Eine Vormundschaft soll laut Gesetzgeber ein Einzelner übernehmen. Ausnahmen sind Ehepaare, die sich die Aufgabe auch teilen können. Gleiches Recht für alle, urteilte jetzt das AG München - und schloss damit eine Regelungslücke.
Das Amtsgericht (AG) München hat entschieden, dass zwei Pflegemütter die Vormundschaft für ein Kind gemeinsam übernehmen dürfen. Die beiden Frauen, die in einer eingetragenen Lebensgemeinschaft zusammenleben, hatten die Vormundschaft für ihren zehn Jahre alten Pflegesohn, der seit Jahren bei ihnen lebte, gemeinsam beantragt.
Die beiden Frauen beantragten beim AG die gemeinschaftliche Vormundschaft für den Jungen. Gegenüber der Rechtspflegerin am AG erklärte der Junge, dass er gerne möchte, dass seine beiden Pflegmütter für ihn Entscheidungen treffen. Das Jugendamt hielt die beiden Pflegemütter für geeignet und unterstützte den Wunsch des Kindes.
Die Rechtspflegerin entschied, dass die beiden Pflegemütter gemeinsam seine neuen Vormünder werden können. Nach der Auffassung des Gerichts ist dieser Fall nicht im Gesetz geregelt. Denn für ein Mündel soll nach § 1775 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) grundsätzlich nur ein Vormund bestellt werden, außer es gibt besondere Gründe, warum mehrere Vormünder bestellt werden sollten. Das war hier nicht der Fall. Beide Mütter hätten die Vormundschaft auch alleine ausüben können. § 1775 Satz 1 BGB lässt es jedoch zu, dass bei einem Ehepaar beide Partner gemeinschaftlich zu Vormündern bestellt werden können. Nach Ansicht des Gerichts liegt in der Vorschrift des § 1775 S. 1 BGB eine Diskriminierung gleichgeschlechtlicher eingetragener Partnerschaften im Vergleich zu Ehepartnern.
Bestellung nur einer Pflegemutter widerspricht Kindeswohl
Das Gericht verwies auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Sukzessiv- und Stiefkindadoption, bei dem das BVerfG bereits Grundrechtsverletzungen sowohl der betroffenen Kinder als auch der Lebenspartner festgestellt hatte. In Folge dieser Entscheidung habe der Gesetzgeber § 9 Absatz 7 Lebenspartnergesetz entsprechend abgeändert, so dass es jetzt für gleichgeschlechtliche Lebenspartner ein Sukzessivadoptionsrecht für beide gibt. "Nachdem der Gesetzgeber die Sukzessivadoption zulässt, ist nicht nachvollziehbar, weshalb dann eingetragene Lebenspartner nicht auch - wie Ehepaare - gemeinschaftlich zu Vormündern bestellt werden können sollten, ohne dass hierfür besondere Gründe vorliegen müssen", so die Begründung des Beschlusses.
Die Bestellung nur einer Pflegemutter würde um Übrigen auch dem Kindeswohl widersprechen, da sich beide gleichwertig um das Kind kümmern. "Schon alleine deswegen wäre es diskriminierend, nach der 'Würfelmethode' nur einen Vormund auszuwählen und hierdurch die andere Pflegemutter grundlos im Familienverband zurückzusetzen".
acr/LTO-Redaktion
Mit Materialien der dpa
AG München zu eingetragener Lebensgemeinschaft: . In: Legal Tribune Online, 05.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20219 (abgerufen am: 10.12.2024 )
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