Nichts ist älter als die Nachricht von gestern. Das sagt man gerne, stimmt aber nicht. Die großen Law Firms haben 2017 mehr Schlagzeilen produziert, als ihnen lieb war. Die Folgen werden sie – und uns - auch im neuen Jahr beschäftigen.
1/5 Endlich offline: Cyber-Angriff auf DLA Piper
Digital Detox –für den einen ein Wunschtraum, für die DLA-Piper-Anwälte wurde es bittere Wirklichkeit. Die Kanzlei war im Juni von einer Attacke des Erpressungstrojaners Petya betroffen. Ihr IT-Netzwerk musste für einige Tage abgeschaltet werden. Die Folge: Die mehr als 9.000 Mitarbeiter in aller Welt konnten ihre Computer nicht benutzen und waren nur sehr eingeschränkt erreichbar.
Zu allem Überfluss mussten die DLA-Anwälte viel Häme einstecken. Denn nur wenige Tage, bevor sie selbst zum Opfer des Hacker-Angriffs wurde, hatte die Kanzlei einen Bericht zum Thema Cybersicherheit veröffentlicht. Sie gibt darin Tipps, wie sich ein Unternehmen vor einer Attacke aus dem Internet schützen kann.
Allerdings ist DLA nicht die erste und einzige Sozietät, die einem Hacker-Angriff ausgesetzt war. Laut einem Medienbericht waren im Juni auch andere Sozietäten attackiert worden. Diese hätten Negativschlagzeilen allerdings vermieden, indem sie ein Lösegeld zahlten.
2/5 Ich bin dann mal weg: feste Arbeitszeiten
Großkanzleien als Arbeitgeber sind längst nicht mehr so beliebt, wie sie es einmal waren. Abschreckend für viele Berufsanfänger sind vor allem die ausufernden Arbeitszeiten, die gerade im Transaktionsgeschäft anfallen. Um ihr angekratztes Image aufzupolieren, haben sich die Law Firms in diesem Jahr etwas einfallen lassen.
Im März führte McDermott Will & Emery ein neues Arbeitszeitmodell ein, zunächst am Kanzleistandort in Düsseldorf. Neben dem klassischen Modell mit Vertrauensarbeitszeit können Associates ein alternatives Beschäftigungsmodell wählen. Es beinhaltet eine fest vereinbarte Wochenarbeitszeit zwischen 35 und 38,5 Stunden. Diese verringerte Arbeitszeit geht allerdings mit deutlichen Gehaltsabschlägen einher.
Wenige Wochen später präsentierte dann Linklaters ein Alternative zur traditionellen Großkanzlei-Karriere: Auch hier werden mit den Associates feste Arbeitszeiten vertraglich vereinbart, und Tätigkeiten außerhalb dieser Zeiten - etwa dass die Associates ihre beruflichen Emails lesen oder telefonisch erreichbar sind - werden ausdrücklich nicht erwartet. Im Gegenzug erhalten die Associates ein geringeres Gehalt als ihre Kollegen auf dem klassischen Karriereweg, sie können auch nicht Partner werden.
3/5 Gier ist gut: Leistungsbezogene Associate-Vergütung
Während die einen Kanzleien ihre Associates früher in den Feierabend schicken, machen die anderen das Gegenteil: Wer mehr arbeitet, soll auch mehr Geld bekommen.
DLA Piper hat die Vergütungsstruktur um eine variable Komponente erweitert, die sich an der Zahl der geleisteten Billable Hours bemisst. Wer 1.750 Stunden auf Mandaten arbeitet, bekommt zusätzlich zum Grundgehalt einen Bonus von 10.000 Euro, bei 2.150 Billables sind es 30.000 Euro. Zudem gibt schüttet die Kanzlei einen Erfolgsbonus aus, der weitere Leistungen für die Kanzlei honoriert, zum Beispiel, wenn Geschäft generiert oder ein neuer Bereich entwickelt wird.
Baker McKenzie hat ein ähnliches Modell aufgelegt. Ab dem dritten Berufsjahr können Associates zusätzlich zum Grundgehalt eine "Erfolgsprämie“ erhalten, die sich nach dem zeitlichen Einsatz in der Mandatsarbeit, dem Umsatz oder der Profitabilität bemisst. Sie liegt zwischen 10.000 Euro im dritten Berufsjahr und bis zu 35.000 Euro im sechsten Jahr. Zudem führte Baker McKenzie einen "Talent Management und Business Development Booster" ein. Gemeint ist ein zusätzliches Budget, mit dem die Associates unternehmerische Ideen, insbesondere im Bereich Digitalisierung, planen und umsetzen können.
Angst, die falschen Anreize zu setzen und Anwälte in die Überarbeitung zu treiben, haben beide Kanzleien nicht. Bei Baker McKenzie heißt es, man wolle das "unternehmerische Potenzial" der Associates fördern. DLA Piper begründet das nach Billable Hours gestaffelte Bonus-System damit, dass man transparent mache, was in vielen anderen Kanzleien stillschweigend erwartet werde: Wer ein hohes, sechsstelliges Jahresgehalt will, muss auch viel dafür arbeiten.
4/5 Tiefer Fall: Cum-Ex-Deals
Wie oft haben die Steuerrechtler landauf landab die Cum-Ex-Geschäfte wohl schon verflucht? Dabei ermöglichte eine inzwischen geschlossene Gesetzeslücke ihren Mandanten zunächst lukrative Geschäfte.
Bei den Cum-Ex-Deals schoben Investoren rund um den Dividendenstichtag Aktien mit ("cum") und ohne ("ex") Ausschüttungsanspruch rasch zwischen mehreren Beteiligten hin und her, bis dem Fiskus nicht mehr klar war, wem sie denn nun gehörten. Bescheinigungen für die Rückerstattung der Kapitalertragsteuer wurden deshalb mehrfach ausgestellt, obwohl die Steuer nur einmal gezahlt wurde. Der Gesamtschaden für den Fiskus soll sich auf bis zu 32 Milliarden Euro belaufen. Ob die Cum-Ex-Deals illegal waren, ist noch nicht höchstrichterlich geklärt. Aber sie beschäftigen Justiz und Politik schon seit einigen Jahren.
Im Oktober wurde bekannt, dass die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt beim LG Wiesbaden Anklage unter anderem gegen den Rechtsanwalt Dr. Hanno Berger erhoben hat. Es ist der erste Strafprozess im Zusammenhang mit den Cum-Ex-Geschäften in Deutschland. Berger, der inzwischen in der Schweiz lebt, war lange Jahre deutscher Managing Partner der inzwischen insolventen Kanzlei Dewey & LeBoeuf und galt als einer der Top-Anwälte für Steuer- und Finanzprodukte – und als führender Berater und Initiator unter anderem der Cum-Ex-Deals. Ihm werden Steuerdelikte in Millionenhöhe angelastet, er bestreitet die Vorwürfe.
Auch Freshfields Bruckhaus Deringer ist ins Visier der Cum-Ex-Ermittler geraten: Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt durchsuchte im Oktober Räume der Kanzlei und eröffnete ein Ermittlungsverfahren gegen einen ihrer Anwälte. Dabei soll es um ein Gutachten für die inzwischen insolvente Maple Bank gehen. Die Staatsanwälte ermitteln laut Medienberichten gegen Ex-Verantwortliche der Bank wegen Steuerhinterziehung beziehungsweise Geldwäsche in besonders schweren Fällen.
5/5 Großkanzlei-Anwälte auf Abwegen
Hin und wieder produzieren Großkanzlei-Anwälte sogar Schlagzeilen für die Boulevard-Blätter, wenn auch unfreiwillig. Doch Sex and Crime kommt in den besten Kreisen vor.
Seit Juli steht ein ehemaliger Linklaters-Partner in München vor Gericht. Ihm wird vorgeworfen, auf einer After-Wiesn-Party eine studentische Hilfskraft der Kanzlei vergewaltigt zu haben. Eigentlich sollte der Prozess schon abgeschlossen sein, die Plädoyers waren ursprünglich für den Oktober angesetzt. Doch er wird uns auch im neuen Jahr noch beschäftigen, kurz vor Weihnachten hat die Verteidigung einen überraschenden Antrag gestellt: Sie will mit einem Lügendetektor-Test die Unschuld des Angeklagten beweisen. Im Januar wird weiter verhandelt.
Vergleichsweise kurzer Prozess wurde dagegen mit einem Großkanzlei-Anwalt gemacht, der nach LTO-Informationen bei Baker McKenzie arbeitete. Er hatte zwei Touristinnen, denen er über die Vermittlungsplattform Couchsurfing.com eine Unterkunft angeboten hatte, mit K.O.-Tropfen betäubt und sie dann vergewaltigt und missbraucht. Bei Wohnungsdurchsuchungen wurden zudem kinderpornographische Schriften gefunden. Der Jurist hatte die Vorwürfe gestanden und wurde zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt, er soll in einer psychiatrischen Klinik untergebracht werden.
Anja Hall, Fünf Geschichten, die das alte Jahr schrieb: Von Hackern, Durchsuchungen und Anwälten auf Abwegen . In: Legal Tribune Online, 30.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26237/ (abgerufen am: 29.03.2024 )
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