Bettina Wulff wehrt sich gegen Rotlicht-Gerüchte. Die pikanten Geschichten werden seit vielen Monaten genüsslich im Internet verbreitet. Niko Härting erklärt, warum die frühere First Lady erst jetzt in die Offensive geht und ob sie Google verbieten lassen kann, im Zusammenhang mit ihrem Namen Begriffe wie "Prostituierte" als Suchbegriff vorzuschlagen.
Dezember 2011. Bettina Wulff und die Rotlicht-Gerüchte waren das heißeste Gesprächsthema im Berliner Partygeschehen. Jeder kannte die Geschichten: jeder Journalist, jeder Politiker, jeder Talkshow-Gast. Kaum jemand zweifelte daran, dass an den Gerüchten etwas dran war. Und man unterhielt sich vor allem darüber, wann die Rotlicht-Stories endlich die Schlagzeilen der BILD-Zeitung erreichen würden.
Hätte Bettina Wulff damals den Schritt in die Öffentlichkeit gewagt und die Gerüchte selbst zum Thema gemacht, hätten viele ihr nicht geglaubt. Und der Schritt in die Öffentlichkeit wäre eine Einbahnstraße gewesen, aus der es kein Zurück gegeben hätte. Denn das Bundesverfassungsgericht vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass Privates nur dann privat bleiben kann, wenn sich der Betroffene "konsistent" verhält und das Private auch tatsächlich von den neugierigen Blicken der Öffentlichkeit fernhält (vgl. BVerfG, Urt. v. 15.12.1999, Az. 1 BvR 653/96 - Caroline von Monaco II).
Nachdem die "Skandalwelle" abgeklungen ist, ist es für Bettina Wulff jetzt leichter, in ihrer "Opferrolle" ernst genommen zu werden. Nachdem Günther Jauch und andere Journalisten und Blogger Unterlassungserklärungen abgegeben haben, geht die Ex-First Lady gegen Google vor. Sie verklagt den Internet-Riesen auf Beseitigung diverser Begriffe wie "Prostituierte" oder "Escort", welche die Suchmaschine derzeit vorschlägt, wenn man den Namen der 39-Jährigen eingibt.
Was Google kann, muss Google noch lange nicht
Die Google-Suchvorschläge werden durch Rechenformeln (Algorithmen) generiert. Sie beruhen auf Wahrscheinlichkeitsberechnungen. Je mehr Google-Nutzer sich für die Rotlicht-Gerüchte interessieren, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass dem Nutzer bei Eingabe des Namens "Bettina Wulff" entsprechende Suchbegriffe vorgeschlagen werden. Man gebe einmal den Namen eines beliebigen DFB-Nationalspielers bei Google ein – und bekommt häufig das Wort "schwul" als Suchvorschlag. Oder man gebe einmal "Annette Schavan" ein – einer der Suchvorschläge ist "Plagiat".
Googles Suchalgorithmen sind so geheim wie die Coca-Cola-Mischung. Daher weiß nur das Internetunternehmen selbst, welchen Aufwand es verursachen würde, die Autocomplete-Funktion so zu programmieren, dass sie die von Bettina Wulff beanstandeten Suchbegriffe unterdrückt. Bei urheberrechtlich relevanten Begriffen in der Vorschlagsliste beispielsweise kündigte Google-Jurist Kent Walker nach Meldungen von Spiegel Online schon 2010 an, Begriff zu blockieren, "die eng mit Piraterie verbunden sind". Dass der weltweite Marktführer unter den Suchmaschinen – entgegen aktuellen Bekundungen, in denen er sich auf "das algorithmisch erzeugte Resultat mehrerer objektiver Faktoren, inklusive der Popularität der eingegebenen Suchbegriffe" beruft – durchaus in der Lage sein dürfte, dem Ansinnen der Frau Wulff nachzukommen, heißt allerdings noch lange nicht, dass das Unternehmen hierzu auch verpflichtet ist.
Um den Rechtsstreit mit Google zu gewinnen, wird Frau Wulff nachweisen müssen, dass die Suchbegriffe Persönlichkeitsrechte verletzen. Dies aber ist mehr als fraglich: Wenn man nach "Jürgen Klinsmann" sucht und das Wort "schwul" unter den Suchvorschlägen findet, wird man dies nicht als Behauptung verstehen, dass der Ex-Fußballer homosexuell sei.
LG Köln: Suchvorschläge sind nur Kombinationen von Suchvariablen
Dementsprechend wies das Landgericht Köln vor einem knappen Jahr die Klage eines Managers ab, dessen Name in den Suchvorschlägen unter anderem mit "Scientology" und "Betrug" in Verbindung gebracht wurde. Die Kölner Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass die Suchvorschläge – anders als beispielsweise Google-Snippets, also die Suchergebnisse ( dazu etwa KG vom 03.11.2009, Az. 9 W 196/09) – nicht als Aussagen über die Person verstanden, sondern lediglich als "Kombination von Suchvariablen (…), die zu den unterschiedlichsten Ergebnissen und Aussagen führen können".
Da es an einer Tatsachenbehauptung oder einer sonstigen Meinungsäußerung fehle, komme eine Persönlichkeitsverletzung nicht in Betracht (LG Köln vom 19.10.2011, Az. 28 O 116/11). Ähnlich hatte kurz zuvor auch das Oberlandesgericht München entschieden. Dort ging es um Betrugsvorwürfe gegen den Betreiber eines Online-Branchenbuchs (OLG München vom 29.9.2011, Az. 29 U 1747/11).
Es spricht somit vieles dafür, dass die Erfolgsaussichten der Wulff-Klage mäßig sind. Die Einbahnstraße könnte schon bald zur Sackgasse werden.
Der Autor Professor Niko Härting ist Partner bei Härting Rechtsanwälte in Berlin, Lehrbeauftragter und Honorarprofessor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR Berlin) sowie Lehrbeauftragter an der Freien Universität Berlin. Er ist Verfasser zahlreicher Veröffentlichungen vor allem zum IT- und IP-Recht.
Niko Härting, Bettina Wulff klagt gegen Google: . In: Legal Tribune Online, 10.09.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7040 (abgerufen am: 05.12.2024 )
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