Druckversion
Sonntag, 18.05.2025, 09:05 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/nachrichten/n/egmr-48614-frau-zu-unrecht-in-psychiatrie-festgehalten-keine-neuen-rechtsfragen
Fenster schließen
Artikel drucken
29863

Zu Unrecht in Psychiatrie festgehaltene Frau scheitert vor EGMR: Für die Umset­zung nicht zuständig

19.07.2018

Frau auf einem Bett in einer Psychiatrie (Symbol)

© Photographee.eu - stock.adobe.com

Für verrückt erklärt und in die Psychiatrie gesperrt zu werden – diese Horror-Vorstellung kann Realität werden, eine heute 59-Jährige hat es erlebt. Doch der EGMR nahm sich ihres Falls nicht noch einmal an.

Anzeige

Eine Frau, die als junge Erwachsene knapp zwei Jahre zu Unrecht in einer Bremer Psychiatrie eingesperrt war, ist vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit ihrer erneuten Beschwerde gegen Deutschland gescheitert. Die Beschwerde wurde u. a. deshalb abgewiesen, weil sie keine neuen Rechtsfragen aufwerfe, teilte der Gerichtshof am Donnerstag mit (Beschwerdenummer 486/14).

Im Grundsatz hatte die heute in Hessen lebende Frau schon im Jahr 2005 von den Straßburger Richtern Recht bekommen. Diese urteilten damals, dass ihre Zwangsunterbringung in der Privatklinik ihre Rechte aus Art. 5 Abs. 1 (Recht auf Freiheit und Sicherheit) und Art. 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verletzt hatte. Zwischen 1977 und 1979 war die damals 18-Jährige ohne richterlichen Beschluss und gegen ihren Willen in der Psychiatrie festgehalten worden - aufgrund einer Fehldiagnose. Der deutsche Staat musste der Frau nach dem Urteil 75.000 Euro Schmerzensgeld zahlen.

In ihrem neuen Verfahren in Straßburg monierte die heute 59-Jährige dagegen, dass deutsche Gerichte sich anschließend weigerten, ihren Fall neu aufzurollen. Sie wollte weitere Schmerzensgeldzahlungen erstreiten. Der Gerichtshof sei nicht dafür zuständig, die Umsetzung seiner Urteile zu prüfen, sondern das Ministerkomitee des Europarats, stellten die Richter nun fest und wiesen diesen Teil der Beschwerde zurück. Dem Komitee liege der Fall vor.

Falsche Diagnose als 15-Jährige

Das zweite Anliegen der Beschwerdeführerin fand ebenfalls kein offenes Ohr in Straßburg: Die Frau hatte beanstandet, dass ihr für ihren Kampf um Schadenersatz und Schmerzensgeld Rechtshilfe verweigert worden sei. Da aber der deutsche Staat ihr deswegen bereits 17.000 Euro Entschädigung angeboten habe, bestehe kein Anlass, sich damit zu beschäftigen, teilte der Gerichtshof mit.

Die Entscheidung des EGMR markiert das vorläufige Ende einer jahrelangen Gerichts-Odyssee der Frau. Am Donnerstag war sie für eine Stellungnahme nicht zu erreichen, verwies aber per Mail auf frühere Medienberichte, in denen sie sich zu ihrem Schicksal geäußert hatte.

Demnach brachte ihr überforderter Vater sie erstmals als 15-Jährige in eine Klinik, weil er glaubte, sie leide an einer Psychose – der Beginn eines nach ihren Angaben jahrelangen Martyriums in mehreren deutschen Psychiatrien. Sie sei misshandelt, an ihr Bett oder die Heizung gefesselt und mit Medikamenten behandelt worden, die sie wegen einer früheren Kinderlähmung nie hätte bekommen dürfen. Von der Behandlung trug sie schwere körperliche Schäden davon.

Jahrzehnte später kam ein Gutachten zu dem Schluss, dass sie nie an einer Psychose gelitten hatte. Die Bremer Privatklinik hat heute neue Betreiber.

dpa/acr/LTO-Redaktion

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Zu Unrecht in Psychiatrie festgehaltene Frau scheitert vor EGMR: . In: Legal Tribune Online, 19.07.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29863 (abgerufen am: 18.05.2025 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Europa- und Völkerrecht
    • EGMR
    • Psychiatrie
    • Schadensersatz
    • Schmerzensgeld
  • Gerichte
    • Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)
Die U2 der Berliner Verkehrsbetriebe 15.05.2025
Datenschutz

Cyberangriff auf Dienstleister der Berliner Verkehrsbetriebe:

Bekommen 180.000 Ber­liner U-Bahn-Kunden Scha­dens­er­satz?

Bei einem Hackerangriff haben Unbekannte persönliche Daten von rund 180.000 Kunden der Berliner Verkehrsbetriebe BVG erbeutet. Die Berliner Datenschutzbeauftragte ist alarmiert. Betroffene könnten Anspruch auf Schadensersatz haben.

Artikel lesen
Personalverwaltungssoftware "Workday" 08.05.2025
Datenschutz

BAG zu DSGVO-Verletzung nach Betriebsvereinbarung:

Scha­dens­er­satz nach Kon­troll­ver­lust von Daten über "Workday"

Ein Unternehmen nutzt Echtdaten, um eine neue Software zu testen – und übermittelt dabei deutlich mehr Informationen als vereinbart. Das Bundesarbeitsgericht stellt klar: Betriebsvereinbarungen sind kein Persilschein für Datenschutzverstöße.

Artikel lesen
Tiefgarage (Symbolbild) 05.05.2025
Schadensersatz

AG München zum Tiefgaragen-Unfall:

Beton­klötze in ihrem natür­li­chen Habitat

Betonsockel in einer Tiefgarage sind kein überraschendes Hindernis, so das AG München. Eine BMW-Fahrerin, die sich in der unterirdischen Parkeinrichtung eine hübsche Delle in die Tür gefahren hatte, bleibt damit auf ihrem Schaden sitzen.

Artikel lesen
Beschädigte Tür 02.05.2025
Schadensersatz

LG Köln zum Dazwischentreten Dritter:

Polizei tritt Tür ein, Mieter haften

Eine Tür wird von der Polizei aufgebrochen – zahlen müssen am Ende nicht etwa die Beamten oder der Staat, sondern die Mieter. Warum das so ist, hat jetzt das LG Köln entschieden.

Artikel lesen
Rauchwarnmelder 22.04.2025
Stiftung Warentest

Millionenverlust droht:

Stif­tung Waren­test zu Scha­dens­er­satz ver­ur­teilt

Ein "mangelhaft" von Stiftung Warentest kann Firmen Millionen kosten. Das LG Frankfurt verurteilte die Stiftung jetzt zum ersten Mal zu Schadensersatz wegen eines “unvertretbaren" Tests. Der Stiftung droht nun selbst ein Millionenverlust.

Artikel lesen
Ein Vater mit einem Baby auf der Brust (Symbolbild). 01.04.2025
Elternzeit

LG Berlin II sieht EU-Recht umgesetzt:

Vater schei­tert mit Klage wegen feh­lenden "Vater­schafts­ur­laubs"

In Deutschland können Väter nach der Geburt Elternzeit nehmen, aber nicht den von der EU vorgesehenen "Vaterschaftsurlaub". Laut LG hat Deutschland die Richtlinie aber hinreichend umgesetzt – es weist eine Klage auf Schadensersatz ab.

Artikel lesen
logo lto karriere
TopJOBS
Logo von Oppenhoff
Re­fe­ren­da­re (m/w/d) al­le Fach­be­rei­che

Oppenhoff , Frank­furt am Main

Logo von Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg
Staats­an­wäl­tin (Rich­te­rin auf Pro­be) / Staats­an­walt (Rich­ter auf Pro­be)...

Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg , Pots­dam

Logo von Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg
Staats­an­wäl­tin (Rich­te­rin auf Pro­be) / Staats­an­walt (Rich­ter auf Pro­be)...

Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg , Cott­bus

Logo von Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg
Staats­an­wäl­tin (Rich­te­rin auf Pro­be) / Staats­an­walt (Rich­ter auf Pro­be)...

Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg , Neu­rup­pin

Logo von BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB
Rechts­an­walt (w/m/d) für Fi­nan­cial Li­nes

BLD Bach Langheid Dallmayr Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB , Dort­mund

Logo von ARQIS
Prak­ti­kan­ten (m/​w/​d) AR­QIS Sum­mer School 2025

ARQIS , Düs­sel­dorf

Logo von RechtDialog Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Rechts­an­wäl­te (m/w/d) als An­ge­s­tell­te oder in frei­er Mit­ar­beit

RechtDialog Rechtsanwaltsgesellschaft mbH , 100% Re­mo­te

Logo von European XFEL GmbH
La­wy­er (f/m/d)

European XFEL GmbH , Sche­ne­feld

Mehr Stellenanzeigen
logo lto events
Arbeitszeit im Fokus

19.05.2025

Karriere-Powerworkshops "Erfolgsfaktor Personal Branding"

20.05.2025

Juristinnen netzwerken ... - After Work live in Köln

22.05.2025, Köln

Rechnungslegung in der Non-Profit-Organisation

20.05.2025

Online Info Session Jurastudium (LL.B., EjP)

21.05.2025

Mehr Events
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH