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Axel Springer behauptet Urheberrechtsverletzung: Wieder gegen Wer­be­b­lo­cker

von Pia Lorenz

09.04.2019

Adblocker auf einem Tablet (Symbolbild)

© pinonepantone - stock.adobe.com

Axel Springer klagt erneut gegen Internet-Werbeblocker. Und wieder gegen Eyeo. Dabei hat das Medienhaus 2018 vor dem BGH verloren. Jetzt stützt Springer sich nicht mehr auf Wettbewerbs-, sondern auf Urheberrecht. Doch auch das ist nicht neu. 

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Der Streit um Werbeblocker im Internet geht in eine neue Runde: Das Medienunternehmen Axel Springer hat gegen den führenden Adblocker-Anbieter Eyeo eine Klage beim Landgericht (LG) Hamburg eingereicht. Das teilte ein Firmensprecher am Montag in Berlin mit.

Damit geht das Unternehmen erneut wegen derselben Sache gegen denselben Klagegegner vor wie bereits in den vergangenen Jahren. Axel Springer wie auch andere Verlage versuchen, den Werbeblocker Adblock Plus zu stoppen. Sie sehen ihr Geschäftsmodell bedroht, wenn den Nutzern der sogenannte Adblocker die Werbung im Internet nicht angezeigt wird. Internet-Werbeblocker verursachten den deutschen Verlagen jährlich Schäden in Millionenhöhe und gefährdeten damit die Refinanzierung von professionellem Journalismus im Internet, erklärte Springer am Montag. Das Handelsblatt, Zeit Online sowie RTL und ProSiebenSat.1 waren schon in den unteren Instanzen unterlegen. Springer aber klagte weiter bis zum Bundesgerichtshof (BGH), weil das Medienhaus Verstöße gegen das Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb sieht. Der BGH stellte allerdings fest, in dem Eyeo-Angebot liege kein unlauterer Wettbewerb und keine rechtswidrige aggressive Geschäftspraxis. Die Entscheidung über den Einsatz des Werbeblockers liege beim Nutzer der Internetseiten und nicht bei dem beklagten Unternehmen (Urt. v. 19.04.2018, Az. I ZR 154/16 - Werbeblocker II). 

Die Argumentation, auf die Springer nun seine neue Klage stützt,  ist urheberrechtlicher Natur. Im Laufe der bisherigen Verfahren habe Axel Springer durch diverse Untersuchungen und Gutachten feststellen müssen, dass Werbeblocker durch eine unzulässige Umarbeitung (§ 69c Nr. 2 UrheberrechtsgesetzG, UrhG) bzw. Vervielfältigung (§ 69c Nr. 1 UrhG) der Webseitenprogrammierung das Urheberrecht der Medienangebote verletzen, begründete der Springer-Verlag seinen neuen Vorstoß am Montag. "Werbeblocker verändern die Programmiercodes von Webseiten und greifen damit direkt in das rechtlich geschützte Angebot von Verlagen ein", sagte Claas-Hendrik Soehring, Leiter Medienrecht bei Axel Springer. Dadurch beschädigten sie langfristig nicht nur eine zentrale Finanzierungsgrundlage von digitalem Journalismus, sondern gefährdeten auf Dauer auch den offenen Zugang zu meinungsbildenden Informationen im Internet. "Das werden wir nicht hinnehmen." Das ist insoweit bemerkenswert, als das Urheberrecht in der Rechtsfrage keineswegs ein neues Argument ist. Überzeugt hat es die Gerichte bisher aber nicht. 

Springer: Adblocker manipulieren die Webseitenprogrammierung

"Der angeblich neue Sachverhalt war bereits Gegenstand der Verfahren in München und Köln", kritisiert Rechtsanwalt Dr. Pietro Graf Fringuelli. Beide OLG hätten bereits urheberrechtliche Unterlassungsansprüche abgelehnt, so der Partner bei CMS Hasche Sigle, die Eyeo in den Verfahren vertreten. Aus seiner Sicht gibt es keinen neuen Vortrag, Gutachen seien auch bisher schon vorgelegt worden. Rechtsanwalt Dr. Cornelis Lehment, der Springer bereits in dem ersten Verfahren vertreten hat, erklärte dagegen gegenüber LTO, im neuen Rechtsstreit vor dem Landgericht (LG) Hamburg für Springer ein umfassendes neues Gutachten eines renommierten Experten vorzulegen. Die Expertise weist laut dem Namenspartner von Lubberger Lehment in Hamburg nach, dass Adblocker die Webseitenprogrammierung auf zwei Wegen manipulierten. Sie unterdrückten bestimmte Programmbefehle, so dass Inhalte nicht geladen würden; und schon geladene inhalte würden durch ein Überschreiben der Webseitenprogrammierung nicht angezeigt. So werde, so Lehment unter Bezugnahme auf das vorgelegte Gutachten, der Code des Webseitenprogramms aktiv geändert. 

Wenn die Gerichte sich darauf einlassen, werden wohl technische Fragen darüber entscheiden, ob tatsächlich urheberrechtlich geschützte Rechte an Computerprogrammen im Sinne von § 69a, c UrhRG verletzt werden. Es dürfte um komplexe Fragen gehen, um die Unterscheidung zwischen einzelnen Software-Elementen einer Webseite und darum, welche Veränderungen eine Be- oder Umarbeitung im Sinne der Vorschriften sind und welche noch nicht. Und schließlich womöglich darum, inwieweit Eingriffe gerechtfertigt sind, weil sie noch zum bestimmungsgemäßen Gebrauch der Webseite dienen. Diese Fragen waren schon Gegenstand anderer Verfahren und anderer gerichtlicher Entscheidungen in Sachen Werbeblocker. Weder das OLG München, wo Pro Sieben klagte, noch das OLG Köln, angerufen von Springer, haben die urheberrechtlichen Argumente am Ende überzeugt. Das OLG München ging davon aus, dass zumindest eine konkludente Zustimmung der Verlage vorliege, wenn diese ihre Seiten ins Netz stellen.

Final verloren ist das Verfahren noch nicht, nach LTO-Informationen will der BGH darüber im Herbst entscheiden. Springer-Anwalt Lehment hält die Argumentation des OLG München für abwegig: "Das Urheberrecht ist ja an sich geschützt, weil das Werk existiert. Man muss nicht noch einen Zaun darum bauen", so Lehment gegenüber LTO. Ein Urheber müsse sich nicht in ein technisches Wettrennen begeben, um zu dokumentieren, dass er Bearbeitungen seines Produkts nicht zustimmt. Durch den Adblocker wird darüber hinaus, so sieht es Springer, ein neues Produkt erstellt: zum Beispiel eine Bild.de ohne Werbung. Bei Springer hat genau dieses Produkt einen Namen, argumentiert der Wettbewerbs- und Urheberrechtler: Es nennt sich "Bild smart", für 2,99 Euro monatlich kann man Bild online werbefrei lesen. Darin sieht Springer eine eigenständige Nutzungsart im Sinne des Urheberrechts. 

Urheberrecht, obwohl es um Wettbewerb geht?

Und doch klingt es ein wenig nach dem, worum es in der Frage der Werbeblocker tatsächlich geht: um Wettbewerb. Um den Kampf der Verlage, die mit dem Auflagenschwund im Printbereich kämpfen und sich gegen ein Geschäftsmodell wehren, das aus ihrer Sicht ihre derzeit praktisch einzige Finanzierungsmöglichkeit im Online-Journalismus gefährdert. Schließlich sind die Adblocker keineswegs nur die Robin Hoods des Internet. Sie verhindern, dass bestimmte Werbeinhalte auf Internetseiten angezeigt werden. Aber sie leben auch davon, das wieder möglich zu machen; bei kleinen Seiten geschieht das kostenlos, die großen Anbieter müssen für dieses sogenannte Whitelisting bezahlen. 

Der BGH hat in seinem Werbeblocker-II-Urteil gegen Springer schon klar gemacht, dass das aus seiner Sicht in Ordnung ist. Eyeo verfolge mit dem Werbeblocker primär eigene wirtschaftliche Interessen und wolle keineswegs die Verlage vom Markt verdrängen. Die Nutzer entschieden, ob sie die Software einsetzen, die Verlage ihrerseits hätten Mittel und Wege, um sich zu wehren. Das gelte auch für das Whitelisting. Und auch in diesem Verfahren waren schon urheberrechtliche Argumente eingeflossen. Zwar nicht, worauf Klägervertreter Lehment hinweist, als echte Anspruchsgrundlage, sondern nur als "Seitenblick". Das OLG, auf dessen tatsächliche Feststellungen als Vorinstanz der BGH im Revisionsverfahren beschränkt ist, hatte angenommen, dass es "für einen Urheberrechtsverstoß an Nutzungshandlung fehlt, die direkt auf die Server oder Programme der Klägerin zugreifen", heißt es im BGH-Urteil wörtlich.

Aber es ist nur ein zusätzliches Argument. Der BGH weist in seinem Urteil nämlich ausdrücklich darauf hin, dass das Wettbewerbs- und das Urheberrecht unterschiedliche Schutzrichtungen haben. "Der Tatbestand der unlauteren Behinderung unterscheidet sich nach Schutzzweck, Voraussetzungen und Rechtsfolgen von den Sonderschutzrechten", heißt es in dem Urteil unter Bezugnahme auf die Entscheidung Segmentstruktur (BGH, Urteil v. 04.05.2016, Az I ZR 58/14). Und es war auch der BGH, der den Europäischen Gerichtshof mit einer Rechtsfrage betreffend die Geheimhaltung von Papieren durch die Bundesregierung angerufen hat, die in Deutschland gern unter dem Begriff "Zensurheberrecht" diskutiert wird. Es gibt noch keine Entscheidung vom EuGH. Der Generalanwalt in Luxemburg aber wurde in seinen Schlussanträgen deutlich: Selbst wenn die Afghanistan-Papiere, um deren Herausgabe es in dem Verfahren ging, unter das Urheberrecht fallen sollten, könne die deutsche Bundesregierung sich darauf nicht berufen, so der Generalanwalt: Das Ziel, das die Bundesrepublik mit ihrer Unterlassungsklage verfolge, habe überhaupt nichts mit den Zielen des Urheberrechts zu tun. Der Bundesrepublik gehe es in erster Linie um den Schutz der Vertraulichkeit bestimmter als sensibel eingestufter Informationen. Das Urheberrecht werde hier also zu der Verfolgung von Zielen instrumentalisiert, die ihm völlig fremd sind.

Springer-Vertreter Lehment sieht das Urheberrecht nicht als letzten Versuch, mit einem Notnagel noch zu retten, was der BGH längst als zuungunsten der Verlage entschieden hat. Springer habe, anders als andere Verlage, bislang nicht mit dem Urheberrecht argumentiert, weil es dabei um einen völlig anderen Tatsachenvortrag gehe und man den wettbewerbsrechtlichen Behinderungstatbestand nicht habe überlagern wollen mit "schwierigem, technischem, gutachtenbelasteten Vortrag". Jetzt, wo auch das umfassende Gutachten vorliege, sei der richtige Zeitpunkt dafür, so der Hamburger Anwalt gegenüber LTO. Lehment glaubt auch nicht, dass das BGH-Urteil Werbeblocker II gegen Springer halten wird. Der Verlag hat wegen behaupteter Verletzung der Pressefreiheit Verfassungsbeschwerde eingelegt. Und das neue Verfahren gegen Eyeo findet immerhin vor dem LG Hamburg statt, dem im Bereich geistiges Eigentum eine sehr eigentümerfreundliche Rechtsprechung nachgesagt wird. Auch wenn es bei einer erstinstanzlichen Entscheidung kaum bleiben dürfte.   

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Axel Springer behauptet Urheberrechtsverletzung: . In: Legal Tribune Online, 09.04.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34801 (abgerufen am: 08.11.2025 )

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