Ob auch nachts ein Richter erreichbar sein sollte, um etwa Durchsuchungen abzusegnen, müssen sich Gerichte wenigstens einmal fragen. Tun sie das nicht, kann eine solche auch dann rechtswidrig sein, wenn die Ermittler alles richtig machen.
Gerichte sind verfassungsrechtlich verpflichtet, zum Beispiel zur Anordnung nächtlicher Wohnungsdurchsuchungen die Erreichbarkeit eines Ermittlungsrichters sicherzustellen. Zwischen sechs Uhr morgens und 21 Uhr muss ein Richter demnach immer erreichbar sein. Nachts ist ein Bereitschaftsdienst zumindest dann ein Muss, wenn er nicht nur ausnahmsweise gebraucht wird. Ob auch rund um die Uhr Bedarf bestehe, haben die Gerichtspräsidien zudem wenigstens zu überprüfen, wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einem Beschluss klarstellte, der am Freitag veröffentlicht wurde (Beschl. v. 12.03.2019, Az. 2 BvR 675/14).
Vor das BVerfG gelangte der Fall, weil ein Mann sich unter anderem gegen eine von der Staatsanwaltschaft Rostock angeordnete Wohnungsdurchsuchung wehrte. Im September 2013 ordnete sie an einem Samstag um 04.44 Uhr morgens eine Durchsuchung an, nachdem Rettungskräfte den Mann in einem akuten Rauschzustand in seiner Wohnung auffanden. Da die Sanitäter vermuteten, dass der Mann Betäubungsmittel zu sich genommen hatte, verständigten sie die Polizei. Auf der Suche nach Ausweisdokumenten betraten die Beamten die Wohnung und fanden dabei unter anderem zwei große Tüten Cannabis.
Da die Polizisten den Mann daraufhin verdächtigten, mit Betäubungsmitteln zu handeln, kontaktierten sie die Staatsanwaltschaft, um die Wohnung weiter durchsuchen und Beweise beschlagnahmen zu dürfen. Die Staatsanwaltschaft gab grünes Licht - allem Anschein nach aber ohne überhaupt versucht zu haben, einen Richter zu erreichen. Im Regelfall besteht aber ein Richtervorbehalt. Nur in engen Ausnahmefällen kann die Staatsanwaltschaft selbst eine Wohnungsdurchsuchung anordnen, etwa dann, wenn Gefahr im Verzug vorliegt.
BVerfG sieht die Gerichte in der Pflicht
Dieser Begriff ist nach der Rechtsprechung des BVerfG aber eng auszulegen und liegt nur dann vor, wenn schon der bloße Versuch, einen Richter zu erreichen, zu einer solchen zeitlichen Verzögerung führen würde, dass der Erfolg der Durchsuchung gefährdet wird. Wie das BVerfG nun klarstellte, sind Gerichte verpflichtet, für einen ausreichenden Bereitschaftsdienst von Richtern zu sorgen. Das gilt für die Nachtzeit zwar nur in Ausnahmefällen. Ob ein solcher Ausnahmefall vorliegt, muss von den Gerichten aber wenigstens geprüft werden. Dabei sei ihnen ein gewisser Beurteilungsspielraum einzuräumen.
Im vorliegenden Fall war der zuständige Ermittlungsrichter samstags nur zwischen zehn Uhr vormittags und zwölf Uhr mittags anwesend. Danach gab es eine Rufbereitschaft, aber auch nur bis 21 Uhr. Ob nachts ein Bereitschaftsdienst erforderlich gewesen wäre, hat das zuständige Gericht nach Ansicht des BVerfG hingegen nicht geprüft.
Unterlassen die Gerichte schon diese Prüfung und stützen die Ermittlungsbehörden ihre Durchsuchungsanordnung deshalb auf Gefahr im Verzug, weil sie wissen, dass sowieso kein Bereitschaftsdienst eingerichtet ist, der erreicht werden könnte, so sei eine solche Durchsuchung rechts- und verfassungswidrig, entschieden die Karlsruher Richter.
tik/LTO-Redaktion
mit Materialien von dpa
BVerfG zur nächtlichen Wohnungsdurchsuchung: . In: Legal Tribune Online, 29.03.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34659 (abgerufen am: 05.12.2024 )
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