Viele US-Unternehmen warten nicht nur ab, wie sich Trumps Politik für sie auswirken wird, sie kritisieren diese bereits. Günther Heckelmann erklärt, warum sie das nicht nur wegen der Gefahr wirtschaftlicher Einbußen tun.
Zwar lässt sich "die Wirtschaft" nicht per se über einen Kamm scheren; zu unterschiedlich sind die Interessen der Einzelunternehmen und Industriesektoren. Unbeschadet dieser Differenzen haben sich in den vergangenen Jahren dennoch Konstanten und Trends in der Entwicklung des Verhältnisses der meisten Unternehmen zur Politik in den USA gezeigt.
Während es zu Zeiten der Obama-Administration häufig Skepsis vieler Unternehmen gegenüber der Politik in Bezug auf regulatorische Eingriffe des Staates in das wirtschaftliche Geschehen gab, haben die allermeisten Unternehmen den Einsatz der Regierung für den Freihandel gestützt. Außerdem herrschte in Bezug auf eine offene und tolerante "social value agenda" ein hohes Maß an Übereinstimmung: Teilhabe und Förderung von Minderheiten, Integration von Menschen aus anderen Kulturkreisen, Inklusion und Diversity waren Themen, bei denen die großen Konzerne und die Obama-Regierung im Wesentlichen d'accord gingen.
Den Zielen einer von Offenheit und Toleranz geprägten sozialen Werte-Agenda sind die meisten der großen Konzerne sowieso seit langem verpflichtet. Sie sind für sie Kern ihres eigenen Wertegerüsts sowie ihrer angestrebten Wahrnehmung im gesellschaftlichen Raum und bei den Mitarbeitern. Da die gleichen Ziele auch Kern der Obama-Agenda in diesem Bereich waren, haben sich hier vielfältige Berührungspunkte ergeben.
Bruch mit den Republikanern, wirtschaftlicher Einfluss auf Politik
Vor diesem Hintergrund war es auch nicht verwunderlich, dass in den letzten Jahren gleichzeitig im Bereich dieser sozialen Werte ein erst schleichender, später deutlicher Bruch zwischen den großen Unternehmen und dem derzeit dominanten konservativ-evangelikalen Flügel der republikanischen Partei stattgefunden hat.
Die konservativ Evangelikalen lehnen die liberaleren Positionen der social value agenda, insbesondere zum Thema Homosexualität, streng ab und sind in großen Teilen stark ethnozentrisch geprägt. Diese Überzeugungen kollidieren in starkem Maße mit dem überwiegend multiethnischen, inklusiven und den Diversitäten verpflichteten Ansatz von Unternehmen, insbesondere bei großen internationalen Konzernen.
Die vermutlich symbolträchtigste Kollision dieser Wertvorstellungen hat sich am Beispiel des "North Carolina Bathroom Law" gezeigt. Der konservativ geprägte Gesetzgeber in North Carolina wollte durchsetzen, dass Transsexuelle nur diejenigen öffentlichen Toiletten benutzen dürften, die dem Geschlechtseintrag in der Geburtsurkunde entsprechen - und nicht diejenigen für das Geschlecht, dem sie sich jetzt zugehörig fühlen. Nachdem der Gesetzgeber dies so beschlossen hatte, haben sich nicht nur viele andere Bundesstaaten davon distanziert und sogar Reiserestriktionen für Staatsmitarbeiter nach North Carolina beschlossen, sondern auch viele große Unternehmen, die daraufhin teilweise Investitionen in North Carolina gestoppt haben. Bald darauf leitete der US-Bundesstaat Maßnahmen zur Rücknahme des Gesetzes ein, um weiteren wirtschaftlichen Schaden abzuwenden.
2/2: Einreisestopp erzeugt Widerstand
Nachdem die Trump Regierung ins Amt gekommen ist, scheinen viele Unternehmen erst einmal abzuwarten, welche Grundrichtung die Administration einschlägt und wie sie die jeweiligen Unternehmensinteressen berührt. Hinweise auf mögliche Deregulierungen wurden überwiegend positiv aufgenommen. Die protektionistischen Tendenzen stoßen überwiegend auf Skepsis. In Teilen wurden mit den staatlichen Institutionen bereits Jobsicherungs-Vereinbarungen abgeschlossen oder in Aussicht gestellt. Im Hinblick auf die social value agenda war zunächst Abwarten angesagt, in welche Richtung sich die Administration bewegen würde. Dies hat sich allerdings mit der Executive Order zum Einreisestopp aus bestimmten Ländern schlagartig geändert.
Viele Unternehmen, insbesondere große internationale Konzerne, haben die Anordnung weit überwiegend scharf kritisiert. Die Kritik stammt nicht nur daher, dass sie diesen Einreisestopp jenseits aller Sicherheitsüberlegungen in ihrer Diktion und ihrer Weite als deutliche Abkehr vom amerikanischen Grundprinzip der Offenheit für Einwanderung ansehen. Die Unternehmen äußern sich auch, weil sie ihre eigene Werteskala angegriffen sehen.
Nicht zuletzt befürchten sie auch erhebliche unternehmerische Beeinträchtigungen, auch im Hinblick auf Marktchancen und Mitarbeitermobilität. Mit der Anordnung hat Trump in den Augen vieler Unternehmen nicht nur den freiheitlichen und offenen amerikanischen "Markenkern" beeinträchtigt, sondern auch sie selbst erheblichen Nachteilen auf Märkten und in Bezug auf ihre Mitarbeiter ausgesetzt.
Der Super Bowl wird zum Politikum
Interessanterweise haben viele große Unternehmen auch ihre Commercials beim Super Bowl am vergangenen Sonntag ganz stark an dem Thema der Multikulturalität Amerikas in der heutigen Zeit orientiert: Coca-Cola, Anhäuser-Busch und Airbnb haben in den Werbespots Geschichten über multiethnische Einwanderer und ihren Wert für eine offene Gesellschaft erzählt. Ganz ohne Hintergedanken war das sicher nicht.
Wohin die Reise künftig gehen wird, vermag man derzeit noch nicht wirklich schlüssig zu beantworten. Vermutlich werden die Unternehmen zunächst eher zurückhaltend in der Bewertung der politischen Agenda der Regierung Trump bleiben, sich aber umgehend dort klar äußern, wo sie ihre eigenen Interessen beeinträchtigt sehen. Dies dürfte überwiegend im Bezug auf die protektionistischen Pläne, aber auch und gerade beim Thema einer offenen und toleranten social value agenda der Fall sein. Hier ist weiteres Konfliktpotential vorprogrammiert.
Der Autor Günther Heckelmann ist Partner mit Schwerpunkt im Arbeitsrecht und Chairman der Global Employment Practice Group bei Baker McKenzie.
Günther Heckelmann, US-Unternehmen kritisieren Trump-Politik: Es geht nicht nur ums Geld . In: Legal Tribune Online, 09.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22044/ (abgerufen am: 03.05.2024 )
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