Druckversion
Samstag, 23.09.2023, 15:25 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/olg-koeln-iii1rvs7720-volksverhetzung-minderheit-frauen-verunglimpfung-menschenwuerde-gleichheitssatz-diskriminierung-auslegung-tatbestand-130-stgb/
Fenster schließen
Artikel drucken
41899

OLG Köln: Ver­un­glimp­fung von Frauen kann Volks­ver­het­zung sein

15.06.2020

Frauen erheben ihre Hände

(c) Pixel-Shot/stock.adobe.com

Hauptanwendungsfall der Volksverhetzung sei zwar der Schutz von Minderheiten. Nach Sinn und Zweck der Regelung werde aber auch die Menschenwürde von Frauen geschützt, entschied nun das OLG Köln.

Anzeige

Die Volksverhetzung, geregelt in § 130 Strafgesetzbuch (StGB), schützt auch vor einer pauschalen Verunglimpfung von Frauen. Das entschied das Oberlandesgericht Köln (OLG) kürzlich und hob damit einen Freispruch durch das Landgericht (LG) Bonn auf.

"Menschen zweiter Klasse", "minderwertige Menschen" und "den Tieren näherstehend" – so bezeichnete ein Mann auf seiner Internetseite Frauen in zahlreichen Beiträgen. Das Amtsgericht (AG) Bonn verurteilte ihn dafür zu einer Geldstrafe von 55 Tagessätzen. Das LG Bonn sprach den Mann aber wieder frei. Argument: Die Volksverhetzung schütze nur Gruppen, die durch ihre politische und weltanschauliche Überzeugung oder ihre sozialen oder wirtschaftlichen Verhältnisse, ihren Beruf oder ihre soziale Funktion erkennbar seien. Das Merkmal Geschlecht sei aber nicht erfasst und historisch auch gerade nicht zu schützen beabsichtigt gewesen.

Volksverhetzung als allgemeiner "Anti-Diskriminierungstatbestand"

Diesen Freispruch hob das OLG nun auf. Zu den durch § 130 StGB geschützten Teilen der Bevölkerung würden nämlich auch Frauen gehören. Zwar seien Frauen in Deutschland statistisch die Mehrheit der Bevölkerung. Aus der Vorschrift ergebe sich aber gerade nicht, dass sie nur dem Minderheitenschutz diene. Vielmehr könne die Rechtsanwendung kaum von Zufälligkeiten wie der Mehrheitsbildung abhängen. Außerdem könnten auch Mehrheiten diskriminiert werden. 

Auch die historische Entwicklung des Tatbestandes zeige, dass er sich immer weiter hin zum umfassenden "Anti-Diskriminierungstatbestand" entwickelt habe, so das Gericht. Geschützt werden nach Auffassung der Kölner Richter daher längst nicht mehr nur die Teile der Bevölkerung, die unter die ausdrücklich genannten Merkmale fielen. Der Hauptanwendungsbereich der Volksverhetzung möge zwar immer noch rechtsradikale Hetze gegen Minderheiten sein, diskriminierende Äußerungen gegen Frauen seien aber ebenfalls erfasst.

Der Mann habe, so das OLG, Frauen unter Missachtung des Gleichheitssatzes als "unterwertig" dargestellt und sie dabei auch in ihrer Menschenwürde angegriffen. Es sei daher davon auszugehen, dass er den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt hat.

Das OLG hat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des LG Bonn zurückverwiesen.

ast/LTO-Redaktion

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

OLG Köln: Verunglimpfung von Frauen kann Volksverhetzung sein . In: Legal Tribune Online, 15.06.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41899/ (abgerufen am: 27.09.2023 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Strafrecht
    • Diskriminierung
    • Revision (Strafrecht)
    • strafproze
    • Straftaten
    • Volksverhetzung
  • Gerichte
    • Oberlandesgericht Köln
25.09.2023
Kunst

AG München verurteilt Museumsmitarbeiter:

Gemälde durch Fäl­schungen ersetzt und ver­kauft

Ein Mitarbeiter eines Münchner Museums hat Gemälde aus einem Depot durch Fälschungen ersetzt und das Original versteigern lassen. Das Amtsgericht verurteilte ihn dafür nach dem Kulturgutschutzgesetz.

Artikel lesen
25.09.2023
Rechtsextremismus

Plakat "Israel ist unser Unglück" und der "Ungeimpft"-Stern:

Gene­ral­staats­an­walt kri­ti­siert Justiz beim Umgang mit Anti­se­mi­tismus

Frank Lüttig, Generalstaatsanwalt in Celle, hat deutliche Worte an seine Kollegen in der Justiz gerichtet. Es fehle am entschiedenen Umgang mit Antisemitismus, was Rechtsextreme wiederum ausnutzten. Zwei Verfahren führt er als Beispiele an.

Artikel lesen
27.09.2023
Glücksspiel

Sammelkarten-Hype auf Twitch & Co.:

Frag­wür­dige Geschäfte mit Pika­chus, Gegen­zau­bern und blau­äu­gigen weißen Dra­chen

Pikachu kennen alle. Es gibt aber nicht nur Pokemon, der Sammelkartenmarkt ist dank vieler großer Namen ein Milliardengeschäft geworden. Mit ihm kommen dubiose Geschäftsmodelle, die juristisch klärungsbedürftig sind, zeigt Andreas Höpner.

Artikel lesen
27.09.2023
Presseschau

Die juristische Presseschau vom 27. September 2023:

Drei recht­liche Eltern­teile? / John für mehr Opfer­rechte / EGMR ver­han­delt Kli­maklage gegen Europa

BVerfG lässt Interesse an einer grundlegenden Änderung bei Väterrechten erkennen. Sollen Hinterbliebene über vorzeitige Haftentlassungen von Tätern informiert werden? EGMR verhandelt heute über Klimaklage von portugiesischen Jugendlichen.

Artikel lesen
25.09.2023
Staatsexamen

Aktuelle Zahlen zum Zweiten Examen:

In Baden-Würt­tem­berg fallen die wenigsten durch

Mehr Prädikatsexamen, aber auch mehr Durchfaller im Vergleich zum Vorjahr: Die aktuellen Zahlen des Bundesamts für Justiz zum Zweiten Examen sind da. Erneut war die Durchfallquote in Baden-Württemberg am geringsten.

Artikel lesen
25.09.2023
Vaterschaft

Verhandlung vor dem BVerfG:

Stärkt Karls­ruhe die Rechte leib­li­cher Väter?

Ein leiblicher Vater rügt per Verfassungsbeschwerde, dass ihm trotz aller Bemühungen die rechtliche Elternschaft zu seinem kleinen Sohn verwehrt wird. Ob die aktuelle Rechtslage ihn in seinen Grundrechten verletzt, muss das BVerfG klären.

Artikel lesen
TopJOBS
Geld ver­die­nen als Te­le­fon­an­walt / Te­le­fon­an­wäl­tin

DAHAG Rechtsservices AG , 100% Re­mo­te

Rechts­re­fe­ren­da­re (m/w/d)

SammlerUsinger , Ber­lin

Probe­rich­te­rin/Probe­rich­ter (w/m/d)

Ministerium für Justiz, Gleichstellung und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommern , Schwe­rin

Do­zen­tur

Chinesisch Deutsches Institut für Rechtswissenschaften , Pe­king

Rechts­an­wäl­tin/Rechts­an­walt (w/m/d) In­ter­na­tio­na­les Wirt­schafts­straft­recht...

Hogan Lovells International LLP , Ber­lin

Se­nior Di­gi­tal Pro­duct Ma­na­ger - WKO (m/w/d)

Wolters Kluwer Deutschland GmbH , Hürth

Rich­ter:in­nen (w/m/d) im Rich­ter­ver­hält­nis auf Pro­be (Voll­ju­rist:in­nen...

Freie Hansestadt Bremen , Bre­men

Wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter (m/w/d)

SammlerUsinger , Ber­lin

Alle Stellenanzeigen
Veranstaltungen
RA-MICRO Basiswissen – der einfache Einstieg in RA-MICRO

27.09.2023

Produktivität steigern mit den RA-MICRO Online Recherchen

27.09.2023

Online-Fortbildung im Verkehrsrecht

27.09.2023

Online-Fortbildung im Medizinrecht

27.09.2023

Mobiles Arbeiten mit der E-Akte

27.09.2023

Alle Veranstaltungen
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH