Ungewöhnlich viele Wirtschaftsanwälte sind mit dem Beginn des neuen Jahres zu ebenso neuen Ufern aufgebrochen, sie haben sich einer anderen Kanzlei angeschlossen oder gar eine eigene neu gegründet. Ein Blick auf den Transfermarkt.
Im Januar haben wir viel über Schneemassen und eine sibirische Kälte gesprochen und uns gefragt, ob uns wohl ein Jahrhundertwinter bevorstehe. In den hiesigen Wirtschaftskanzleien jedoch muss es recht hitzig zugegangen sein, denn hier wurden viele Umzugskisten gepackt. Viele der Sozietäten haben sich zum Jahresbeginn personell verstärkt – und dazu oft Partner oder gar gleich große Teams von anderen Kanzleien angeworben.
Besonders bemerkenswert: Mehrere Kanzleien, die ansonsten nur sehr selten Quereinsteiger aufnehmen, haben diese Zurückhaltung aufgegeben und sich substantiell auf Partnerebene verstärkt. Und eine internationale Sozietät hat für ihren Start in Frankfurt gleich sechs Partner aus fünf verschiedenen Kanzleien angeworben. Nicht zu vergessen der renommierte Immobilienwirtschaftsrechtler, der seine Kanzlei verlässt, um zu einem Mandanten zu wechseln – und natürlich die Wechsel und Neugründungen auf den Rechtsgebieten Straf, Arbeits-, Telekommunikations- und Öffentlichen Recht.
1/7: Arbeitsrechtler expandieren nach Berlin
Die Arbeitsrechtskanzlei Schweibert Leßmann & Partner war bislang nur in Frankfurt vertreten, seit Januar gibt es auch einen Ableger in Berlin. Dazu hat die Kanzlei die bekannte Arbeitsrechtlerin Prof. Dr. Anja Mengel gewonnen. Sie war rund sieben Jahre für Altenburg tätig, einer Kanzlei, die ebenfalls auf das Arbeitsrecht spezialisiert ist.
Mengel soll für Schweibert Leßmann & Partner den neuen Standort in der Hauptstadt mit aufbauen, unterstützt wird sie dabei unter anderem von Namenspartner Dr. Jochen Leßmann, der künftig verstärkt in Berlin präsent sein will.
Schweibert Leßmann wurde 2012 von ehemaligen Arbeitsrechtlern von Freshfields Bruckhaus Deringer gegründet. Der Wechsel von Mengel ist erst der zweite Zugang auf Partnerebene für die Sozietät. 2015 kam eine Partnerin von Clifford Chance.
2/7: Mehr Öffentliches Recht bei Redeker in München
Es kommt nicht oft vor, dass Redeker Sellner Dahs auf Quereinsteiger setzt. Zum Jahresanfang jedoch wechselte Dr. Max Reicherzer, zuletzt Partner bei Becker Büttner Held, an den Münchener Standort der Kanzlei.
Reicherzer bringt öffentlich-rechtliche Expertise in das Büro in der bayerischen Landeshauptstadt, das von den Corporate-Partnern Dr. Jürgen Lüders und Hans-Peter Hoh geleitet wird. Er soll insbesondere das Umwelt- und Planungsrecht, eine traditionelle Stärke bei Redeker, auch in München etablieren.
3/7: Neun Anwälte von PwC Legal zu Mazars
Gleich neun Öffentlich-Rechtler hat die multidisziplinäre Sozietät Mazars in Berlin gewonnen – und zwar von PwC Legal, einer Rechtsberatungsgesellschaft, in der man wie bei Mazars die Zusammenarbeit von Juristen und anderen Beratern hochhält. Das Team um Dr. Hans-Martin Dittmann, der als Partner eingestiegen ist, begleitet vor allem Rekommunalisierungen, Privatisierungen oder Neuorganisationen von Unternehmen der öffentlichen Hand.
Da der Gruppe neben den Juristen auch fünf Diplom-Wirtschaftsingenieure bzw. Diplom-Kaufleute angehören, berät es die Mandanten nicht nur rechtlich, sondern ist unter anderem auch in der betriebswirtschaftlichen Organisationsberatung aktiv.
4/7: Frankfurter Strafrechtler auf Solopfaden
In Frankfurt gehen die Strafrechtler der Wirtschaftskanzlei AC Tischendorf (ACT) seit Jahresbeginn eigene Wege. Dr. Christian Rosinus und Dr. Michelle Wiesner-Lameth haben mit Rosinus Partner eine Kanzlei gegründet, die sich auf die Bereiche Wirtschafts- und Steuerstrafrecht sowie Compliance konzentrieren will.
Ein Streit ist der Abspaltung wohl nicht vorausgegangen, denn sowohl ACT als auch Rosinus Partner betonen in einer gemeinsamen Mitteilung, dass das Auseinandergehen "im allerbesten Einvernehmen" erfolge. Rosinus war seit 2010 Partner bei ACT. Er geht davon aus, dass sich seine neue Sozietät als unabhängige Einheit in der Strafverteidigung flexibler und frei von Interessenkollisionen positionieren könne.
5/7: Zweiter Partnerzugang für Raue
Die Berliner Kanzlei Raue ist im Jahr 2010 entstanden. Damals wollten 20 Partner und zahlreiche Associates von Hogan & Hartson Raue die Fusion mit Lovells zu Hogan Lovells nicht mitmachen und gingen den Schritt in die Selbstständigkeit. Viele Jahre lang waren die Berliner eine eingeschworene Gemeinschaft, doch allmählich öffnen sie sich für Quereinsteiger.
Zum Jahresanfang kam Dr. Katharina Wodarz, die bei McDermott Will & Emery Partnerin im Bereich Gesundheitsrecht war. Der Wechsel von Wodarz ist erst der zweite Partnerzugang bei Raue seit der Kanzleigründung. Im September 2018 schloss sich ein Kartellrecht-Partner von Noerr der Sozietät an.
6/7: Abschied von Noerr
Dass junge Anwälte zu einem Mandanten wechseln, kommt häufig vor. Dass aber ein anerkannter Partner dies tut, hat Seltenheitswert. Eine solche Personalie gab Noerr jedoch im Januar bekannt: Prof. Dr. Alexander Goepfert, der bislang die Real Estate Investment Group der Kanzlei leitete, wird strategischer Berater des Private-Equity-Investors Apollo Global Management, einem Mandanten von Noerr.
Goepfert gilt als einer der erfolgreichsten Immobilienwirtschaftsrechtler. Er war langjähriger Partner bei Freshfields Bruckhaus Deringer bzw. der Vorgängersozietät, bis er 2011 zu Noerr wechselte und dort die Leitung der damals neu gegründeten Real Estate Investment Group übernahm. Inzwischen umfasst die Praxisgruppe 60 Berufsträger und ist regelmäßig als Rechtsberater an großen Transaktionen im Immobiliensektor beteiligt.
7/7: Neuaufbau in Frankfurt
Pinsent Masons hat sich für ihren dritten Standort, dessen Eröffnung die Kanzlei im Januar bekannt gab, kräftig bei Wettbewerbern bedient: Als Gründungspartner des Frankfurter Büros hat die Kanzlei sechs erfahrene Anwälte aus fünf verschiedenen Kanzleien gewonnen.
Dabei handelt es sich um die Corporate-Anwälte Dr. Volker Balda von KPMG Law und Ronald Meiβner von Oppenhoff & Partner sowie die beiden Dechert-Anwälte Sven Schulte-Hillen und Dr. Markus Friedl. Weiter gehören zum neuen Frankfurter Team der Immobilienrechtler Dr. Tobias Nuβ von Beiten Burkhardt und Dr. Nils Rauer, der auf Gewerblichen Rechtschutz und IT-Recht spezialisiert ist und von Hogan Lovells kommt.
Transfermarkt im Januar: Neues Jahr, neue Kanzlei . In: Legal Tribune Online, 28.01.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33495/ (abgerufen am: 24.04.2024 )
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