Für das Konzert der Rolling Stones in Hamburg 2017 haben manche Fans viel Geld ausgegeben. Mitarbeitende des Bezirksamtes kamen dagegen in den Genuss von Freikarten. Die Dezernatsleiterin "fühlte sich verpflichtet", die Karten anzunehmen.
Fast vier Jahre nach einem Konzert der Rolling Stones im Hamburger Stadtpark und der damit zusammenhängenden "Freikartenaffäre" hat das zweite Gerichtsverfahren begonnen (Az. 248a Ds 28/19). Die angeklagte Dezernatsleiterin des Bezirksamts Nord wies zu Beginn der Verhandlung vor dem Amtsgericht (AG) Hamburg alle Vorwürfe zurück. Sie sei davon ausgegangen, dass es sich um eine repräsentative Aufgabe handelte - auch die Vorgehensweise schien ihr vollkommen korrekt, da die Karten von ihrem Chef, dem damaligen Bezirksamtsleiter Harald Rösler (SPD), gekommen seien.
Der 56-Jährigen wird vorgeworfen, zwei Tribünenfreikarten im Wert von 336,80 Euro angenommen zu haben. Die Anklage lautet also auf Vorteilsnahme (§ 331 StGB). Die beiden Tickets gehörten zu einem Kontingent von 100 Freikarten, die Rösler vom Konzertveranstalter verlangt haben soll. Außerdem wird ihr vorgeworfen, "die nicht genehmigungsfähige Inanspruchnahme weiterer Freikarten durch vier Bezirksamtsmitarbeiter als deren Dienstvorgesetzte geduldet zu haben" - also Verleiten eines Untergebenen zu einer Straftat (§ 357 StGB). In einem ersten Verfahren Ende 2019 war bereits eine ehemalige Staatsrätin zu einer Geldstrafe in Höhe von 20.400 Euro verurteilt worden.
Die Angeklagte betonte, dass sie sich zuvor persönlich um Kaufkarten bemüht habe, da sie privat mit einem Bekannten auf das Konzert gehen wollte. Die Stehplatzkarten hätten jeweils 290 Euro gekostet. Mitte Mai habe sie dann eine E-Mail von ihrem Chef erhalten, wonach sie zwei von 100 Freikarten bekommen könne. "Ich fühlte mich verpflichtet, die Karten anzunehmen", sagte die 56-Jährige, da sie das Bezirksamt repräsentieren sollte. Außerdem sei sie für den Katastrophenschutz zuständig und da sei es sinnvoll, wenn sie vor Ort sei, sollte etwas passieren. Ein Jurist des Bezirksamtes habe den Vorgang kontrolliert, daher habe sie gedacht, alles sei in Ordnung.
Leider habe in der Mail jedoch eine dezidierte Formulierung für die Mitarbeiter gefehlt. "Ich bedauere wirklich zutiefst, durch einen Irrtum Teil eines Vorgangs zu sein, der dem Ansehen von der Verwaltung in der Öffentlichkeit geschadet hat", sagte die Dezernatsleiterin. Auch die anderen Mitarbeitenden hätten aus Repräsentationsgründen an dem Konzert teilnehmen sollen, das sei bei Veranstaltungen oft üblich.
Rund 82.000 Fans hatten das Konzert der legendären Rockband besucht. Die Tickets kosteten zwischen 100 und knapp 900 Euro. Der Prozess soll am 13. August fortgesetzt werden.
dpa/jb/LTO-Redaktion
Prozessbeginn vor dem AG Hamburg: . In: Legal Tribune Online, 06.08.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45679 (abgerufen am: 06.12.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag