Elektronische Fußfessel für Extremisten: Justizministerium legt Gesetzentwurf vor

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Kurz nach dem Terroranschlag in Berlin will das BMJV "verurteilte Extremisten" leichter per elektronische Fußfessel überwachen können. Schon bald könnte das auch präventiv bei sog. Gefährdern eingesetzt werden, meint Henning Ernst Müller.
Schon im Sommer 2016 haben sich die Unions-Innenminister auf einen Forderungskatalog geeinigt, in dem die elektronische Fußfessel für "Gefährder und verurteilte Extremisten" enthalten war.
Nun – kurz nach dem Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt – hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die elektronische Aufenthaltsüberwachung (EAÜ) "verurteilter Extremisten" erleichtern soll.
In dem am Mittwoch publizierten Referentenentwurf ist vorgesehen, § 66 Abs. 3 Strafgesetzbuch (StGB), in dem die Anlassdelikte für eine Sicherungsverwahrung bestimmt werden, um drei Vergehenstatbestände zu erweitern. Künftig sollen also die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat nach § 89a Abs. 1 bis 3 StGB, die Terrorismusfinanzierung nach § 89c Abs. 1 bis 3 StGB und das Unterstützen einer in- oder ausländischen terroristischen Vereinigung nach § 129a Abs. 5 S. 1 1. Alt. StGB zur Anordnung der Sicherungsverwahrung berechtigen.
Staatsschutzdelikte als Anlass für Sicherungsverwahrung und Führungsaufsicht
Der Katalog für die Sicherungsverwahrung erhält seine Bedeutung dadurch, dass er nach § 68b Abs. 1 S. 3 Nr. 2 StGB gleichermaßen für die EAÜ im Rahmen der Führungsaufsicht nach § 68b Abs. 1 Nr. 12 gilt. Ein Verstoß gegen Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht ist wiederum selbständig strafbar nach § 145a StGB.
Die erweiterte Möglichkeit der Anordnung der Sicherungsverwahrung wird – um dem Rückwirkungsverbot zu genügen – erst für künftige Straftaten gelten. Die EAÜ in der Führungsaufsicht soll aber nach dem Gesetzentwurf auch für bereits begangene Taten bzw. vollstreckte Strafen angeordnet werden können.
Trotzdem wird diese Erweiterung nur sehr geringe praktische Auswirkungen haben: Wegen der genannten Vergehenstatbestände sind bislang überhaupt nur sehr wenige Straftäter verurteilt worden. Zudem setzt die Maßregelanordnung eine Mindestverurteilung zu drei Jahren Freiheitsstrafe voraus (§ 68b Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB), was bei den genannten bloßen Vergehen, die jeweils eine Mindeststrafe von sechs Monaten aufweisen, die Zahl der zusätzlich in Betracht kommenden Verurteilten noch einmal erheblich reduzieren dürfte.
2/2: Elektronische Fußfesseln bei Führungsaufsicht: kaum genutztes Instrument
Die EAÜ bei Führungsaufsicht ist seit 2011 bundesgesetzlich geregelt. Sie kann unter bestimmten Voraussetzungen bei Straftätern angeordnet werden, die wegen Begehung von Verbrechen oder einiger benannter Vergehen verurteilt wurden.
Praktiziert wird sie aber relativ selten. Eine erst im vergangenen Jahr vorgelegte, vom BMJV in Auftrag gegebene, kriminologische Untersuchung von Bräuchle und Kinzig zählt bundesweit seit 2011 nur 76 Fälle.
Die meisten davon (54) wurden in Bayern angeordnet. In den anderen Bundesländern gibt es nur wenige oder überhaupt keine führungsaufsichtlich elektronisch Überwachten. Die Anordnung erfolgte ausschließlich bei Gewalt- bzw. Sexualstraftätern. Die Fußfessel ist – lt. Befragung der Betroffenen wie auch der zuständigen Bewährungshelfer und Polizeibeamten – zwar technisch inzwischen ausgereift, kann aber die Wiedereingliederung behindern. Die nötigen Polizeikontrollen (Alarme meist wegen leerer Akkus) können aufwändig sein. Insbesondere die Bewährungshelfer sind insgesamt eher skeptisch. Eine Ausweitung wurde von den Kriminologen nicht empfohlen.
Bald auch präventive Fußfessel für "Gefährder"?
Allerdings kann damit gerechnet werden, dass, wie in der Übereinkunft der Unions-Innenminister ja bereits formuliert, eine EAÜ bei terroristischen "Gefährdern" auch im Ausländer- und Polizeirecht eingeführt werden soll. Während einer präventiven Inhaftierung, wie sie Michael Kubiciel auf LTO zur Diskussion stellt, rechtsstaatliche Bedenken entgegenstehen, erscheinen solche hinsichtlich einer EAÜ weniger erheblich.
Seit Anfang 2016 ist nach § 56 AufenthaltsG bei ausreisepflichtigen Ausländern ohnehin schon die Anordnung empfindlicher Meldeauflagen möglich, die auch strafrechtlich bewehrt sind (§ 95 AufenthaltsG). Dass man Meldeauflagen beim späteren Attentäter Amri versäumt hat, wird aktuell zu Recht kritisiert, da ihm die Mobilität seine Tatvorbereitung möglicherweise erleichtert hat.
Allerdings darf man sich von einer elektronischen Überwachung keine präventiven Wunderdinge erwarten: Nach der Untersuchung von Bräuchle/Kinzig kam es bei einigen der elektronisch Überwachten dennoch zu Rückfallstraftaten, immerhin 20 Prozent wurden im Untersuchungszeitraum erneut zu Freiheitsstrafen verurteilt. Einen zur Tatbegehung entschlossenen Extremisten wird auch eine EAÜ nicht von einem Anschlag abhalten. Einer der beiden islamistisch motivierten Mörder eines Priesters im französischen Rouen im August 2016 trug eine Fußfessel.
Der Autor Prof. Dr. Henning Ernst Müller ist Professor für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Regensburg.
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Weil das ja so toll Straftaten verhindert. Das haben wir ja bei den haftentlassenen Sexualstraftätern gesehen.
Super IdeeUnd eine Bombe ist deutlich schneller gezündet, als eine Joggerin ins Gebüsch gezogen...
Wer denkt sich solche Scheissgesetze aus?
Bitte etwas sachlicher!
Sie mich auch!
In der Tat. Man muss sich doch nur die Frage stellen, ob eine Fußfessel solch einen Anschlag wie in Berlin hätte verhindert werden können:
ReibertDazu müsste man, als erstes, dem als Gefährder eingestuften Adressaten, von dem man annimmt, dass er solcherlei Anschläge plant, zunächst einmal aufgeben sich von allen potentiellen Anschlagszielen fernzuhalten. Also prinzipiell von jeder Veranstaltung, bei der es zu einem Menschenauflauf überhaupt nur kommen kann.
Das sind Märkte, Weihnachtsmärkte und Volksfeste jeder Art. Zusätzlich Sport- und Kulturveranstaltungen jeder Art. Ferner Aufzüge und Demonstrationen jeder Art. Und überhaupt alle Orte, an denen es regelmäßig zu größeren Menschenansammlungen kommt, ohne dass ein konkreter Organisator dahinter steht.
Ein betreffender VA dürfte praktisch kaum bestimmt genug zu fassen sein.
Zweitens müsste dem Adressaten aufgegeben werden, alle Orte schlechthin zu meiden, an denen er einen LKW entern könnte.
Auch das dürfte praktische kaum durchführbar sein.
Und dann, als drittes , stellt sich das Problem der Vollziehung. Denn, einmal unterstellt dem Adressaten könnten die entsprechendes Auflagen wirksam gemacht werden, müsste im Falle eines Verstoßes so unmittelbar Verwaltungszwang angewendet werden und zwar so schnell, dass dem Adressat keine Zeit mehr bliebt seinen Tatplan auszuführen; also ein Fahrzeug zu kapern und in eine Menschenmenge zu lenken. Was im Einzelfall auch ein Zeitfenster von wenigen Minuten sein kann.
Und dann, an vierter Stelle, ist überhaupt nicht klar, was zeitnah passieren soll, wenn der Gefährder -immerhin ein potentieller terroristischer Massenmörder- seine Fußfessel abmacht und untertaucht, bevor er seinen Plan in Ausführung setzt.
Ich möchte mich meinem Vorredner anschließen: Selten so einen Scheiß gelesen.
Ich glaube ebenfalls nicht, dass diese Vorhaben tatsächlich präventive Signale geben, zumal sich die Frage stellt wie eine dauerhafte (elektronische) Überwachung eine Tatolanung an sich verhindern soll.
NiklasGenerell muss man aber sagen: Auch wenn der Anlass unschön ist, so ist es doch gut, dass das Thema elektronische Überwachung von Straffälligen (gleich welcher Art) mal wieder auf den Tisch kommt. Der Bund der Steuerzahler würde Tränen weinen, wenn diese flächendeckend eingeführt werden könnte ;)
Pass auf, der Dobrindt hängt dann noch ne Maut an die Fußfesseln für jeden marschierten Kilometer :-)