Wegen der hohen Corona-Zahlen bei Tönnies und anderen Fabrikanten gab es Ende 2020 ein Verbot von Zeitarbeitskräften in der Fleischwirtschaft. Ein niedersächsischer Wursthersteller wehrte sich dagegen nun erfolgreich mit einem Eilantrag.
Das Finanzgericht Hamburg (FG) hat in einem am Montag veröffentlichten Beschluss einem Eilantrag eines Wurstherstellers weitgehend stattgegeben (Beschl. v. 20.5.2021, Az. 4 V 33/21). Der Antrag richtete sich gegen das Fremdpersonalverbot in der Fleischwirtschaft. Aufgrund eines Staatsvertrags zwischen Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein besteht ein für alle drei Bundesländer zuständiger "Gemeinsamer Senat für Zoll- und Verbrauchsteuersachen beim Finanzgericht Hamburg", weswegen der Sachverhalt in Hamburg verhandelt wurde.
Im Dezember 2020 machten bundesweit massenhafte Corona-Ausbrüche in Schlachthöfen Schlagzeilen, die die Pandemie zeitweise stark vorantrieben. Der Gesetzgeber reagierte schnell und erließ kurz vor Weihnachten das geänderte Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch). Dieses am 1. Januar 2021 in Kraft getretene Gesetz beinhaltete in § 6a GSA insbesondere eine Beschränkung des Einsatzes von "Fremdpersonal", also Zeitarbeitskräften im Kernbereich der Fleischwirtschaft, also dem Schlachten, Zerlegen und Fleischverarbeiten. Seit dem 1. April 2021 dürfen auch keine Leiharbeiter mehr beschäftigt werden. Zudem wurden der Zollverwaltung weite Kontrollbefugnisse eingeräumt.
Dagegen wandte sich ein Wursthersteller aus Niedersachsen. Der Familienbetrieb stellt Wurstprodukte aller Art her und wollte dazu auch in Zukunft Zeitarbeiter einsetzen. Er deshalb in einem einstweiligen Anordnungsverfahren beim FG Hamburg den Antrag, vorläufig festzustellen, dass es sich bei dem Wursthersteller nicht um einen Betrieb der Fleischwirtschaft handele und folglich auch das Fremdpersonalverbot nicht mehr gelten sowie die Kontrollbefugnisse des Zolls nicht greifen würden.
Was ist Fleischverarbeitung und was nicht?
Das FG gab dem Antrag zumindest teilweise statt. Es stellte zunächst klar, dass unter "Fleischverarbeitung" zwar nicht nur die Arbeitsschritte am rohen Fleisch zu verstehen seien. Vielmehr würden auch alle Tätigkeiten bis zur Herstellung des für den Verbraucher fertig verpackten Schinkens oder Ähnlichem als Fleischverarbeitung gelten. Alle daran anschließenden Arbeitsschritte, also beispielsweise das Zusammenstellen und Verpacken der Wurstwaren für den Versand oder Verkauf, würden jedoch nicht mehr erfasst. Außerdem führte das Gericht aus, dass nur Tätigkeiten unmittelbar am Fleischprodukt selbst Fleischverarbeitung seien. Tätigkeiten wie kaufmännische Hilfstätigkeiten, Lager- oder Reinigungsarbeiten stünden dazu zwar im engen sachlichen Zusammenhang, seien aber nicht als Fleischverarbeitung erfasst.
Da der Wursthersteller aus Niedersachsen das Personal nun überwiegend in solchen Bereichen einsetze, die nach den Ausführungen des Gerichts nicht als Fleischverarbeitung anzusehen seien, greife das Fremdpersonalverbot aus § 6a GSA nicht. Der Zoll sei aber dennoch berechtigt, Kontrollen durchzuführen.
Christoph Schoenfeld, Präsident des FG Hamburg, gab gegenüber der Deutschen Presseagentur an, dass es sich um ein Pilotverfahren gehandelt habe. Er beschrieb, wie das Gericht Bildmaterial ausgewertet habe, das die Arbeitsabläufe im Betrieb gezeigt hat. "Der Workflow ist entscheidend. Man muss hinschauen, wie der Betrieb organisiert ist", erklärte Schoenfeld. Ausschlaggebend sei im Fall des niedersächsischen Wurtherstellers gewesen, dass die Herstellung der Wurstwaren - anders als beispielsweise in Schlachthöfen - weitgehend automatisiert sei.
Die Beschwerde wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.
ast/LTO-Redaktion
mit Materialien der dpa
FG Hamburg: . In: Legal Tribune Online, 31.05.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45083 (abgerufen am: 12.12.2024 )
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