2/2: Wettbewerbsklage vor dem Landgericht Tübingen
Aktuell stellt sich die Frage nach der beihilfenrechtlichen Zulässigkeit der öffentlichen Krankenhausfinanzierung auch in einem Verfahren vor dem Landgericht (LG) Tübingen. In der seit Mai 2013 anhängigen Wettbewerbsklage (Az. 5 O 72/13) hat der Bundesverband Deutscher Privatkliniken (BDPK) den Landkreis Calw auf Unterlassung des finanziellen Ausgleichs wirtschaftlicher Verluste der Kreiskrankenhäuser in Calw und Nagold verklagt. Anlass der Klage war die Entscheidung des Landkreises, die Fehlbeträge der zwei defizitären Krankenhäuser auch für das Jahr 2012 in Millionenhöhe auszugleichen. Darüber hinaus übernahm der Kreis in den vergangenen drei Jahren Ausfallbürgschaften in Höhe von über 50 Millionen Euro und zahlte den Kliniken Investitionszuschüsse.
In der mündlichen Verhandlung am 20. November 2013 deuteten die Richter allerdings an, sie hielten die Klage für unbegründet. Kommunale Krankenhäuser seien Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Im Unterschied zu den Krankenhäusern in öffentlicher Trägerschaft, die eine flächendeckende Gesundheitsversorgung gewährleisten, und Klinikstandorte auch bei wirtschaftlichen Verlusten zunächst weiterbetreiben müssten, könnten sich private Kliniken von unrentablen Standorten trennen. Dadurch erbrächten kommunale Kliniken eine besondere Leistung der staatlichen Daseinsfürsorge.
Endgültige Klärung wird wohl erst der EuGH bringen können
Die öffentliche Hand argumentierte anlässlich des Verfahrens, dass die Krankenhäuser ein Bestandteil des deutschen Sozialstaats und Garant der in Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verankerten Menschenwürde seien. Deswegen bestehe ein grundgesetzlich gesicherter Anspruch auf eine bedarfsgerechte und effektive Krankenhausversorgung, was auch das EU-Recht respektiere. Es stelle sich daher die Frage, inwieweit die EU überhaupt Einfluss auf das deutsche Gesundheitswesen nehmen dürfe. Jedenfalls seien diese Wertungen bei einer beihilfenrechtlichen Prüfung der Krankenhausfinanzierung zu berücksichtigen und verböten es, kommunale Kliniken wie gewöhnliche Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts zu behandeln.
Aus beihilfenrechtlicher Sicht ist eine Berücksichtigung der Rolle öffentlicher Krankenhäuser sicherlich angezeigt, und eine solche findet sich auch bereits in den Sonderregelungen für die Krankenhausfinanzierung. Eine "beihilfenrechtliche Bereichsausnahme" besteht aber nach dem Urteil des EuG zu den Brüsseler Krankenhäusern sicher nicht. Der Krankenhaussektor wird sich daher der Beihilfenkontrolle nicht entziehen können.
Eine Entscheidung ist derzeit für den 23. Dezember 2013 geplant, wobei möglich ist, dass das Landgericht zunächst noch den EuGH um eine Vorabentscheidung bittet, was zu einer erheblichen Verzögerung des Endurteils von ca. zwei Jahren führen würde. Nach Art. 267 AEUV kann der EuGH unter anderem bei europarechtlichen Auslegungsfragen um eine verbindliche Einschätzung ersucht werden. Vorliegend könnte es zum einen um die Erstreckung des Unternehmensbegriffes auch auf Krankenhäuser und zum anderen um die Anforderungen an die besondere Gemeinwohlverpflichtung gehen. Eine Klarstellung durch den EuGH wäre schon deshalb wünschenswert, um möglichst bald Rechtsklarheit zu schaffen. Angesichts der Summen, die auf dem Spiel stehen, wird die unterlegene Partei ansonsten wohl den Weg durch die Instanzen antreten, bis es letztlich doch zu einer solchen Klärung kommt.
Der Autor Dr. Robin van der Hout ist Partner, die Autorin Anja Köhler ist Anwältin im Brüsseler Büro von Kapellmann und Partner Rechtsanwälte. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen im europäischen Recht, insbesondere im Beihilfen- und Kartellrecht.
Öffentliche Krankenhäuser und das Beihilfenrenrecht: . In: Legal Tribune Online, 28.11.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10197 (abgerufen am: 13.12.2024 )
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