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EGMR: Türkei muss Yücel für Unter­su­chungs­haft ent­schä­d­igen

25.01.2022

Deniz Yücel, Journalist, sitzt bei einem Fototermin vor der Verleihung des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises im November 2021

Die Türkei muss nach dem Urteil des EGMR Deniz Yücel eine Entschädigung zahlen, weil seine Inhaftierung im Februar 2017 gegen die Menschenrechte verstieß (Foto: picture alliance/dpa | Rolf Vennenbernd)

Ein Jahr lang saß der Journalist Deniz Yücel in Untersuchungshaft in einem Istanbuler Hochsicherheitsgefängnis. Die Türkei habe damit seine Menschenrechte auf Freiheit, Sicherheit und Meinungsäußerung verletzt, so der EGMR.

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Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Türkei wegen der Inhaftierung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel verurteilt. Die Untersuchungshaft sei unangemessen gewesen und habe die Menschenrechte Yücels auf Freiheit und Sicherheit sowie auf freie Meinungsäußerung verletzt, heißt es in dem Urteil, das am Dienstag schriftlich verkündet wurde. Ankara muss nun 12.300 Euro Schadensersatz an den Journalisten zahlen und ihm die entstandenen Verfahrenskosten in Höhe von 1.000 Euro erstatten (Beschwerdenummer 27684/17).

Der Welt-Korrespondent war von Februar 2017 bis Februar 2018 im Hochsicherheitsgefängnis Silivri westlich von Istanbul inhaftiert. Erst nach langem politischen Tauziehen zwischen Ankara und Berlin kam Yücel frei und konnte ausreisen, gleichzeitig wurde Anklage erhoben. Im Juli 2020 wurde der Journalist dann in Abwesenheit wegen Terrorpropaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK zu rund zwei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt. Das Verfahren befindet sich in Revision.

Update: Yücel will Urteil dennoch anfechten

In dem Urteil aus Straßburg heißt es nun, es habe keine plausiblen Gründe gegeben, Yücel einer Straftat zu verdächtigen. Die Richter:innen hielten außerdem fest, dass es schädlich für die Meinungsfreiheit in einer Gesellschaft sei, wenn Menschen verhaftet würden, die kritische Meinungen äußerten.

Yücel bezeichnete das Urteil auf Twitter als weitgehend "gut". Er begrüßte, dass das Gericht die Rechtswidrigkeit seiner Verhaftung und des Hafturteils festgestellt habe. "Enttäuschend ist hingegen, dass der EGMR keinen Verstoß gegen das Folterverbot festgestellt hat" - trotz der neunmonatigen Isolationshaft und trotz der körperlichen und psychischen Misshandlung, der er drei Tage lang ausgesetzt gewesen sei.

Auch habe das Gericht nicht die politische Motivation des Verfahrens festgestellt. Deswegen kündigte er an, das Urteil in diesen Punkten anfechten zu wollen. Das Straßburger Gericht hatte sich mit der Frage der politischen Motiviertheit gar nicht befasst und stattdessen auf die anderen festgestellten Menschenrechtsverletzungen verwiesen.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat Yücel mehrmals öffentlich angegriffen, noch bevor er verurteilt wurde. "Wenn das Verfahren nicht politisch motiviert gewesen sein soll, dann weiß ich nicht, was sich das Gericht unter einem politisch motivierten Verfahren ausmalt", sagte Yücel.

Besonders seit dem Putschversuch 2016 ist in der Türkei der Druck auf kritische Stimmen massiv, viele Journalisten wurden zu Haftstrafen verurteilt, andere stehen auch heute noch vor Gericht. Erst vergangene Woche wurde eine Journalistin verhaftet, weil sie sich im TV kritisch über Präsident Recep Tayyip Erdogan geäußert hatte.

Die Medienlandschaft steht - direkt oder indirekt - fast vollständig unter Kontrolle der Regierung. Der Präsident des EGMR, Róbert Ragnar Spanó, sagte, der Fall Yücel sei vergleichbar mit vielen Beschwerden gegen die Türkei, die sein Haus derzeit bearbeite.

dpa/mgö/LTO-Redaktion

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EGMR: . In: Legal Tribune Online, 25.01.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47311 (abgerufen am: 14.05.2025 )

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