.
acr/LTO-Redaktion
VG Berlin zur Berichterstattung zur BAMF-Affäre: . In: Legal Tribune Online, 10.11.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50130 (abgerufen am: 05.12.2024 )
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