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Nach Holocaust-Relativierung im Kanzleramt: Kein Straf­ver­fahren wegen Volks­ver­het­zung gegen Mahmud Abbas

11.12.2023

Palästinenserpräsident Abbas und Bundeskanzler Scholz auf der Pressekonferenz im August 2022

Bundeskanzler Scholz war scharf dafür kritisiert worden, dass er nicht (verbal) einschritt, als Palästinenserpräsident Mahmud Abbas den Holocaust relativierte. Foto: picture alliance / EPA | CLEMENS BILAN

August 2022: Im Beisein des sprachlosen Bundeskanzlers warf Palästinenserpräsident Abbas Israel "50 Holocausts" an Palästinensern vor. Obwohl dies laut GenStA Berlin den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt, wird es keine Anklage geben.

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Palästinenserpräsident Mahmud Abbas besuchte im August 2022 auf Einladung der Bundesregierung Deutschland. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Kanzleramt warf er Israel vielfachen "Holocaust" an den Palästinensern vor und löste damit eine Welle der Empörung aus. "Israel hat seit 1947 bis zum heutigen Tag 50 Massaker in 50 palästinensischen Dörfern und Städten begangen", sagte Abbas damals und fügte hinzu: "50 Massaker, 50 Holocausts." Scholz bezeichnete die Aussagen später als eine "empörende Entgleisung". Der Bundeskanzler war selbst dafür in die Kritik geraten, dass er den Aussagen nicht noch in der Pressekonferenz widersprochen hatte.

Für Abbas haben die Aussagen vorerst keine strafrechtlichen Konsequenzen. Es werde kein Ermittlungsverfahren eingeleitet, teilte die Generalstaatsanwaltschaft (GenStA) Berlin am Montag mit. Zwar hat Abbas nach Auffassung der Behörde den Straftatbestand der Volksverhetzung verwirklicht. Er genieße aber Immunität, sodass ein Verfahrenshindernis bestehe. Keine Ermittlungen heißt auch: keine Anklage und kein Strafprozess.

Mit ihrer Einschätzung bestätigte die GenStA im Ergebnis die Entscheidung der Staatsanwaltschaft (StA) Berlin, ein Ermittlungsverfahren gar nicht erst einzuleiten.

GenStA: Abbas-Aussagen verharmlosen den Holocaust

In der Begründung wich die GenStA jedoch von der StA ab: Anders als die untergeordnete Behörde sieht die GenStA den Straftatbestand der Volksverhetzung in der Variante der Holocaust-Verharmlosung (§ 130 Abs. 3 Strafgesetzbuch, StGB) als verwirklicht an. Die Äußerungen von Abbas stellten einen den Holocaust verharmlosenden Vergleich dar und seien geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören, teilte ein Behördensprecher mit.

Wegen der Äußerungen von Abbas wurden nach Behördenangaben bei der Berliner Polizei und bei der GenStA zwei Strafanzeigen erstattet. Dafür zuständig sei die Staatsanwaltschaft gewesen. Diese haben das Verfahren ohne Aufnahme von Ermittlungen eingestellt, weil sie den Tatbestand der Volksverhetzung nicht als verwirklicht ansah, hieß es.

Dagegen legten die Anzeigenerstatter Beschwerde ein. Diese seien zumindest bezüglich der strafrechtlichen Einordnung der Äußerungen erfolgreich gewesen, so die GenStA. "Der von Abbas angestellte Vergleich entbehrt offenkundig einer objektiven Tatsachengrundlage, denn die Situation der palästinensischen Bevölkerung seit der Gründung des Staates Israel ist nicht ansatzweise mit der Lage der jüdischen Bevölkerung Europas unter der Herrschaft der Nationalsozialisten vergleichbar und bagatellisiert sowohl die Quantität als auch die Qualität der damals begangenen Gräueltaten", so die Behörde.

Absatz 3 des Volksverhetzungsparagrafen 130 StGB stellt nicht nur die Leugnung, des Holocaust unter Strafe, sondern auch dessen quantitative und/oder qualitative Verharmlosung.

Auch Palästinenserpräsident genießt diplomatische Immunität

Dass Abbas für seine Aussagen trotzdem nicht angeklagt wird, liegt an seinem Status als Repräsentant der palästinensischen Autonomiegebiete. § 20 Abs. 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) sieht vor, dass eine Strafverfolgung nicht gegen "Repräsentanten anderer Staaten und deren Begleitung" richtet, "die sich auf amtliche Einladung der Bundesrepublik Deutschland im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhalten".

Obwohl die Bundesrepublik Deutschland die palästinensischen Autonomiegebiete bislang nicht als Staat anerkennt, folgt nach Auffassung der GenStA aus der Regelung ein Verfahrenshindernis; § 20 Abs. 1 GVG sei zugunsten von Abbas analog anzuwenden. Auch in Bezug auf Palästina greife der Zweck der Vorschrift ein, "Kontakte zwischen Völkerrechtssubjekten – zu denen auch die palästinensischen Autonomiegebiete gehören – auf höchster Regierungsebene von den sich durch eine Strafverfolgung ergebenden Problemen freizuhalten".

Ein Sprecher des Auswärtigen Amts hatte bereits nach dem Vorfall im August 2022 die Einschätzung geäußert, für Abbas gelte die völkerrechtliche Immunität, weil er in seiner Funktion als Repräsentant der Palästinensischen Autonomiebehörde gehandelt habe.

Abbas wurde im Januar 2005 für vier Jahre gewählt. Seitdem fanden keine Wahlen mehr statt, sodass er seit Anfang 2009 ohne demokratische Legitimation regiert.

jb/LTO-Redaktion mit Material der dpa

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Nach Holocaust-Relativierung im Kanzleramt: . In: Legal Tribune Online, 11.12.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53388 (abgerufen am: 09.11.2025 )

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