Druckversion
Sonntag, 28.05.2023, 20:39 Uhr


Legal Tribune Online
Schriftgröße: abc | abc | abc
https://www.lto.de//recht/hintergruende/h/go-ausschuss-bundestag-abwahl-rechtsausschuss-vorsitzender-brandner-afd/
Fenster schließen
Artikel drucken
38597

Geschäftsordnungsausschuss des Bundestags gibt grünes Licht: Ste­phan Brandner kann abge­wählt werden

07.11.2019

Stephan Brandner

Bild: Olaf Kosinsky, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0, Zuschnitt und Skalierung durch LTO

Der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestags, Stephan Brandner, kann in der nächsten Sitzung des Gremiums abgewählt werden. Rechtlich sei das auf Grundlage der geltenden Geschäftsordnung möglich, so der zuständige GO-Ausschuss.

Anzeige

Nach seiner umstrittenen "Judaslohn"-Äußerung steht der AfD-Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner vor der Abwahl als Vorsitzender des Rechtsausschuss. Die Abwahl könnte in der nächsten Sitzung des Rechtsausschusses am 13. November erfolgen. Dafür braucht es keine vorherige Änderung der Geschäftsordnung des Bundestags (GO BT), stellte der zuständige Ausschuss in seiner Sitzung vom Donnerstag fest: Schon jetzt könnten die Mitglieder eines Ausschusses dessen Vorsitzenden abwählen.

Der GO-Ausschuss hatte sich mit der Frage zu befassen, ob eine Abwahl Brandners rechtlich überhaupt möglich ist. In der GO BT, also den internen Regeln zu den Verfahren des Bundestags, findet sich keine ausdrückliche Regelung zur Abwahl eines Ausschussvorsitzenden. Als einzige Vorschrift kommt § 58 der GO BT in Frage. Dort heißt es: "Die Ausschüsse bestimmen ihre Vorsitzenden und deren Stellvertreter nach den Vereinbarungen im Ältestenrat." Aber die Rede ist eben nur von "bestimmen".

Nach der Ansicht mehrerer Rechtswissenschaftler lässt sich daraus allerdings im Gegenschluss folgern, dass die Vorschrift auch die Abwahl umfasst. Der Gedanke dahinter: Wen die Ausschussmitglieder mehrheitlich gewählt haben, den müssen sie auch mit Mehrheitsentscheidung wieder absetzen können. Dieser Auffassung ist der Ausschuss nun offenbar gefolgt, sämtliche Mitglieder mit Ausnahme von denen der AfD erklärten eine Abwahl für möglich.

Rechtspolitiker: "Brandner in dieser Funktion nicht tragbar"

"Stephan Brandner ist nicht geeignet, den Rechtsausschuss zu führen", erklärte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin und Mitglied des GO-Ausschusses, Britta Haßelmann am Mittwochabend nach der Sitzung des Ausschusses. "Er zerstört mit seinen Äußerungen die Gesprächsbrücken zu Bürgerinnen und Bürgern, zur Anwaltschaft, zu Berufsverbänden, zu Religionsgemeinschaften, zur Zivilgesellschaft. Seine letzten Äußerungen machen deutlich, dass wir weiterhin mit seinen ständigen Entgleisungen rechnen müssen. Er selbst hat jede Voraussetzung dafür, die Aufgabe als Vorsitzender des Rechtsausschusses in einer pluralen, offenen Demokratie wahrnehmen zu können, verspielt. Nur er trägt dafür die Verantwortung".

Nach verächtlichen Äußerungen nach dem Anschlag in Halle im Oktober war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, Brandners Tweet zu AfD-kritischen Äußerungen des Musikers Udo Lindenberg, der kürzlich das Bundesverdienstkreuz erhielt. "Klar, warum der gegen uns sabbert/sabbern muss", schrieb Brandner auf Twitter. Dazu stellte der Abgeordnete ein Zitat aus einem Zeitungsartikel zur Auszeichnung Lindenbergs mit dem Bundesverdienstkreuz und fügte den Hashtag "#Judaslohn" hinzu.

Die Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen machten deshalb bereits am Mittwoch im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz deutlich, dass sie Stephan Brandner als Vorsitzenden ablehnen. Die Ausschussmitglieder dieser Parteien wollten nicht länger von ihm repräsentiert werden. Der CDU-Rechtspolitiker Jan-Marco Luczak sagte am Mittwoch im Namen aller Fraktionen außer der AfD, Brandner fehlten offenbar Eigenschaften, die für den Vorsitz des Rechtsausschusses, der über die Demokratie und den Schutz des Rechts wache, unabdingbar seien.

Luczak warf dem AfD-Politiker Grenzüberschreitungen und Diffamierungen sowie die bewusste Nutzung antisemitischer Begriffe vor. Brandner befinde sich damit "in fundamentalem Widerspruch zu all dem, wovon wir überzeugt sind". Brandners Agieren beschädige die Arbeit des Ausschusses und das Amt des Vorsitzenden und schade dem Ansehen des Gremiums und des gesamten Parlaments. Er sei deshalb "in dieser Funktion nicht tragbar". Seine offensichtlich nicht ernst gemeinte Entschuldigung vom 17. Oktober für einen Tweet nach dem rechtsterroristischen Anschlag in Halle könne nicht akzeptiert werden. Luczak sagte, er gehe davon aus, dass Brandner nicht freiwillig zurücktreten werde, und forderte die AfD-Fraktion auf, ihn durch jemand anderen zu ersetzen. 

Brandner lehnte einen Rücktritt vom Vorsitz am Mittwoch ab. In einer anschließenden Presserklärung wies er die gegen ihn erhobenen Vorwürfe als "haltlose, unkonkrete Anschuldigungen" zurück. "Inhaltliche Kritik an meiner Arbeit als Ausschussvorsitzender ist mir nicht bekannt, im Gegenteil. Es gibt daher keinen Grund für einen Rücktritt vom Vorsitz des Rechtsausschusses. Wie jeder andere auch, habe ich zudem das Recht, meine Meinung frei zu äußern." Zum umstrittenen Tweet erklärte er u.a., dass er den Begriff "Judaslohn" auf Twitter als Privatperson geäußert habe, für einen Rücktritt vom Posten des Vorsitzenden sehe er keinen Grund. 

hs/pl/LTO-Redaktion

  • Drucken
  • Senden
  • Zitieren
Zitiervorschlag

Geschäftsordnungsausschuss des Bundestags gibt grünes Licht: Stephan Brandner kann abgewählt werden . In: Legal Tribune Online, 07.11.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38597/ (abgerufen am: 30.05.2023 )

Infos zum Zitiervorschlag
  • Mehr zum Thema
    • Staatsrecht und Staatsorganisationsrecht
    • AfD
    • Bundestag
    • Politiker
12.05.2023
Whistleblowing

Nach Einigung im Vermittlungsausschuss:

Bun­destag und Bun­desrat segnen Whist­le­b­lower-Gesetz ab

Mit anderthalb Jahren Verspätung ist es durch: das Whistleblower-Gesetz. Nachdem der Vermittlungsausschuss Kompromisse für das Hinweisgeberschutzgesetz erarbeitet hat, wurde das Gesetz nun zügig vom Bundestag und Bundesrat abgesegnet.

Artikel lesen
11.05.2023
Innere Sicherheit

Bundestag fordert strengere Kontrollen für Ex-Beamte:

Vom Staats­diener zum Staats­ge­fährder?

Wer als Spitzenbeamter Wissen über die Arbeitsweise deutscher Nachrichtendienste oder andere sicherheitsrelevante Fragen erlangt, darf das in einem neuen Job nicht nutzen. Dem Kontrollgremium des Bundestages geht das aber nicht weit genug. 

Artikel lesen
29.05.2023
Jurastudium

Videobericht zu Demonstration vor Justizministerkonferenz:

"Die juris­ti­sche Aus­bil­dung darf nicht krank machen!"

Empörte Nachwuchsjuristen gewappnet mit Megaphon und Schildern richten ihre Reform-Forderungen an die in Berlin tagenden Justizminister. Angesichts sinkender Studentenzahlen liegt der Handlungsbedarf auf der Hand. Wie reagiert die Politik? 

Artikel lesen
29.05.2023
Arbeitszeit

Arbeitszeitmodelle in Kanzleien:

Mit Teil­zeit in die Part­ner­schaft?

60 Stunden die Woche, am Wochenende erreichbar: Für einige Anwälte ist das normal, andere wollen mehr Zeit für Familie und Hobbys. Ist Teilzeitarbeit in Großkanzleien überhaupt realistisch? Und wie sieht es mit der Partnerschaft aus?

Artikel lesen
27.05.2023
BVerfG

Abschied von Baer und Britz am BVerfG:

"Diver­sität ist berei­chernd"

In einer bewegenden Abschiedsrede reflektierte Susanne Baer ihre Rolle als erste offen lesbische Verfassungsrichterin. Sie und Gabriele Britz warnten vor populistischen Angriffen auf das BVerfG. Christian Rath hat zugehört.

Artikel lesen
28.05.2023
Referendariat

Gestrichene Prüfungsorte in Bayern:

Laptop und Land­straße

Bayern streicht Prüfungsstandorte, um das E-Examen einzuführen. Das schafft Ungleichheit und macht nicht nur die Juristenausbildung unattraktiver, sondern wird auch zum übergeordneten Glaubwürdigkeitsproblem für die Politik, meint Holm Putzke.

Artikel lesen
TopJOBS
Aka­de­mi­sche*r Mit­ar­bei­ter*in (m/w/d) (Qua­li­fi­ka­ti­ons­s­tel­le)

Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg , Cott­bus

Füh­rungs­kraft (m/w/d) in der Lauf­bahn­grup­pe 2.2

LAFP NRW (Polizei) , Düs­sel­dorf

Key Ac­co­unt Ma­na­ger Pu­b­lic (Ho­me Of­fice) (m/w/d)

Wolters Kluwer Deutschland GmbH , 100% Re­mo­te

Rechts­an­wäl­te (m/w/d) als An­ge­s­tell­te oder Frei­be­ruf­ler

RechtDialog Rechtsanwaltsgesellschaft mbH , 100% Re­mo­te

Rich­ter/in auf Pro­be (m/w/d)

Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz des Landes Sachsen-Anhalt , Mag­de­burg

Geld ver­die­nen als Te­le­fon­an­walt / Te­le­fon­an­wäl­tin

DAHAG Rechtsservices AG , 100% Re­mo­te

Sach­be­ar­bei­ter*in (w/m/d) Jus­ti­zia­riat

SPD-Parteivorstand , Ber­lin

Re­fe­ren­da­re (m/w/d) al­le Fach­be­rei­che

Oppenhoff , Frank­furt am Main

Alle Stellenanzeigen
Veranstaltungen
Online Info Session Part-time Master (MA)

06.06.2023

CV writing workshop – What it takes to stand out

06.06.2023

Internationale Vertragsgestaltung

07.06.2023

Online Info Session Bachelor in Law, Politics and Economics (BA)

07.06.2023

Online Info Session Bachelor in Business Studies (BSc)

07.06.2023

Alle Veranstaltungen
Copyright © Wolters Kluwer Deutschland GmbH