Abschaffung des Splittingtarifs: Steuersparmodell Ehe und Lebenspartnerschaft am Ende?

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Die Forderung nach steuerlicher Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften bringt das Ehegattensplitting auf den Prüfstand. Auch Familienrechtler fordern dessen Abschaffung zugunsten einer Familienförderung. Klingt aber vielleicht nur gut. Die tatsächlichen Auswirkungen und Konsequenzen müssten noch einmal überdacht werden, meint Herbert Grziwotz.
"Wegen der Steuer" – diese Begründung nimmt eine Spitzenposition auf der Hitliste der Eheschließungsgründe ein. Grund sind vor allem die hohen Freibeträge und Freistellungen hinsichtlich des Familienheims bei der Erbschaftsteuer. Teilweise spielt aber auch das so genannte Ehegattensplitting eine Rolle. Dadurch können Ehegatten bei der Einkommensteuer einen Vorteil erzielen, wenn sie zusammen veranlagt werden.
Die Einkommensteuerersparnis ergibt sich dadurch, dass die Einkommen beider Ehegatten zusammengerechnet und dann halbiert werden. Dann wird für jeden Betrag die Einkommensteurer ermittelt und das Ergebnis sodann verdoppelt. Die Steuerersparnis gegenüber Singles ist umso größerer, je unterschiedlicher die Höhe beider Einkommen ist.
Am größten ist die Steuerersparnis gegenüber Unverheirateten, wenn ein Ehegatte über keine Einkünfte verfügt. Er reduziert dann die Steuer seines Partners und erhöht damit das gemeinsam für den Verbrauch, Urlaubsreisen, den Immobilienkauf und das Sparen zur Verfügung stehende Einkommen.
Splitting auch für eingetragene Lebenspartner
Nach diversen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur gebotenen Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften gibt es keinen Grund mehr, homosexuellen Paaren das Splitting bei der Einkommensteuer vorzuenthalten. Auch bei ihnen kann somit nach der zu erwartenden Änderung des Einkommensteuerrechts der Trauschein zu einer Einkommensteuerersparnis führen.
Dies ist offenbar nicht nur dem Bundesfinanzminister und Teilen der CDU/CSU ein Dorn im Auge. Jahrzehntelang war nämlich das Ehegattensplitting in der derzeit geltenden Form kein Thema für Familienrechtler. Nun aber fordert unter anderem die Bonner Familienrechtlerin Nina Dethloff, das Ehegattensplitting nicht auf Lebenspartnerschaften zu erstrecken, sondern vielmehr abzuschaffen und durch eine familiengerechte Form der Besteuerung zu ersetzen, die unabhängig vom formellen Trauschein alle Familien erfassen soll.
Gleichwertigkeit von Familien- und Erwerbsarbeit
Dabei ist das Ehegattensplitting Ausdruck fortschrittlichen Denkens: Mann und Frau leisten gleichwertige Arbeit für die Gemeinschaft – unabhängig davon, ob es sich um berufliche Erwerbs- oder häusliche Familienarbeit handelt.
Dies unterstreicht beispielsweise Hans Hofmann im Zusammenhang mit dem besonderen Schutz von Ehe und Familie in einem Kommentar zum Grundgesetz (Art. 6 Rn. 52): "Das Splittingverfahren […] ist […] Ausdruck der Gleichwertigkeit der Arbeit von Mann und Frau ohne Rücksicht darauf, ob es sich um Haus- oder Berufsarbeit handelt […]. Dieser Zweck des Splittingverfahrens steht in Einklang mit Art. 6 Abs. 1 GG […]. Die Aufgabenverteilung in der Ehe unterliegt der freien Entscheidung der Eheleute […]. In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen ermöglicht das Splitting den Ehegatten die freie Entscheidung, ob einer allein ein möglichst hohes Familieneinkommen erwirtschaften und sich deshalb in seinem Beruf vollständig engagieren soll, während der andere Partner den Haushalt führt, oder ob stattdessen beide Partner sowohl im Haushalt als auch im Beruf tätig sein wollen […]." Aber genau diese steuerliche Förderung der Haushaltsführung ist manchen Familienrechtlern bei Ehegatten und homosexuellen Paaren ein Dorn im Auge.
Das Hauptargument der Kritiker des Splittings lautet, dass es Anreize für einen Erwerbsverzicht vor allem von Frauen schafft. Es wirke sich deshalb zu Lasten von Frauen aus. Dass Frauen die Familienarbeit übernehmen, liegt aber nicht am Splitting, sondern vor allem an der schlechteren Entlohnung von Frauen. Verdienen sie mehr als der Mann, wird dieser bei einer notwendigen Familienarbeit seine Erwerbstätigkeit einschränken. Statt der Ehe und der eingetragenen Lebenspartnerschaft eine steuerliche Entlastung zu nehmen, sollte man lieber über eine gerechte Entlohnung von Frauen nachdenken.
Seite 2/2: Förderung der Familiensolidarität
Wer das Splitting für Ehegatten und künftig bereits sogar vor dessen Einführung auch für eingetragene Lebenspartner streichen will, weil es auch Paare mit Kindern ohne Trauschein gibt, muss zunächst die Frage beantworten, was er fördern möchte. Die Familienarbeit betrifft nicht nur die Erziehung von Kindern, für die immer noch ausreichende Kindertagesstätten fehlen. Es geht auch um die Versorgung der gebrechlichen oder kranken Eltern, für die keine bezahlbaren Pflegeplätze zur Verfügung stehen und die vielleicht auch nicht ein Pflegeheim abgeschoben werden wollen.
Und es geht um die Betreuung des Partners, den man bei Krankheit und Pflegebedürftigkeit nicht im Stich lassen möchte. Diese Form der Familiensolidarität ist unentbehrlich und derzeit auch für den Staat nicht bezahlbar.
Der Splittingvorteil, der beispielsweise bei einem Paar mit Einkommen von 60.000 Euro und 15.000 Euro gegenüber Ledigen ca. 1.050 Euro jährlich ausmacht, ist hierfür nur ein eher mickriges Trinkgeld. Und um Neidkomplexe von vornherein zu vermeiden: Sind beide Partner Spitzenverdiener (bereits ab jeweils 55.000 Euro Einkommen) oder verfügen sie über ein gleich hohes Einkommen, wirkt sich das Splitting gar nicht aus.
Ehegattensplitting nicht ohne neues Konzept verwerfen
Die Argumente, die gegen das Ehegatten- und Lebenspartnersplitting vorgebracht werden, betreffen in gleicher Weise die Grundprinzipien des Scheidungs- und Aufhebungsfolgenrechts: Auch dem Zugewinn- und Versorgungsausgleich liegt das Modell einer Gleichwertigkeit von Erwerbs- und Familienarbeit zugrunde. Die Argumente für die Abschaffung des Splittings müssten dann in gleicher Weise dafür ins Feld geführt werden, den Zugewinn- und den Versorgungsausgleich zu beseitigen.
Diese Konsequenz wird von Kritikern des Ehegatten- und Lebenspartnersplittings derzeit verschwiegen. Bevor man dieses abschafft, müsste man deshalb erst darüber nachdenken, wie ein neues Partner- und Familienmodell aussehen soll. Dabei darf die Frage nicht ausgeklammert werden, ob man praktizierte Familiensolidarität weiterhin wünscht. Und falls nicht, wie der Staat die Betreuung von Kindern und in einer immer älter werdenden Gesellschaft auch die Pflege der alten Menschen unter Beachtung eines Mindestmaßes an Menschenwürde bewerkstelligen will.
Die richtige Reihenfolge lautet deshalb: Es braucht erst ein neues Konzept der Abgrenzung von Familienarbeit und öffentlicher Fürsorge, bevor an eine neue Familienförderung und im Zusammenhang damit auch über die Streichung der an die Ehe und die homosexuelle Partnerschaft bisher geknüpften Erleichterungen wie das das Splitting gedacht werden sollte. Außerdem: Gestrichen ist schnell, wie die frühere Eigenheimzulage zeigt. Auch bei ihr kam trotz diesbezüglicher Versprechen keine gerechtere Förderung nach.
Der Autor Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz ist Notar in Regen und Zwiesel.