Kindern illegaler Einwanderer in den USA droht Abschiebung: Das Ende der Dreamer?

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Das Auslaufen des DACA-Programms im März 2018 bedroht die Zukunft der rund 800.000 "Dreamer" in den USA. Ihre einzige Chance ist eine umfassende Einwanderungsreform - doch der Preis dafür wäre hoch, erklärt Desirée C. Schmitt.
Im September 2017 verkündete der amerikanische Justizminister Jeff Sessions das Auslaufen des Memorandums "Deferred Action for Childhood Arrivals" (kurz DACA). Das Memorandum stammt noch aus der Obama-Administration und schützt die sogenannten "Dreamer" - junge illegal Eingereiste, die von einer Zukunft in den Vereinigten Staaten träumen.
Das Memorandum schreibt Folgendes vor: Im Alter von unter 16 Jahren illegal Eingereiste sollen nicht abgeschoben werden, sofern sie noch unter 30 sind, seit mindestens 2007 ohne Vorstrafen in den USA leben und sich in einer Schulausbildung befinden oder eine solche bereits abgeschlossen haben.
Ein ähnliches Programm ("Deferred Action of Parents of Americans and Lawful Permanent Residents", kurz DAPA) sah zwar zudem den Abschiebungsschutz von sich illegal in den USA aufhaltenden Eltern von amerikanischen Kindern vor, ist jedoch nie effektiv in Kraft getreten.
Duldung, keine Legalisierung
Rechtlich betrachtet beinhaltet DACA eine Anweisung zur Ermessensausübung in Abschiebefällen. Der Fokus bei Abschiebungen sollte insbesondere auf straffällig gewordene illegale Einwanderer gelegt werden; für "Dreamer" hingegen sollte das Ermessen gegen eine Abschiebung ausgeübt werden. Sie sollen zudem arbeiten, studieren und bestimmte staatliche Hilfen in Anspruch nehmen können.
Die "Dreamer" sollten in den Genuss dieses Schutzes kommen, weil sie in den USA aufgewachsen sind, oftmals keine andere Heimat kennen und von ihren Eltern und damit fremdbestimmt in die USA gebracht wurden. Doch der Abschiebungsschutz bedeutete keineswegs eine Legalisierung des Aufenthaltsstatus. Vielmehr blieben sie illegale Einwanderer, die nur nicht abgeschoben wurden. Aus diesem Grund ist das Memorandum auch nicht als förmliche Amnestie zu werten.
Republikaner drohten mit Klage
Doch auch wenn diese Ermessensanweisung vielleicht harmlos erscheinen mag, so war das Memorandum von Beginn an umstritten. Ex-Präsident Obama musste auf diese Exekutivanordnung ausweichen, weil Gesetzgebungsversuche im Kongress scheiterten. Daher war und ist strittig, ob das Memorandum eine verfassungsrechtliche Kompetenz vermissen lässt und ob Obama den demokratischen Mehrheitsfindungsprozess und die Gewaltenteilung in diesem Fall ausschaltete. Zehn (republikanische) Staaten setzten der Trump-Administration das Messer auf die Brust: entweder er verkünde das Auslaufen oder sie erhöben Klage.
Trotz dieser Kritik gab es auch viele Befürworter. Obama waren aufgrund der Lähmung des Kongresses schlichtweg die Hände gebunden. Er wollte den "Dreamern" zumindest vorübergehend Sicherheit geben. Und diese nahmen dankend an. Ca. 800.000 Menschen registrierten sich für DACA und gaben sich damit den Behörden als illegale Einwanderer zu erkennen.
Am 5. März 2018 läuft DACA aus. Es wäre an Präsident Trump gewesen, den Abschiebungsschutz zu verlängern. Doch ganz im Sinne seiner strikten Linie (Stichwort "Travel Ban") verkündete er das Auslaufen des Programms, es sei denn der Kongress würde sich auf ein Gesetz einigen. Das würde jedoch seinen Preis haben.
2/2: Deal or No Deal?
Man könnte meinen, dass ein Gesetz, das zu Zeiten Obamas über Jahre hinweg verhandelt wurde und immer wieder scheiterte, nun erst recht keine Mehrheit finden würde. Die Zerstrittenheit im Kongress, nicht nur zwischen Demokraten und Republikanern, kombiniert mit einem Zeitrahmen von sechs Monaten und dem höchstkomplexen Thema Einwanderung sind nur einige Aspekte dieser Mammutaufgabe.
Umso überraschender war die Verkündung einer Einigung zwischen Demokraten und Republikanern. Allerdings dementierten die Republikaner diese Aussage und machten deutlich: DACA ist nur Verhandlungsmasse. Was genau die Regierung für eine umfassendere Einwanderungsreform fordern würde, machte sie im Laufe der letzten Wochen deutlich.
Fünf Forderungen – das Preisschild für den Schutz der "Dreamer"
Anfang Oktober schickte Trump seine Wunschliste zum Kongress. Auf ihr befinden sich fünf besonders heikle Forderungen an einen Deal, mit denen die Demokraten voraussichtlich nicht einverstanden sein werden. Zunächst ist da die altbekannte Forderung nach der "Wall". Die Finanzierung und Infrastruktur der Grenzmauer zu Mexiko sollen Teil des Deals sein.
Auch die nächste Forderung ist nicht neu: Den sogenannten "Sanctuary Cities" ("Zufluchtsstädte") sollen die Gelder entzogen werden. Als "Sanctuary Cities" werden solche Städte bezeichnet, die Schutz für illegale Einwanderer gewähren. Dies bedeutet, dass sie die Zusammenarbeit mit der Bundesregierung in Sachen Einwanderungskontrolle auf ein Minimum zurückfahren, bspw. indem die lokale Polizei die Zusammenarbeit mit den Bundeseinwanderungsbehörden verweigert. Die dritte Forderung betrifft unbegleitete Minderjährige. Diese sollen, entgegen der jetzigen Rechtslage, die besondere Schutzmöglichkeiten vorsieht, bei Ankunft an der Grenze möglichst direkt zurückgewiesen werden, um den, wie Trump es bezeichnet, "dramatischen Pull-Faktor" abzustellen.
Eine weitere höchst umstrittene Forderung dreht sich um das Asylrecht. Die U.S.-Regierung möchte die Anforderungen hieran verschärfen, und das, obwohl diese bereits sehr strikt sind. Beispielhaft sei die langfristige Inhaftierung von Asylantragstellern genannt. Darin könnte bereits ein Verstoß gegen internationales Recht, wie die auch von den USA ratifizierte Genfer Flüchtlingskonvention, liegen. Ganz zu schweigen von weiteren Verschärfungen.
Der fünfte Punkt betrifft die generelle Ausrichtung des Einwanderungsrechts. Während traditionell die Familienzusammenführung den Mittelpunkt (quotenloser) Einwanderung darstellt, soll die künftige Ausrichtung wirtschaftsbezogen sein. Hochqualifizierte Einwanderer sollen den Familienangehörigen von U.S.-Amerikanern vorgehen. Die mögliche, wenn auch langwierige Ketteneinwanderung ist Trump schon lange ein Dorn im Auge.
Eine Einigung ist unwahrscheinlich
Die Liste an Forderungen ist lang und macht eine Einigung unwahrscheinlich. Das Auslaufen der DACA-Frist scheint dem Präsidenten willkommen zu sein. So hat er eine bessere Verhandlungsposition. Wie weit die Demokraten jedoch den Forderungen entgegenkommen werden, ist ungewiss, denn der Preis für den Schutz der "Dreamer" ist hoch. Vielleicht zu hoch, denn Trumps weitreichende Forderungen würden das gesamte Einwanderungsrecht auf den Kopf stellen.
Die Chancen für eine Einigung sind daher gering. Hoffnung könnte ein gerichtlicher Stopp der Regierungserklärung zur Nichtverlängerung von DACA spenden. Bereits diese Formulierung lässt jedoch die juristische Schwierigkeit erkennen: Hat die Regierungserklärung überhaupt eine gerichtlich angreifbare Rechtswirkung? DACA wäre immerhin auch ohne eine solche Erklärung ausgelaufen. Sie scheint daher eine bloße politische Absichtserklärung zu sein. Dennoch laufen bereits zwei Gerichtsverfahren in Kalifornien und eines in New York. Insgesamt ist der Ausgang der Verfahren jedoch höchst ungewiss.
Haben die "Dreamer" ausgeträumt?
All das zeigt, wie teuer eine Einigung zu erkaufen wäre und dass ein Kompromiss in einem Zeitraum von weniger als sechs Monaten schwer zu finden sein dürfte. Für die betroffenen 800.000 "Dreamer" bedeutet eine fehlende Einigung im Kongress, dass sie ab dem 5. März 2018 abgeschoben werden können.
Sie sind aus dem Schatten hervorgetreten und haben dem Staat Vertrauen entgegengebracht. Rückblickend betrachtet ein gefährliches Unterfangen, denn diesem stehen nun alle erforderlichen Daten zur Verfügung. Auch wenn sich Obama vielleicht in unsicheres Kompetenzgewässer begeben hat, war seine Absicht ehrwürdig und menschlich. Zynischerweise wird der minimalste Schutz der "Dreamer" nun mit dem Argument auslaufen, hierdurch das "menschliche Leiden" zu beenden – denn das drohe, wenn Staaten sich nicht an ihre Gesetze hielten, so Justizminister Sessions.
Dipl.-Jur. Desirée C. Schmitt, LL.M. ist zurzeit als Fulbright Research Scholar an der Washington and Lee University School of Law, Virginia, USA. Ihre dortige Forschungstätigkeit im Rahmen einer Dissertation (betreut von Prof. Dr. Thomas Giegerich, Universität des Saarlandes) dreht sich um die Rechtsvergleichung von deutschem und amerikanischem Recht, wobei Rechtsstaatlichkeit im Einwanderungsrecht und bei der Familienzusammenführung im Vordergrund stehen.
Die hier vertretenen Ansichten sind ihre persönlichen und geben keineswegs die Auffassungen der Fulbright-Kommission oder des U.S.-Außenministeriums wieder.