Druckversion
Samstag, 30.09.2023, 17:39 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/verhandlung-bverfg-im-mai-verfasssungsbeschwerde-doppelbestrafungsverbot-mordfall-frederike/
Fenster schließen
Artikel drucken
51372

Mordfall Frederike: BVerfG-Ver­hand­lung zu ums­trit­tener Wie­der­auf­nahme im Mai

22.03.2023

Der Art. 103 Grundgesetz über die Grundrechte vor Gericht

Das BVerfG kündigte an, am 24. Mai die Bedeutung des Art. 103 Abs. 3 GG zu konkretisieren. Foto: picture alliance / ZB | Jens Kalaene

 

Sollen einmal rechtskräftig des Mordes Freigesprochene bei neuer Beweislage doch noch verurteilt werden können? Über die erst kürzlich eingeführte und sehr umstrittene Wiederaufnahmevorschrift in § 362 Nr. 5 StPO verhandelt das BVerfG im Mai.

Anzeige

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat einen Termin für die mündliche Verhandlung über die umstrittene Wiederaufnahme von Strafverfahren zuungunsten des Freigesprochenen im Mordfall Frederike angekündigt. Ismet H. wurde im Jahr 1983 rechtskräftig von dem Vorwurf freigesprochen, die 17-jährige Frederike von Möhlmann vergewaltigt und getötet zu haben. Das Verfahren wurde jedoch 2021 wegen neuer Beweismittel wieder aufgenommen, den gegen den Mann erlassenen Haftbefehl hatte das BVerfG unter Bedingungen außer Vollzug gesetzt (Beschl. v. 20.12.2022, Az. 2 BvR 900/22).

Nach dem recht neuen § 362 Nr. 5 Strafprozessordnung (StPO), der erst im Dezember 2021 in Kraft getreten ist, darf ein Strafverfahren gegen einen rechtskräftig Freigesprochenen wiederaufgenommen werden, wenn aufgrund neuer Tatsachen oder Beweismittel dringende Gründe gegeben sind, die möglich machen könnten, dass der Betroffene nunmehr wegen Mordes (oder bestimmter Straftaten gegen das Völkerrecht) verurteilt wird.

Im Jahre 2012 wurden im Mordfall Frederike Spermaspuren auf einem Stück Toilettenpapier im Slip der Getöteten gefunden, die H. belasten sollen. Das Verfahren gegen H. wurde deswegen wiederaufgenommen. Dagegen wandet sich H. mittels einer Verfassungsbeschwerde. Er macht geltend, dass § 362 Nr. 5 StPO gegen das Rückwirkungsgebot aus Art. 103 Abs. 3 Grundgesetz (GG) verstoße.

Verfassungsrechtliche Bedenken

Die noch junge Vorschrift zur Wiederaufnahme ist verfassungsrechtlich äußerst umstritten. Nach Auffassung einiger von LTO befragten Strafrechtlerinnen und -rechtler verbietet der "ne bis in idem"-Grundsatz aus Art. 103 Abs. 3 GG eine Doppelverfolgung nach einem Freispruch. Genau dagegen verstoße § 362 Nr. 5 StPO.

Das Landgericht (LG) Verden hatte die Vorschrift im Februar 2022 erstmals angewendet und einen Wiederaufnahmeantrag in dem Fall für zulässig erklärt sowie Untersuchungshaft gegen H. angeordnet. Das LG lehnte es dabei ab, die umstrittene Norm im Wege der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG dem BVerfG zur verfassungsrechtlichen Kontrolle vorzulegen, da es nicht von deren Verfassungswidrigkeit überzeugt war.

Nach dem Beschluss des LG (Beschl. v. 25.02.22, Az. 1 Ks 148 Js 1066/22) legte H. Verfassungsbeschwerde ein.

Das BVerfG kündigte an, in der mündlichen Verhandlung am 24. Mai 2023 unter anderem zu erörtern, wie das in Art. 103 Abs. 3 GG niedergelegte grundrechtliche Verbot der Doppelbestrafung insgesamt zu verstehen sei. Ein Schwerpunkt werde auf der Frage liegen, ob Art. 103 Abs. 3 GG einer Abwägung mit anderen Rechtsgütern von Verfassungsrang zugänglich sei.

Bislang hatte sich das BVerfG lediglich mit einzelnen Aspekten dieses Prozessgrundrechts befasst.

bit/LTO-Redaktion

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Mordfall Frederike: BVerfG-Verhandlung zu umstrittener Wiederaufnahme im Mai . In: Legal Tribune Online, 22.03.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51372/ (abgerufen am: 01.10.2023 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Strafrecht
    • Beweise
    • BVerfG
    • DNA-Analyse
    • Mord
    • Verfassungsbeschwerde
    • Wiederaufnahme
  • Gerichte
    • Bundesverfassungsgericht (BVerfG)
26.09.2023
Vaterschaft

BVerfG verhandelt Vaterschaftsanfechtung:

Ein Kind, drei Eltern?

Ein leiblicher Vater kämpft um sein Recht, auch als rechtlicher Vater anerkannt zu werden. Ob das BVerfG seiner Verfassungsbeschwerde stattgeben wird, ist offen. Nicht ausgeschlossen, dass der Erste Senat den ganz großen Wurf wagt.

Artikel lesen
25.09.2023
Vaterschaft

Verhandlung vor dem BVerfG:

Stärkt Karls­ruhe die Rechte leib­li­cher Väter?

Ein leiblicher Vater rügt per Verfassungsbeschwerde, dass ihm trotz aller Bemühungen die rechtliche Elternschaft zu seinem kleinen Sohn verwehrt wird. Ob die aktuelle Rechtslage ihn in seinen Grundrechten verletzt, muss das BVerfG klären.

Artikel lesen
30.09.2023
Rechtsgeschichte

Der Deutsche Juristentag 1933 in Leipzig:

"Durch Natio­nal­so­zia­lismus dem deut­schen Volk das deut­sche Recht"

Vor 90 Jahren versammelten sich die deutschen Juristen erstmals unter dem Hakenkreuz. Der Schweizer Rechtshistoriker Silvan Schenkel hat die Tagung untersucht. Sebastian Felz stellt sein Buch vor.

Artikel lesen
29.09.2023
Diskriminierung

"Oben ohne" im Schwimmbad:

Kam­mer­ge­richt sieht "Sch­lech­ter­be­hand­lung" von Frauen

Müssen Frauen ihre Brüste abdecken und Männer nicht? Nach gescheiterten Vergleichsgesprächen im "Plansche"-Prozess gab das KG einen klaren Hinweis: Das Land Berlin solle prüfen, ob es die Klageforderung nicht teilweise anerkennen will.

Artikel lesen
28.09.2023
Asyl

Asylrecht zum Mitreden Teil 2:

Diese Leis­tun­g­an­sprüche haben Asyl­su­chende wir­k­lich

Kostenlose Wohnung, Krankenversicherung, Urlaub im Herkunftsland: Den Geflüchteten geht es in Deutschland sehr gut, meint nicht nur Friedrich Merz. Doch wie sieht die (rechtliche) Lebenswirklichkeit von geflüchteten Menschen tatsächlich aus?

Artikel lesen
29.09.2023
Cannabis-Legalisierung

Stellungnahme der Länder zum Cannabis-Gesetz:

Lega­li­sie­rungs­gegner schei­tern im Bun­desrat

Der Bundesrat hat zum Cannabisgesetz der Ampel Stellung genommen. Dabei scheiterten die Fundamentalkritiker der Legalisierung mit ihren Forderungen, das Vorhaben vollständig zu stoppen oder wenigstens für zustimmungspflichtig zu erklären.

Artikel lesen
TopJOBS
Geld ver­die­nen als Te­le­fon­an­walt / Te­le­fon­an­wäl­tin

DAHAG Rechtsservices AG , 100% Re­mo­te

Werk­stu­dent für LTO-News­desk (m/w/d)

Wolters Kluwer Deutschland GmbH , Hürth

Do­zen­tur

Chinesisch Deutsches Institut für Rechtswissenschaften , Pe­king

Wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter (m/w/d)

SammlerUsinger , Ber­lin

Rich­ter:in­nen (w/m/d) im Rich­ter­ver­hält­nis auf Pro­be (Voll­ju­rist:in­nen...

Freie Hansestadt Bremen , Bre­men

Rechts­an­wäl­tin/Rechts­an­walt (w/m/d) In­ter­na­tio­na­les Wirt­schafts­straft­recht...

Hogan Lovells International LLP , Frank­furt am Main

Se­nior Di­gi­tal Pro­duct Ma­na­ger - WKO (m/w/d)

Wolters Kluwer Deutschland GmbH , Hürth

Re­fe­ren­dar*in / Dok­to­rand*in (m/w/d)

Becker Büttner Held , Ham­burg

Alle Stellenanzeigen
Veranstaltungen
Montagskaffee: Erst Networking, dann Akquise - wie du Networking-Aktivitäten für Akquise nutzt

02.10.2023

Workshop Restrukturierungs- und Insolvenzrecht

16.11.2023, Hamburg

BRL Get-together für Referendare, wissenschaftliche Mitarbeitende & Studierende

12.10.2023, Hamburg

Entdecken Sie unbekannte Module in RA-MICRO, um mehr Effektivität in Ihren Arbeitsalltag zu bringen

02.10.2023

RA-MICRO 365 Cloud – Sicherheit und Flexibilität auf höchstem Niveau!

02.10.2023

Alle Veranstaltungen
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH