Weil er auf einem Kirchenaltar Liegestütze machte und sich dabei filmen ließ, wurde ein Künstler zu einer Geldstrafe in Höhe von 700 Euro verurteilt - unter anderem wegen Störung der Religionsausübung.
"Die Kunst- und Meinungsfreiheit hat nicht uneingeschränkt Geltung" betonte Staatsanwältin Carola Hilgers-Hecker in der Verhandlung. "Sie findet auch ihre Grenzen, zum Beispiel im Strafgesetz und im Grundrecht anderer." So weit, so schulbuchmäßig.
Weniger gewöhnlich kam aber der zugrunde liegende Sachverhalt daher. Der saarländische Künstler Alexander Karle hatte auf dem Altar einer katholischen Kirche Fitnessübungen durchgeführt und wurde dafür vom Amtsgericht Saarbrücken nun wegen Hausfriedensbruchs und Störung der Religionsausübung zu einer Geldstrafe in Höhe von 700 Euro verurteilt (Urt. v. 17.01.2017, Az.: 115 Cs 192/16).
Auf einem Video war zu sehen, wie der Mann in der katholischen Kirche St. Johann in Saarbrücken über eine rote Absperrkordel stieg, den Altar erklomm, dort stolze 27 Liegestütze machte und anschließend wieder herunter stieg. Der folgende Ärger wäre ihm vielleicht erspart geblieben, hätte er nicht das Video unter dem Titel "Pressure to perform" ("Leistungsdruck") in einem Schaufenster und bei Ausstellungen öffentlich gezeigt.
Verteidiger: "Kein beschimpfender Charakter"
Daraufhin erhielt Karle zunächst einen Strafbefehl über 1.500 Euro, gegen den er Widerspruch einlegte, womit die Sache vor dem Amtsgericht landete. Dort verteidigte er sich unter Verweis auf die Kunstfreiheit und forderte einen Freispruch.
Weiterhin argumentierte Karles Verteidiger Robin Sircar, sein Mandant habe niemanden beleidigen oder verhöhnen wollen: "Es mag Unfug gewesen sein, aber ein beschimpfender Charakter war es nicht". Der Angeklagte selbst gab an, er habe der Symbolkraft des Altars "ein anderes Symbol zufügen" wollen. Über die Gefühle der Gläubigen habe er sich zu diesem Zeitpunkt keine Gedanken gemacht. Streit und Dialog seien aber ein wichtiger Bestandteil der Demokratie.
Tatsächlich fordert der Tatbestand des § 167 Abs. 1 Nr. 2 Strafgesetzbuch (StGB), nach dem die Verurteilung unter anderem erfolgte, einen beschimpfenden Charakter der fraglichen Handlung.
Kunstfreiheit: "nicht immer und überall"
Richterin Judith Simon zeigte sich in ihrem Urteil davon unbeeindruckt. Der Künstler habe an diesem Tag eine Grenze überschritten: "Dem Angeklagten fehlt im Umgang mit anderen das Gespür für das, was angemessen ist". Wenn ein Altar einer Turnmatte gleichgesetzt werde, bringe dies objektiv eine Missachtung zum Ausdruck. Ob es sich bei der Aktion um Kunst gehandelt habe, könne deshalb dahinstehen. Auch die Kunstfreiheit könne nicht zu jeder Zeit und an jedem Ort verwirklicht werden.
Mit Rücksicht auf die Einkommensverhältnisse des 38-Jährigen wurde die Höhe der Tagessätze zwar reduziert, mit 70 Tagessätzen ging die Richterin im Urteil aber über die von der Anklage geforderten 60 hinaus. Der Verurteilte will gegen das Urteil in Berufung gehen.
In jedem Fall sorgte Karles Aktion für Diskussionen in der Gemeinde. Wie Pfarrer Christian Heinz ankündigte, soll der Vorfall nun mit Jugendlichen besprochen werden. Dazu will man möglicherweise auch den Künstler einladen und sein Video zeigen.
dpa/mam/LTO-Redaktion
Aktionskünstler verurteilt: . In: Legal Tribune Online, 18.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21810 (abgerufen am: 06.12.2024 )
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