Während Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft sich auf Finanzspritzen durch den Staat verlassen können, müssen ihre privaten Konkurrenten ohne derartige Hilfen auskommen. Daraus ist ein Streit entbrannt, der nationale und europäische Gerichte gleichermaßen beschäftigt. Robin van der Hout und Anja Köhler erklären die Problematik anhand eines laufenden Musterverfahrens vor dem LG Tübingen.
Beschwerden privater Krankenhausträger gegen die staatliche Finanzierung von Krankenhäusern in öffentlicher Trägerschaft häufen sich. Dies nicht ohne Grund: jede zweite bis dritte Klinik in Deutschland ist nach Einschätzung des Interessenverbands kommunaler Krankenhäuser (IVKK) auf solche Hilfen angewiesen. Privaten Kliniken bleiben die Finanzspritzen hingegen verwehrt. Mit der beihilfenrechtlichen Überprüfung der Krankenhausfinanzierung sind gegenwärtig neben der Europäischen Kommission auch die europäischen und nationalen Gerichte befasst. Häufiger Gegenstand der Prüfungen sind direkte und indirekte Förderungen der öffentlichen Krankenhäuser, Verlustübernahmen sowie andere Unterstützungsmaßnahmen.
Spannungsfeld zwischen Daseinsvorsorge und Beihilfenverbot
Nicht nur in Deutschland sind die Kommunen zur Daseinsvorsorge gesetzlich verpflichtet, was auch die stationäre, teilambulante und ambulante medizinische Versorgung in einem Krankenhaus einschließt. Hinsichtlich der Notwendigkeit einer angemessenen medizinischen Versorgung der Bevölkerung besteht an sich ein breiter gesellschaftlicher Konsens. Aufgrund der zunehmend knapp kalkulierten Finanzierung medizinischer Dienstleistungen im staatlichen Gesundheitssystem ist allerdings die große Mehrheit der öffentlichen Krankenhäuser ohne finanzielle Unterstützung nicht lebensfähig. 20 Prozent der öffentlichen Krankenhäuser sind nach dem Krankenhaus Rating Report 2013 insolvenzgefährdet; bei den privaten hingegen sind es nur 2 Prozent.
Das sind deutliche Zahlen, die allerdings nichts daran ändern, dass sich auch die öffentliche Krankenhausfinanzierung am europäischen Beihilfenverbot gemäß Art. 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) messen lassen muss. Nach dem sogenannten Almunia-Paket der Kommission zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DAWI) ist ein Krankenhaus unabhängig von seiner Rechtsform oder Trägerschaft zunächst ein Unternehmen, dessen Finanzierung beihilfenrechtskonform sein muss. Finanzielle Vorteile für ein Krankenhaus, die geeignet sind, den grenzüberschreitenden Wettbewerb zu verzerren, müssen in der Regel zunächst bei der Kommission angemeldet und von dieser freigegeben werden. Bis dahin besteht für die staatlichen Stellen ein Vollzugsverbot.
Krankenhaus-Subventionen: Eigentlich anmeldepflichtig, aber…
Das Beihilfenrecht in seiner Ausgestaltung durch die europäischen Gerichte und in der Entscheidungspraxis der Kommission sieht jedoch Ausnahmen für Krankenhäuser vor. So liegt etwa schon keine Beihilfe vor, wenn die Kliniken DAWI erbringen und die sogenannten Altmark-Kriterien des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) erfüllen. Eine danach zulässige Förderung setzt voraus, dass (1.) das Krankenhaus mit klar definierten DAWI betraut wurde, (2.) die Berechnungsparameter für die Förderung zuvor objektiv und transparent aufgestellt wurden, (3.) der Ausgleich nicht über das zur Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen erforderliche Maß hinausgeht und (4.) die Höhe des Ausgleichs entweder durch Ausschreibung oder auf der Grundlage einer Analyse der Kosten ermittelt wird, die ein durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen verursachen würde (benchmarking). Sind diese Kriterien nicht erfüllt, kann die Beihilfe noch nach dem Freistellungsbeschluss, unabhängig von einem bestimmten Schwellenwert zulässig sein. Im Unterschied zu den Altmark-Kriterien beschränkt sich die Höhe des Ausgleichs dann auf die tatsächlich angefallenen Kosten.
Wie umfangreich diese Ausnahmen in Zukunft noch zur Anwendung kommen können, ist seit dem Urteil des Europäischen Gerichts (EuG) vom 07.11.2012 zu den Brüsseler Krankenhäusern fraglich (Az. T-137/10). Das EuG legte das erste Altmark-Kriterium, das auch nach dem Freistellungsbeschluss gilt, eng aus und verlangte die Übertragung einer besonderen Aufgabe, wie dies auch Art. 106 Abs. 2 AEUV voraussetzt. Im Ergebnis hob das Gericht die Entscheidung der Kommission, mit der diese Beihilfen an die öffentlichen IRIS-Krankenhäuser in der Region Brüssel-Hauptstadt bereits nach Abschluss der Vorprüfphase genehmigt hatte, auf.
Kläger gegen die Kommissionsentscheidung war ein Verbund privater Brüsseler Krankenhäuser. Das EuG stellte insbesondere fest, dass Ausgleichszahlungen an öffentliche Krankenhäuser beihilfenrechtlich nur insoweit erlaubt seien, als die Leistung auf Grundlage eines entsprechenden Betrauungsakts mit einer besonderen Gemeinwohlverpflichtung verknüpft ist, die von kommerziellen Anbietern am Markt so nicht wahrgenommen wird. Demnach sei also allein auf die den (hier) kommunalen Krankenhäusern übertragenen Krankenhaussonderaufgaben und nicht auf die allgemeine Gemeinwohlaufgabe der Versorgung mit Krankenhausdienstleistungen abzustellen. Bei konsequenter Anwendung dieser engen Auslegung dürfte die bisher gehandhabte Flexibilität bei der Krankenhausfinanzierung deutlich eingeschränkt werden.
Öffentliche Krankenhäuser und das Beihilfenrenrecht: . In: Legal Tribune Online, 28.11.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10197 (abgerufen am: 11.12.2024 )
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