Rund 8.000 Syndikusrechtsanwälte wurden in 2016 zugelassen. Über ihre Rente streiten viele Syndizi aber weiter, laut Martin W. Huff wegen einer abenteuerlichen Praxis der DRV. Gut laufe es für Anwälte in WP- und Steuerberatungsgesellschaften.
Noch immer sind die 27 Rechtsanwaltskammern dabei, den Berg der Zulassungsanträge zum Syndikusrechtsanwalt zu bewältigen, nachdem am 1. Januar 2016 das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte in Kraft getreten war. Anfang November 2016 waren mit 8.000 ausgesprochenen Zulassungen geschätzt zwei Drittel der Anträge abgearbeitet. Viele der zugelassenen Syndikusrechtsanwälte hofften nun auch, dass sich die rentenversicherungsrechtlichen Auseinandersetzungen mit der Deutschen Rentenversicherung (DRV) erledigt hätten. Doch das ist leider nur teilweise der Fall.
Für die Zukunft funktioniert die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung zugunsten des anwaltlichen Versorgungswerks – wenn auch mit langen Laufzeiten. Nach § 46a Abs. 2 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) erfolgt diese mit der Zulassung und nicht mit dem Antrag.
Die Hoffnung der betroffenen Unternehmensanwälte, aber auch des Gesetzgebers, mit dem neuen Syndikusgesetz zum 1. Januar 2016 auch Auseinandersetzungen um die Befreiung in der Vergangenheit zu erledigen und rückwirkend eine Befreiung zu ermöglichen, scheint enttäuscht zu werden.
DRV zahlt bereits gezahlte Beiträge nicht zurück
Dafür sieht das Gesetz in § 231 Abs. 4b Sozialgesetzbuch (SGB) VI eine durchaus komplizierte Übergangsregelung vor. Kern ist, dass eine rückwirkende Befreiung auch für die Vergangenheit möglich ist, wenn man Pflichtmitglied in Kammer und Versorgungswerk war. Allerdings begrenzt das Gesetz Rückzahlungen von der DRV an das Versorgungswerk für Zeiten vom 1. April 2014 an für die Zukunft, aber nicht davor. Davon wiederum gibt es nur eine Ausnahme, wenn vor dem 1. April 2014 "einkommensbezogene Beiträge" gezahlt wurden. Dies bedeutet, dass Unternehmensjuristen, die Beiträge an die DRV gezahlt haben, leer ausgehen, während diejenigen, die gemeinsam mit dem Arbeitgeber weiterhin ins Versorgungswerk zahlten, die Beiträge behalten.
Das wurde vielfach kritisiert. Schließlich wird, wer sich in der Vergangenheit in eine Auseinandersetzung mit der DRV begab, schlechter gestellt als derjenige, der einfach weiter zahlte und ab dem 1. Januar 2015 sogar noch von einer Amnestieregelung der DRV profitieren konnte.
Dieses Problem war auch dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bekannt. Daher haben die Karlsruher Richter in ihren Beschlüssen vom 19. Juli 2016 (1 BvR 2584/14) und 22. Juli 2016 (1 BvR 2384/14) eine deutliche Aussage getroffen. Etwa in Randnummer 16 der Entscheidung vom 19. Juli 2016 wird klargestellt, dass als "einkommensbezogene Beiträge 'im Sinne des § 231 Abs. 4b S. 4 SGB VI'" auch Mindest- und Pflichtbeiträge nach den jeweiligen Satzungen der Versorgungswerke anzusehen sind.
Weil: ist so
Diese Vorgaben des BVerfG befolgt die DRV bewusst und gewollt nicht. Sie lehnt die rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht für Zeiten vor dem 1. April 2014 mit der Begründung ab, dass keine einkommensbezogenen Beiträge gezahlt worden seien, auch wenn die betroffenen Kollegen Pflichtmitglied in Kammer und Versorgungswerk waren und die entsprechenden Beiträge gezahlt haben.
Aus einem Schreiben des zuständigen Ministerialdirektors, das dem Autor vorliegt, ergibt sich, dass dies ausdrücklich mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales geschieht. Eine Begründung, warum die DRV dem höchsten deutschen Gericht nicht folgt, gibt es nicht, verwiesen wird nur auf den Gesetzestext.
Die Folge: Alle betroffenen Anwälte müssen nun in das Widerspruchsverfahren mit der Behörde gehen. Wie dieses ausgehen wird, lässt sich bei der Haltung des Ministeriums erahnen. Auch die Arbeitgebervertreter in den Widerspruchsausschüssen der DRV scheinen sich nicht besonders gegen die Haltung der Behörde zu wehren. Dabei ist unklar, warum auch sie es den betroffenen Anwälten so schwer machen, eine durchgehende Versicherungsbiographie zu erlangen. Schließlich können so manche unter ihnen gar keine Ansprüche mehr in der Rentenversicherung erlangen, weil sie die Mindestversicherungszeit von 60 Monaten nicht erreichen. Zwar können sie sich die Arbeitnehmeranteile auszahlen lassen, aber die Arbeitgeberanteile sind verloren.
Es wird also wieder den Sozialgerichten obliegen, hier für Klarheit zu sorgen, wenn die DRV sich nicht doch noch eines besseren besinnt. Es ist schon erstaunlich, dass eine Einrichtung wie die DRV sich ausdrücklich gegen Entscheidungen des BVerfG stellt und dies zudem weder offen kommuniziert noch angemessen begründet. Die gerichtlichen Auseinandersetzungen um die Befreiungen werden leider in vielen Fällen weitergehen.
Martin W. Huff, Syndikusanwälte - ein Jahr danach: . In: Legal Tribune Online, 03.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21644 (abgerufen am: 10.12.2024 )
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