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43178

Sexualisierte Gewalt gegen Kinder: Höhere Strafen und ein Sex­pup­pen­verbot

von Annelie Kaufmann

22.10.2020

Mädchen, das Handfläche mit dem Wort "Help" beschriftet hat.

mihakonceptcorn - stock.adobe.com

Die Bundesregierung will höhere Strafen für sexualisierte Gewalt gegen Kinder. Auch der Besitz von kindlichen Sexpuppen soll unter Strafe gestellt werden. 

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Die Bundesregierung hat am Mittwoch einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder beschlossen. 

Insbesondere sollen die §§ 176 bis 176b des Strafgesetzesbuches (StGB), die derzeit noch mit "Sexueller Missbrauch von Kindern" überschrieben sind, neu gefasst werden. Künftig heißt es "Sexualisierte Gewalt gegen Kinder", es sind höhere Mindeststrafen und eine neue Abgrenzung der Straftatbestände vorgesehen. Damit soll "das Unrecht dieser Straftaten klarer umschrieben werden", heißt es in der Begründung des Entwurfs.

Der Grundtatbestand der sexualisierten Gewalt gegen Kinder soll künftig ein Verbrechen sein mit einem Strafrahmen von einem Jahr bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe (bisher als Vergehen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bedroht). Auch Verbreitung, Besitz und Besitzverschaffung von Kinderpornografie sollen zum Verbrechen hochgestuft werden.

Geldstrafen oder Freiheitsstrafen für den Besitz von Kindersexpuppen

Zudem soll ein neuer § 184l StGB künftig "Inverkehrbringen, Erwerb und Besitz von Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild unter Strafe stellen. Für Händler sind bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe vorgesehen, wer ein solche Sexpuppe erwirbt oder besitzt muss mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe rechnen. 

Zur Begründung des Verbots heißt es, es bestehe die Gefahr, dass die Nutzung solcher Sexpuppen die Hemmschwelle zu sexualisierter Gewalt gegen Kinder absenke. Zudem solle "der Markt für solche Puppen ausgetrocknet werden", so das BMJV. 

Das Verbot der Kindersexpuppen sei auf Drängen der Union aufgenommen worden: Man könne "kaum glauben, dass Kindersexpuppen bislang frei verkäuflich waren, denn mit diesen werden pädophile Verhaltensmuster eingeübt und Hemmschwellen gesenkt", so der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Jan-Marco Luczak. Auch der rechtspolitische Sprecher der SPD, Johannes Fechner, sagte, es bestehe das Risiko, dass Pädophile von diesen Sexpuppen "irgendwann auf Kinder übergehen". Fechner sagte weiter, man werde den Gesetzentwurf nun rasch im Bundestag beraten und verabschieden.

Der Gesetzentwurf enthält auch Regelungen, die insbesondere eine bessere Qualifikation von Familienrichtern, Jugendrichtern und Verfahrensbeiständen sicherstellen sollen. Zudem soll ausdrücklich ein Beschleunigungsgebot für Strafverfahren mit minderjährigen Opferzeugen verankert werden. Außerdem soll bei schwerer sexualisierter Gewalt gegen Kinder und bei sexualisierter Gewalt gegen Kinder mit Todesfolge die Anordnung von Untersuchungshaft möglich sein, auch wenn keine weiteren Haftgründe vorliegen. 

Die Fristen für die Aufnahme von relevanten Verurteilungen in erweiterte Führungszeugnisse werden erheblich verlängert: bei besonders kinderschutzrelevanten Verurteilungen auf 20 Jahre zuzüglich der Dauer der Freiheitsstrafe. 

Vorratsdatenspeicherung, um Kinderpornographie zu bekämpfen?

Vorgesehen ist auch eine Erweiterung der Ermittlungsbefugnisse. Da der Grundtatbestand der sexualisierten Gewalt gegen Kinder und Kinderpornografie, die tatsächliche sexualisierte Gewalt zeigt, als Verbrechen eingestuft werden, soll auch in diesen Fällen die Telekommunikationsüberwachung, die Online-Durchsuchung sowie die Erhebung von Verkehrsdaten (Vorratsdatenspeicherung) möglich sein. 

Allerdings liegt die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland derzeit auf Eis. Demnächst wird eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) dazu erwartet. Die Luxemburger Richter haben gerade erst mit einer Entscheidung zu Vorlagen aus Großbritannien, Frankreich und Belgien bereits deutlich gemacht, wo sie stehen: Nationale Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung können zulässig sein, aber nur in Ausnahmefällen, insbesondere, wenn es um Terrorismusbekämpfung geht.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) weist in ihrem Begleitschreiben an das Bundeskanzleramt auf die anstehende Entscheidung hin. Falls der EuGH während des laufenden Gesetzgebungsverfahrens entscheide, werde die Bundesregierung "dem Deutschen Bundestag einen ergänzenden Vorschlag unterbreiten", heißt es darin. Es geht dabei insbesondere um die Speicherung von IP-Adressen und Portnummern.

Unter anderem die Innenminister der Länder, aber auch Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD), hatten gefordert, die Vorratsdatenspeicherung bei der Bekämpfung von Kinderpornografie zu ermöglichen. Lambrecht hatte zunächst angekündigt, eine anstehende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zur Vorratsdatenspeicherung abzuwarten. 

Zungenkuss zwischen Teenagern soll nicht strafbar sein

Lambrecht hatte bereits im Juni ein umfangreiches Gesetzespaket mit neu geregelten Straftatbeständen zu sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Kinderpornografie angekündigt – nachdem vor allem aus der Union vor dem Hintergrund der Kindesmissbrauchsfälle in Nordrhein-Westfalen Rufe nach schärferen Strafen laut wurden. 

An dem Vorhaben von Lambrecht gab es scharfe Kritik aus der Strafrechtswissenschaft, insbesondere an der geplanten Anhebung der Strafrahmen. So sagte etwa der Göttinger Strafrechtsprofessor Dr. Dr. h.c. Kai Ambos, es drohe eine "Überkriminalisierung der leichten Fälle", wie etwa der des einvernehmlichen Zungenkusses eines 15-Jährigen mit einer 13-Jährigen. 

Darauf reagierte das BMJV schon in seinem Referentenentwurf mit einer Ergänzung des neu gefassten § 176 StGB: Demnach kann das Gericht von der Strafe absehen, "wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus." In der Begründung des Entwurfs heißt es dazu, auf "gleichrangige Interaktionen zwischen jungen Menschen, die Teil der sexuellen Entwicklung sind", solle nicht unverhältnismäßig reagiert werden.

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Sexualisierte Gewalt gegen Kinder: . In: Legal Tribune Online, 22.10.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43178 (abgerufen am: 09.11.2025 )

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