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Mollaths Verfassungsbeschwerde erfolgreich: Begründung der Unterbringung zu knapp

05.09.2013

Gustl Mollath

Foto: Screenshot Youtube

Die Verfassungsbeschwerde des jahrelang gegen seinen Willen in der Psychiatrie untergebrachten Gustl Mollath ist erfolgreich. Das BVerfG gab am Donnerstag seiner Verfassungsbeschwerde gegen Entscheidungen des LG Bayreuths und des OLG Bamberg statt. Die Verfassungsrichter waren der Ansicht, dass die in den Beschlüssen aufgeführten Gründe die Fortdauer der Unterbringung nicht rechtfertigen konnten und verwiesen die Sache zurück an das OLG.

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Gustl Mollath ist mittlerweile zwar aus der Psychatrie entlassen worden, weil das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens angeordnet hatte. Dennoch waren die Verfassungsricht der Ansicht, dass der Mann weiter ein schutzwürdiges Interesse an der nachträglichen verfassungsrechtlichen Überprüfung der Unterbringungsbeschlüsse hat. Diese seien immerhin die Grundlage für einen tiefgreifenden Eingriff in seine Freiheit gewesen.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hielt die Verfassungsbeschwerde für offensichtlich begründet. Die Beschlüsse verletzten Mollath in seinem Grundrecht auf Freiheit der Person in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Sache wurde deshalb zur erneuten Entscheidung ans OLG Bamberg zurückverwiesen.

Bei langandauernder Unterbringung höhrere Anforderungen an Begründung

Entscheidungen über den Entzug der persönlichen Freiheit müssten nämlich auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben. Der Strafvollstreckungsrichter dürfe die Prognoseentscheidung insbesondere nicht dem Sachverständigen überlassen. Dabei müsse der Richter nicht nur das frühere Verhalten des Untergebrachten und die von ihm bislang begangenen Taten erwägen, sondern auch auf veränderte Umstände eingehen, die für die künftige Entwicklung bestimmend sein können. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebiete es zudem, die Unterbringung nur zu vollstrecken, solange dies erforderlich sei und weniger belastende Maßnahmen nicht ausreichten.

Bei langdauernden Unterbringungen wie im Fall Mollath seien höhere Anforderungen an die Begründung der Unterbringungsentscheidung zu stellen. Der Bewertungsrahmen des Strafvollstreckungsrichters sei dann eingeengt, während die verfassungsgerichtliche Kontrolldichte wachse. Der Richter dürfe sich nicht mit knappen, allgemeinen Wendungen begnügen, sondern müsse seine Bewertung substantiiert offenlegen. Vor allem müsse die Wahrscheinlichkeit weiterer Straftaten konkretisiert werden.

BVerfG: Vollstreckungsgerichte lassen eigenständige Prüfung vermissen

Diesen Anforderungen genügten die Beschlüsse nicht, so das BVerfG. Die Karlsruher Richter warfen ihren beteiligten Kollegen in Bayern vor, ihre Würdigungen nicht eingehend genug abgefasst, sondern sich mit knappen, allgemeinen Wendungen begnügt zu haben. Es werde bereits nicht ausreichend konkretisiert, dass weiter die Gefahr bestehe, dass Mollath straffällig werde.

Das LG habe sich insbesondere nicht damit auseinandergesetzt, dass die Darlegungen des Sachverständigen zur Wahrscheinlichkeit künftiger Strafaten im schriftlichen Gutachten und in der mündlichen Anhörung voneinander abwichen. Im Rahmen einer eigenständigen Bewertung hätte es darlegen müssen, welche Straftaten konkret von Mollath zu erwarten sind, warum der Grad der Wahrscheinlichkeit derartiger Straftaten sehr hoch ist und auf welche Anknüpfungs- und Befundtatsachen sich diese Prognose gründet.

Im August 2006 sprach das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth Mollath von den Vorwürfen der gefährlichen Körperverletzung, der Freiheitsberaubung sowie der Sachbeschädigung frei und ordnete seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Das Gericht hielt den objektiven Tatbestand der angeklagten Straftatbestände für erfüllt, konnte aber nicht ausschließen, dass der Angeklagte zu den Tatzeitpunkten wegen einer paranoiden Wahnsymptomatik schuldunfähig gewesen war. Da es weitere erhebliche Straftaten befürchtete, hielt es eine Unterbringung für geboten.

2011 ordnete das LG Bayreuth die Fortdauer der Unterbringung an, da es nicht erwartete, dass Mollath außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen werde. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde verwarf das OLG Bamberg als unbegründet.

dpa/cko/LTO-Redaktion

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Mollaths Verfassungsbeschwerde erfolgreich: . In: Legal Tribune Online, 05.09.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9499 (abgerufen am: 07.11.2025 )

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