Am Dienstag wird die letzte neue Folge von Richter Alexander Hold ausgestrahlt. Damit endet die Ära der Gerichtsshows im deutschen Fernsehen. Ein Format, das manche Juristen als unsäglich abgetan und als Gift für die Zuschauer bezeichnet haben. Im LTO-Interview erzählt der Fernsehrichter, was er nun tun wird, warum seine Show mehr als Unterhaltung war und reale Fälle nicht fürs TV taugen.
LTO: Die letzte Folge von "Richter Alexander Hold" wurde bereits Ende Januar gedreht. Was machen Sie jetzt? Es heißt, Sat1 plane bereits ein neues Format? Man will sie in den Außeneinsatz schicken?
Hold: Es war an der Zeit, dem Genre einen neuen Anstrich zu verleihen. Das Format der Gerichtsshow ist von seinen Erzählmöglichkeiten ja sehr limitiert. Jeden Tag derselbe Sitzungssaal und die Regeln der Strafprozessordnung ändern sich im Wesentlichen auch nicht. Vielleicht geht mal eine Tür auf und ein überraschender Zeuge erscheint, aber das war es dann schon. Das ist im Grunde ein Kammerspiel. Man hat nicht dieselben Möglichkeiten wie bei einem Krimi. Sie können nicht einfach den Ort wechseln, für die nächste Szene die Protagonisten komplett austauschen.
In der neuen Sendung werde ich nun zu den Menschen hingehen. Da drehen wir dann auch mal auf der Straße oder am Gartenzaun.
LTO: Welche Rolle nehmen Sie dabei ein? Immer noch die des Richters?
Hold: Nicht unbedingt. Die Rolle ist vielseitiger, sie hat keinen klassischen prozessualen Rahmen. Ich bin eine Art Konfliktlöser. Natürlich mit juristischem Hintergrund, aber ohne am Ende ein Urteil am Gartenzaun zu sprechen.
LTO: Ab wann wird die neue Sendung ausgestrahlt?
Hold: Ein konkreter Sendetermin steht noch nicht fest.
"Meine Tätigkeiten lassen sich nicht in zwei Berufe dividieren"
LTO: Hätten Sie auch in den Richterdienst zurückkehren können? Immerhin waren sie neun Jahre im Staatsdienst, erst als Staatsanwalt, später als Richter.
Hold: Ja, die Möglichkeit habe ich nach wie vor. Das bayerische Justizministerium hat meine Tätigkeit beim Fernsehen immer sehr wohlwollend betrachtet. Ich liebe den Beruf des Richters und kann mir sehr gut vorstellen, wieder zurückzukehren. Im Moment reizt es mich aber, ein neues Format auszuprobieren.
LTO: Welche Arbeit hat Ihnen mehr Spaß gemacht? Die im echten Gerichtssaal oder die vor der Kamera?
Hold: Meine Tätigkeiten in zwei verschiedene Berufe zu dividieren, trifft es nicht. Es war mir immer ein Anliegen, den Menschen das Recht und die Justiz näher zu bringen. Aber wer geht denn schon mal in ein Amtsgericht und schaut sich dort ein Verfahren an? Mit unserer Sendung konnten wir all denen, die das wahrscheinlich nie tun werden, einen Eindruck davon vermitteln, wie die Justiz mit den Menschen umgeht, wie sie versucht die Wahrheit herauszufinden.
LTO: Das heißt, "Richter Alexander Hold" sollte mehr sein als Unterhaltung am Nachmittag?
Hold: Natürlich ist eine Gerichtsshow kein Telekolleg und es ist klar, dass Fernsehzuschauer in erster Linie unterhalten werden wollen. Das wissen mittlerweile ja sogar die Nachrichtenmenschen.
Meine Sendung als bloße Unterhaltung abzutun, ist aber zu kurz gegriffen. Es werden durchaus gesellschaftlich relevante Themen diskutiert und im Vergleich zum Krimi geht es nicht nur darum, den Täter zu suchen, sondern auch darum, dessen persönliche Schuld zu ermitteln und dem Opfer gerecht zu werden. Der Zuschauer hat außerdem die Möglichkeit, sein eigenes Wertesystem mit dem meiner Urteile abzugleichen.
"Kritik kommt nahezu nur von Journalisten, nie von Juristen"
LTO: Gerade Juristen stehen Ihrer Sendung durchaus kritisch gegenüber. Albern und unsäglich sei die Show, sie verfälsche die Realität und sei zum Teil juristisch so unsinnig, dass sie dem Ansehen der Justiz und der Anwaltschaft schade. Was antworten Sie den Kollegen?
Hold: Kritik kommt nahezu nur von Journalisten, fast nie von Juristen.
LTO: Doch, es gibt auch Juristen, die sich kritisch geäußert haben.
Hold: Sehr selten. Vor kurzem war ich zu Gast in der SWR-Talkshow Nachtcafé. Der Moderator wollte erreichen, dass über den ehemaligen Präsidenten des Bundesgerichtshofs Günter Hirsch in der Runde Kritik an meiner Sendung eingebracht wird. Das hat aber nicht funktioniert. Hirsch hat gesagt, dass er die Show sehr gut findet, weil sie einen Einblick in den Gerichtsalltag gibt. Und der Strafverteidiger, der zu Gast war, hat sich ganz ähnlich geäußert.
Die meisten Juristen haben auf die Gerichtsshows zumindest gelassen reagiert, wenn nicht gar zustimmend. Sie zeigen sich überrascht, wie nah sich der Ablauf der Show an der Realität orientiert, wie sehr etwa die Regeln der Beweisverwertung eingehalten werden.
Fragen Sie doch mal einen Polizist oder einen Arzt, wie wirklichkeitsgetreu er seinen Berufsstand im Fernsehen wiedergegeben sieht. Jeder Tatortkommissar müsste doch nach zehn Minuten aus dem Dienst entfernt werden.
Im Übrigen vergeht kaum eine Woche, in der ich nicht einen Zeitungsartikel über ein Gerichtsverfahren zu lesen bekomme, der mit den Worten beginnt: "So etwas gibt es normalerweise nur bei Richter Alexander Hold…".
Mal ganz davon abgesehen, dass wir nie behauptet haben, die Justiz-Realität 1:1 wiederzugeben.
2/2: "Ich dachte, Freunde wollten mich zum Narren halten"
LTO: Anfangs beruhten die Gerichtsshows im deutschen Fernsehen noch auf wahren Fällen, später nur noch auf fiktiven. Ist das wirkliche Leben zu langweilig?
Hold: Nein, das ist nicht der Grund für die fiktiven Fälle. Im Fernsehen kommen Sie nicht umhin, eine gewisse Dramaturgie einzuhalten. Ein realer Fall lässt sich oft schlicht nicht in einer Stunde erzählen und das auch nicht mit dem nötigen Spannungsbogen.
LTO: Haben Sie in Ihrer Zeit als Fernsehrichter auch selbst etwas gelernt?
Hold: Es ist unheimlich leicht, in einer Stunde eine grandiose Urteilsbegründung zu liefern. Sehr schwierig ist es dagegen, in drei Minuten eine Entscheidung in einer Sprache zu verfassen, die die betroffenen Menschen verstehen und die nicht nur für die nächste Instanz formuliert ist. Wenn man sich bemüht, ist das aber ohne weiteres möglich.
Am Anfang kam übrigens von der Produktionsfirma der Wunsch, meine Urteilsbegründung auf zwei Minuten zu begrenzen. Ich habe dann immer länger gebraucht, was aber nie beanstandet worden ist. Die Zuschauer haben es offenbar geschätzt, dass ich versucht habe, die gesellschaftlichen und juristischen Probleme eines Falls zu erläutern.
LTO: Wie sind Sie überhaupt dazu gekommen?
Hold: Ich saß an meinem Schreibtisch im Gericht in Kempten, als das Telefon klingelte und mich jemand fragte, ob ich nicht im Fernsehen als Richter auftreten möchte. Ich habe sofort aufgelegt, weil ich dachte, meine Freunde wollten mich zum Narren halten.
Später kam dann jemand von der Produktionsfirma als Zuschauer zu mir in eine Sitzung und sprach mich anschließend an. Da wurde mir erst klar, dass das ernst gemeint war. Auf mich aufmerksam gemacht hatte sie wohl ein Medienrechtsanwalt, der zuvor mal bei einer meiner Verhandlungen war.
LTO: Haben Sie sofort zugesagt?
Hold: Ich war gerne bei der Justiz. Zugesagt hätte ich niemals, wenn mir das Justizministerium nicht zugesagt hätte, dass ich jederzeit zurückkehren kann. Allerdings bin ich auch von Grund auf neugierig.
Am Anfang dachte ich, es würde eher um eine beratende Tätigkeit im Hintergrund gehen. Als ich dann mitkriegte, dass die mich tatsächlich als Richter vor der Kamera haben wollten, habe ich schon etwas Muffensausen bekommen.
"Nirgends wird so viel Theater gespielt, wie vor Gericht"
LTO: Mit "Richter Alexander Hold" endet nach über zehn Jahren die letzte Fernsehgerichtsshow. Ist es schade um das Format?
Hold: Das ist eine schwierige Frage. Persönlich hat mir die Sendung immer Freude gemacht, und deshalb hätte ich sie auch gerne fortgesetzt.
Allerdings muss man akzeptieren, dass sich die Fernsehlandschaft verändert hat. Gerade junge Leute sind mehr und mehr gewohnt, kurze Clips nebenbei zu schauen, bei denen man problemlos mittendrin einschalten kann. Das war bei unserer Sendung nicht möglich. Wenn Sie den Anfang verpasst hatten, hatten Sie keine Chance, später einzusteigen. Der Zuschauer musste sich von Beginn an auf das Geschehen einlassen. Junge Menschen sind dazu immer weniger bereit.
LTO: Was würden Sie von einer Fernseh-Live-Berichterstattung aus deutschen Gerichtssälen halten?
Hold: Ich denke, das wäre der Anfang vom Ende einer funktionierenden Justiz. Schon jetzt wird nirgends so viel Theater gespielt wie vor Gericht. Wenn im Sitzungssaal Kameras aufgebaut würden, könnte man sich nicht mehr darauf verlassen, dass die Beteiligten tatsächlich an der Wahrheitsfindung interessiert sind, dass der Verteidiger sich um das Wohl seines Mandanten kümmert und dass Zeugen sich darauf konzentrieren, was sie tatsächlich wahrgenommen haben. Die meisten würden versuchen, sich vor den Kameras zu produzieren. Die Wahrheitsfindung wäre damit massiv beeinträchtigt.
LTO: Herr Hold, vielen Dank für das Gespräch.
Alexander Hold war Richter am Amtsgericht Kempten bevor er 2001 zum Fernsehen wechselte und die Rolle des Vorsitzenden Richters in der Gerichtsshow "Richter Alexander Hold" übernahm.
Das Interview führte Claudia Kornmeier.
Alexander Hold, Richter Alexander Hold: "Nie eine 1:1 Wiedergabe der Justiz-Realität versprochen" . In: Legal Tribune Online, 12.02.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8134/ (abgerufen am: 26.04.2024 )
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