Die Berliner Notarkammer warnt ihre Notare vor der Teilnahme an einer Umfrage des Juve-Verlags – der Grund: das Werbeverbot für Notare. Juve hält das für "absolut nicht nachvollziehbar". Sind die Amtsträger mit Anwälten vergleichbar?
Am 22. März tauchte beim Kurznachrichtendienst Twitter plötzlich ein abfotografiertes Schreiben auf: In dem internen Rundbrief weist die Notarkammer Berlin ihre Mitglieder daraufhin, dass die Teilnahme an einer aktuellen Umfrage des Juve-Verlags unter Notaren aus ihrer Sicht berufsrechtlich unzulässig sei. "Wir bitten um Beachtung", schreibt sie.
Das Schreiben mit dem Betreff "Berufsrechtlich unzulässige Datenerfassung durch den JUVE Verlag" verweist auf § 29 Abs. 1 Bundesnotarordnung (BNotO), der Notaren jedes gewerbliche Verhalten und insbesondere eine dem öffentlichen Amt widersprechende Werbung untersagt.
"Der Vorstand ist der Auffassung, dass die Teilnahme an der so gestalteten Umfrage standesrechtlich unzulässig ist", heißt es dort.
Juve versucht aktuell, bei den Notaren Daten mittels einer Online-Umfrage zu erheben. Der Branchendienst fragt offenbar fachliche Schwerpunkte der notariellen Beratung, Urkundszahlen, Referenzkontakte in Kanzleien und Unternehmen ab sowie ob die Notare "Legal Tech" einsetzen.
Bundesnotarkammer: "Mit öffentlichem Amt des Notars unvereinbar"
Auf Nachfrage von LTO will sich die Notarkammer Berlin nicht zu dem geleakten internen Rundschreiben äußern. Nach Recherchen von LTO hat die Berliner Kammer zur Zeit rund 700 Mitglieder, sie alle dürften Empfänger des Schreibens gewesen sein.
Die Bundesnotarkammer stellt sich in einem Statement hinter die Auffassung der Berliner Kollegen: "Die Teilnahme an der Umfrage dürfte eine dem öffentlichen Amt widersprechende Werbung i.S.d. § 29 Abs. 1 BnotO darstellen, da sie offenbar darauf abzielt, als 'besonders empfohlener' bzw. 'häufig empfohlener' Notar im JUVE Handbuch bzw. Ranking aufgeführt zu werden."
Aus dem geleakten Schreiben der Berliner Notarkammer an ihre Mitglieder geht u.a. hervor, dass die Online-Umfrage von Juve bei den angeschriebenen Notaren die Urkundszahlen für 2017 und Schwerpunktbereiche, also etwa Gesellschaftsrecht oder Immobilienrecht, der Notare abfragt.
Das interne Berliner Rundschreiben hält das ebenfalls für berufsrechtlich kritisch. Und auch die Bundesnotarkammer schließt sich dem an: "Durch Aufführung in der dortigen Liste könnte Rechtsuchenden der Eindruck vermittelt werden, dass der Notar – insbesondere in den dort angegebenen fachlichen Schwerpunktbereichen, im Falle einer Angabe der Urkundszahlen aber auch allgemein aufgrund des Umfangs seiner Geschäftstätigkeit – über eine besondere Expertise verfügt, die ihn von anderen Notaren abhebt." Gegenüber LTO betont sie weiter in ihrem Statement: "Dies würde eine wertende Selbstdarstellung des Notars und seiner Dienste darstellen, die mit der Stellung des Notars als Träger eines öffentlichen Amtes nicht vereinbar ist".
Damit stützt sie sich auf einen Punkt aus den Richtlinien, die sich die Notarkammern der Länder geben und die sich an den Empfehlungen der Bundesnotarkammer orientieren. Die Richtlinien konkretisieren das Verbot aus § 29 Abs. 1 BNotO. Auch die Berliner Notarkammer weist darauf in ihrem Schreiben ausdrücklich hin: "Im Übrigen verweisen wir auf Abschnitt VII. 1.4. und 3. unserer Richtlinien, wonach der Notar eine dem öffentlichen Amt widersprechende Werbung durch Dritte nicht dulden darf und sich ferner nur in solchen allgemein zugänglichen Verzeichnissen aufnehmen lassen darf, die allen örtlichen Notaren offen stehen."
Die Bundesnotarkammer kommt zu dem Ergebnis: "Mithin dürfte die Teilnahme an der Umfrage berufsrechtlich unzulässig sein."
Bald ein Juve-Ranking für Notare?
Die Bundesnotarkammer geht dabei offenbar auch davon aus, dass die Daten bei Juve in ein Ranking bzw. Handbuch einfließen sollen. "Mit einer Teilnahme an der Umfrage würden Notare letztlich darauf abzielen, im JUVE Ranking bzw. Handbuch genannt zu werden."
Ob Juve nach seinen Rankings für Wirtschaftskanzleien nun auch eine Rangliste der "besten" Notare plant, ist indes unklar. Bestätigen wollte der Verlag das auf LTO-Nachfrage nicht, ein Dementi gab es aber auch nicht. Tatsache ist jedoch: Das Unternehmen fragt schon seit einigen Jahren im Rahmen seiner Recherche für das Juve Handbuch Wirtschaftskanzleien auch Informationen über die Notare in den Sozietäten ab.
"In diesem Jahr haben wir uns entschieden, diese Recherche auf noch breitere Füße zu stellen und einen speziellen Fragenkatalog entwickelt", sagt Antje Neumann, Juve-Chefredakteurin und Co-Leiterin des Handbuchs, gegenüber LTO. Zentrales journalistisches Anliegen der Redaktion sei es, für die Leser der Publikationen Transparenz zu schaffen. "Ob dies durch Rankings oder in anderer Form geschieht, entscheiden wir nach Abschluss der Recherche."
Einbezogen wurden nicht alle Notare bundesweit. Der Pool der Empfänger des Schreibens setzt sich aus den Kanzleien zusammen, die der Verlag im Rahmen seiner Recherche für das Handbuch anschreibt, sowie weiteren reinen Notariaten, die bei der Recherche in den letzten Jahren aufgefallen sind. "Das sind solche, die zentrale wirtschaftliche Angelegenheiten für Unternehmen beraten oder beurkunden, etwa Unternehmensgründungen, Fusionen, Hauptversammlungen oder Immobilientransaktionen", erklärt Neumann.
Juve: "Sichtweise der Notarkammer absolut nicht nachvollziehbar"
Bei Juve hält man die Sichtweise aus dem Rundschreiben der Berliner Notarkammer für "absolut nicht nachvollziehbar", sagt Chefredakteurin Neumann. Sie verkenne die Rolle einer Branchenpresse, die nach journalistischen Prinzipien arbeite, wozu insbesondere eine strikte Trennung von Redaktion und Anzeigengeschäft gehöre.
"Die Analyse und Veröffentlichung der gewonnenen Rechercheergebnisse hat mit Werbung nichts zu tun", sagt Neumann. Allein dass die Berliner Notarkammer in ihrem Schreiben die Ansicht vertrete, die Veröffentlichung führe zu einer "Werbemaßnahme", zeige ein eklatantes Missverständnis der Arbeitsweise von Presseverlagen.
Das alles erinnert an einen anderen Streit, den der Branchenverlag schon vor über 15 Jahren mit Rechtsanwälten geführt hat. Er ging zugunsten von Juve aus: Die Veröffentlichung von Anwaltsranglisten ist von der Meinungsfreiheit gedeckt, entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschl. v. 07.11.2002, Az.: 1 BvR 580/02).
Damals hatten zwei Münchner Rechtsanwälte gegen die Veröffentlichung der Kanzlei-Rankings geklagt. Das Oberlandesgericht (OLG) München gab ihrer Unterlassungsklage in der Berufung statt, es bejahte einen Verstoß gegen § 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) unter dem Gesichtspunkt der "getarnten Werbung". Die Revision des Verlags blieb ohne Erfolg.
BVerfG: Anwaltsranglisten fallen unter die Meinungsfreiheit
Letztlich hat aber das BVerfG der Verfassungsbeschwerde des Juve-Verlags stattgegeben: Das Unterlassungsgebot des OLG München verletze den Verlag in seinem Grundrecht auf Meinungsfreiheit. Denn die Ranglisten seien in erster Linie Meinungsäußerungen und keine Tatsachenbehauptungen, entschieden die Verfassungsrichter.
Sie seien nur dann als wettbewerbswidrig und mit der Anwaltswerbung nicht vereinbar einzustufen, wenn ihre Veröffentlichung einen wettbewerbsgefährdenden Einfluss auf den Anwaltsmarkt haben würde. Davon könne nicht ausgegangen werden, wenn die Herkunft der Ranglisten und die Subjektivität der Bewertung zugleich deutlich gemacht werden.
Für Juve sind mit dieser Entscheidung des BVerfG die Rechtsfragen rund um ein mögliches Notar-Ranking damit geklärt. Allerdings muss, was für Anwälte gilt, nicht unbedingt auch für die Notare zutreffen, die ja ein öffentliches Amt bekleiden.
Aber Notare sind keine Anwälte
Der Presserechtler Prof. Dr. Harald Wiggenhorn beschäftigt sich viel mit der Pressearbeit für Notare. Er hält die Karlsruher Entscheidung, mit der er gut vertraut ist, nicht für übertragbar: "Das Berufsrecht der Notare ist strenger als das der Anwälte, da sie ein öffentliches Amt bekleiden. Der Notar soll unabhängig und unparteiisch sein, das unterscheidet sie von den Anwälten." Letztere würden ja gerade dafür ausgewählt, die Interessen des Mandanten zu vertreten. Die Landgerichte hätten im Blick auf die Tätigkeit der Notare eine Prüffunktion, und die nähmen sie auch ernst, so der Aschaffenburger Lehrbeauftragte. "Wenn man beispielsweise sagen würde: 'Notar X ist der Held des Bauträgerrechts, viel gefragt bei Bauträgern', dann hätte das gravierende Folgen für den Berufsstand." Denn dies würde Interessenskonflikte vermuten lassen. "Die darf es aber bei Notaren nicht geben."
Ohnehin wäre ein Ranking, das mehr sein will als ein bloßes Benchmarking, das auf statistischen Angaben beruht, aus Wiggenhorns Sicht problematisch: "Würde man die Service-Qualität der Notariate bewerten, etwa wie schnell man einen Termin bekommt, würde das zum Beispiel dazu führen, dass ausgerechnet etwaige schwarze Schafe - Stichwort 'Mitternachtsnotare' - besonders gut abschneiden".
Eine andere Variante wäre es, die Zahl der Urkunden zu vergleichen. "Aber das ist schwer möglich, weil sich die Tätigkeitsfelder der einzelnen Notare mitunter auch unterscheiden. Eigentlich müsste man die Qualität der einzelnen Urkunden beurteilen, aber diese Mühe wird man sich wohl nicht machen."
Nach Informationen von LTO gibt es in der Sache um das geleakte Schreiben bislang keinen direkten Kontakt zwischen der Berliner Notarkammer oder der Bundesnotarkammer und dem Juve-Verlag.
Anja Hall und Markus Sehl, Notarkammern warnen vor Teilnahme an Juve-Umfrage: . In: Legal Tribune Online, 03.04.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27825 (abgerufen am: 13.10.2024 )
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