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Vier-Tage-Woche in der Wirtschaftskanzlei: "Bei dieser stän­digen Erreich­bar­keit ist doch auch viel Gehabe dabei“

Interview von Dr. Anja Hall

03.05.2019

Mann im Anzug hält eine Uhr in der Hand

© beeboys - stock.adobe.com

Es klingt wie eine Gewerkschaftsforderung aus den 80-er Jahren: 36-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Eine bundesweit tätige Wirtschaftskanzlei hat genau das jetzt eingeführt. Kanzleigründer Bernfried Rose erklärt, wie es dazu kam.

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Die Kanzlei Rose & Partner hat zum 1. Mai die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter reduziert – das Gehalt bleibt aber das gleiche. Rechtsanwälte arbeiten künftig nur noch 36 Stunden pro Woche, Fachangestellte sogar bloß 34Stunden. Zudem haben alle Mitarbeiter die Option, ihre Arbeitszeit an vier Tagen pro Woche zu leisten.

LTO: Wie ist die Idee zu dieser Vier-Tage-Woche entstanden?

Bernfried Rose: Ich selbst habe schon lange eine Vier-Tage-Woche und schätze das sehr. Am Anfang, als ich meine Kanzlei mit meinem Partner Boris Schiemzik gegründet habe, haben wir viel gearbeitet und wenig verdient. Inzwischen hat sich das glücklicherweise gedreht, und mit der Geburt meines ersten Kindes habe ich mir einen freien Tag pro Woche gegönnt.

In der Kanzlei gab es Nachahmer, und so ist jetzt der Gedanke aufgekommen, all unseren Mitarbeitern eine Vier-Tage-Woche zu ermöglichen. Für uns ist das also keine Revolution, eher eine Evolution. Wir hatten bislang auch schon eine 40-Stunden-Woche mit Gleitzeit und Zeiterfassung.

Allerdings haben wir bei der reduzierten Arbeitszeit erst in zweiter Linie an unsere Rechtsanwälte gedacht. Gerade für anwaltliche Berufsanfänger hatten wir – wie ich finde - ja bisher schon ein sehr gutes Verhältnis von Arbeitszeit und Einkommen. Wir hatten daher vor allem unsere Fachangestellten im Blick. Die leisten nicht weniger als wir Anwälte und sind häufig noch mehr von der Doppelbelastung Arbeit und Beruf betroffen. Sie können es sich aber weniger gut leisten, ihre Arbeitszeit zu reduzieren, weil sie auf das volle Gehalt angewiesen sind. Wir hatten das Bedürfnis, ihnen das leichter zu machen.

"Die Kollegen mit der Vier-Tage-Woche machen die höchsten Umsätze"

Ketzerisch gefragt: Ihre Auslastung ist wohl nicht so hoch, wenn Sie die Arbeitszeiten Ihrer Mitarbeiter reduzieren können?

© Rose & PartnerIm Gegenteil. Wir haben viel mehr Anfragen als wir Mandate annehmen können. Statt dem Einzelnen immer mehr aufzubürden, stellen wir laufend weiter Personal ein und eröffnen neue Standorte, wie kürzlich in München. Auch In Frankfurt und Köln wollen wir gern an den Start gehen.

Das Mindesteinstiegsgehalt für Berufsanfänger liegt bei 60.000 Euro, Anwälte unterhalb der Equity Partner, also angestellte Anwälte und Salary-Partner, verdienten bei uns 2018 im Durchschnitt 120.000 Euro im Jahr. Damit müssen wir uns nicht hinter den großen Wettbewerbern verstecken, auch wenn die unser Modell vielleicht belächeln. Bei uns gehören diejenigen, die jetzt schon eine Vier-Tage-Woche haben, übrigens interessanterweise zu denjenigen, die mit die höchsten Umsätze erzielen.

Was denken Sie:Warum belächeln die großen Wettbewerber sie und machen nicht selbst ähnliche Angebote?

In großen und internationalen Kanzleien mag es andere Spielregeln geben, da dürfte so etwas schwieriger einzuführen sein. Aber es gibt ja durchaus auch dort Modelle, in denen Anwälte weniger arbeiten. Nur können die dann in der Regel nicht Partner werden. Eine solche Zwei-Klassen-Gesellschaft wollten wir nicht. Uns war wichtig, dass alle die gleichen Chancen behalten.

Es gibt Kanzleien, die auf Job-Sharing zur Reduzierung der Arbeitszeit setzen. Das wollen Sie explizit nicht. Warum nicht?

Job-Sharing halte ich für grenzwertig, denn das bedeutet häufig doch nichts anderes als Schichtarbeit. Das mag zwar gut sein, wenn man die Frühschicht hat. Aber was ist, wenn man die Spätschicht übernimmt? Dann sieht man seine Kinder ja gar nicht mehr.

Allerdings ist das bei uns als typische Mittelstandsberater im Grunde nicht notwendig. Das mag anders sein, wenn man auf einem Milliardendeal sitzt, an dem Anwälte aus Singapur oder den USA beteiligt sind und wo mitten in der Nacht Telefonkonferenzen abgehalten werden müssen. Aber so oft kommt das nicht vor. Und bei dieser ständigen Erreichbarkeit ist doch auch viel Gehabe dabei: Wer will schon regelmäßig um 2 Uhr nachts eine Mail von seinem Anwalt bekommen?

"Die meisten Wirtschaftskanzleien könnten sich reduzierte Arbeitszeiten leisten"

Was sagen Ihre Mandanten denn zu den verkürzten Arbeitszeiten?

Das Modell ist ja noch neu, deswegen haben wir noch keine Reaktionen erhalten. Aber wir sind der Auffassung, dass der Mandant für die hohen Stundensätze, die er uns bezahlt, auch einen hochmotivierten und fitten Anwalt erwarten darf – auch wenn der vielleicht nach 18 Uhr nicht mehr im Büro ist. Moderate Arbeitszeiten sind für uns ein Qualitätsfaktor. Das war auch in unserem alten Modell so, das sehr gut von den Mandanten aufgenommen wurde.

Wie stellen Sie aber sicher, dass in dringenden Fällen jemand erreichbar ist?

Durch eine verbindliche Selbstverpflichtung. Die Anwälte sind ohnehin erreichbar, zudem machen wir für die Sekretariate bestimmte Vorgaben, etwa wann die Telefone besetzt sein müssen und Mandanten empfangen werden können. Die Teams organisieren sich dann selbst.

Sie wollen mit dem neuen Arbeitszeitmodell auch Anwälte für den Aufbau weiterer Standorte finden. Aber wünscht man sich da nicht eher unternehmerische Menschen, die gerade nicht um Schlag 18 Uhr den Griffel fallen lassen?

Wenn neue Standorte aufgebaut werden, geht es oft um Akquise - deswegen muss viel gearbeitet werden. Aber das würde bei uns wegfallen, denn wir haben genug Mandate. Ein Berufsanfänger könnte das zwar nicht leisten. Aber jemand mit einigen Jahren Großkanzlei-Erfahrung könnte auch mit reduzierter Arbeitszeit einen Standort hochziehen.

Kürzere Arbeitszeit bei vollem Gehalt ist auch immer eine Geldfrage. Den Equity-Partnern Ihrer Kanzlei bleibt doch jetzt weniger Gewinn?

Natürlich haben wir Gewinneinbußen durch diesen Schritt, aber wir halten das für weniger relevant. Die Gewinne und Einkommen in unserer Branche klingen für einen Normalverdiener ja ohnehin eher absurd. Ob man als Inhaber steigende Kanzleigewinne dafür verwendet, sich noch den zweiten Sportwagen in die Tiefgarage zu stellen oder sich Gedanken über die gerechte Verteilung von Arbeit und Geld macht, ist eine freie unternehmerische Entscheidung.  Ich denke, dass die meisten Wirtschaftskanzleien sich reduzierte Arbeitszeiten für ihre Mitarbeiter durchaus leisten könnten.

Herr Rose, vielen Dank für das Gespräch.

Bernfried Rose ist Gründungsgesellschafter der Kanzlei Rose & Partner, die mit rund 20 Berufsträgern, darunter sieben Equity-Partnern, in Hamburg, Berlin, München und Mailand vertreten ist.

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Vier-Tage-Woche in der Wirtschaftskanzlei: . In: Legal Tribune Online, 03.05.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35189 (abgerufen am: 09.11.2025 )

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