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Abendessen für Ackermann vor dem VG Berlin: Vom Kanz­leramt, das die Infor­ma­ti­ons­f­rei­heit immer noch nicht liebt

von Dr. Sven Berger

07.04.2011

Ackermann, Merkel

© dapd/ddp-images

Im Jahr 2008 veranstaltete Angela Merkel im Kanzleramt ein Abendessen aus Anlass des 60. Geburtstags von Josef Ackermann. Informationen zu dieser Feier hat das Kanzleramt bis heute zurück gehalten. Ob zu Recht, hat nun hat das VG Berlin zu entscheiden – und dabei die Chance, dem Kanzleramt eine Lehrstunde in Sachen Informationsfreiheit zu geben, meint Sven Berger.

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Ein eher politischer Aufreger hat nun ein juristisches Nachspiel, in dem sich ein weiterer bekannter Name findet. Thilo Bode, Vorsitzender der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch, sieht die Veranstaltung zu Ehren des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank AG im April 2008 unter dringendem Lobbyismusverdacht. Er klagt auf Einsicht in die Unterlagen des Kanzleramtes zu diesem Treffen.

Bislang hat das Kanzleramt nur teilweise Auskunft erteilt und Textteile der überlassenen Unterlagen geschwärzt. Gestritten wird vor allem darüber, ob ein Anspruch auf Einblick in den Terminkalender der Kanzlerin besteht und ob die Teilnehmer des Treffens, vor allem hochrangige Vertreter aus der Finanzwirtschaft, namentlich benannt werden müssen.

Das Abendessen im April 2008 steht in zeitlichem Zusammenhang mit dem im Oktober 2008 verabschiedeten so genannten Bankenrettungspaket, einem in der Geschichte der Bundesrepublik einmaligen Hilfspaket von bis dahin unvorstellbarem finanziellem Volumen.

Merkels Terminkalender ist offenzulegen

Verbraucherschützer Bode kritisiert, dass die bereits herausgegebenen Unterlagen bewiesen, dass die erforderliche Distanz einer unabhängigen Regierung zur Finanzindustrie nicht mehr gewahrt erscheine. Ob das Verwaltungsgericht Berlin die von ihm begehrte Einsicht in den Terminkalender der Bundeskanzlerin und die Herausgabe der Namen der Teilnehmer am Ende gewähren wird, ist schwer einzuschätzen.

Dabei ist klar, dass der dienstliche Terminkalender der Kanzlerin unzweifelhaft vom Informationsfreiheitsgesetz erfasst wird und die geforderte Akteneinsicht zu gewähren ist.

Der Einwand der Bundesregierung, dass es um Informationen aus dem Bereich des Regierungs- und nicht um Informationen aus dem Bereich des Verwaltungshandelns gehe und deshalb das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) keine Anwendung finden könne, geht fehl.

Eine solche Unterscheidung zwischen Exekutive und Regierung kennt das 2006 in Kraft getretene Informationsfreiheitsgesetz des Bundes nicht. Das Regelwerk erfasst gemäß § 1 Abs. 1 zweifellos die Bundesministerien und gerade auch das Bundeskanzleramt.

Das IFG: Die Abkehr vom Grundsatz des Amtsgeheimnisses

Das IFG gewährt jedermann einen Anspruch auf voraussetzungslosen Zugang zu behördlichen Informationen, soweit Geheimnisschutz oder der Schutz der Rechte Dritter nicht entgegenstehen. Das Regelwerk bezeichnet damit die Abkehr vom Grundsatz des Amtsgeheimnisses. Im Streitfall muss nicht der Bürger seinen Anspruch beweisen, sondern die Verwaltung trägt die Rechtfertigungslast dafür, dass ein solcher Informationsanspruch ausnahmsweise nicht besteht.

Mittlerweile gelten in Deutschland solche Informationsfreiheitsgesetze für den Bund und elf der 16 Bundesländer. Dem allgemeinen Trend zur Informationsfreiheit verweigern sich bislang noch die Länder Niedersachsen, Bayern, Sachsen und Baden-Württemberg. Es ist aber nach dem grünen Wahlsieg davon auszugehen, dass die neue Landesregierung in Baden-Württemberg ein solches Gesetz schon bald in den Landtag einbringen wird.

Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass das Grundrecht der Informationsfreiheit wie auch das der freien Meinungsäußerung eine der wichtigsten Voraussetzungen der freiheitlichen Demokratie ist. Erst mit seiner Hilfe wird der Bürger in die Lage versetzt, sich selbst die notwendigen Voraussetzungen zur Ausübung seiner persönlichen und politischen Aufgaben zu verschaffen, um im demokratischen Sinne verantwortlich handeln zu können.

Teilnehmernamen: Großes öffentliches Interesse an der Offenlegung

Auch der von Kläger Bode geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe der Namen der Teilnehmer an diesem Abendessen ist in der Sache begründet. Ein solcher Herausgabeanspruch besteht nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG, soweit das Informationsinteresse das Interesse der betroffenen Person am Schutz ihrer Daten überwiegt.

In die Interessenabwägung ist zu Gunsten des Klägers auch das Informationsinteresse der Allgemeinheit einzubeziehen, da die mit dem IFG bezweckte Transparenz nicht nur dem Einzelnen, sondern auch der Öffentlichkeit dient. Besteht ein solches öffentliches Interesse an der Herausgabe der Informationen, bedarf diese nach der Gesetzesbegründung keiner Zustimmung der betroffenen Person.

Ein solches ganz überwiegendes öffentliches Interesse der Allgemeinheit an den von Kläger Thilo Bode verlangten Informationen besteht ohne Weiteres. Der Informationsanspruch betrifft ein Treffen der Kanzlerin mit dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank und weiteren hochrangigen Vertretern der Finanzwirtschaft.

Chance auf eine Lehrstunde für das Kanzleramt

Das Treffen ist in den Kontext der weltweiten Wirtschaftskrise im Jahr 2008 zu setzen. Mit dem so genannten Bankenrettungspaket wurde im Oktober des Jahres auch das Finanzmarktstabilisierungsgesetz mit einem Volumen von 500 Milliarden Euro verabschiedet, vom Bundespräsidenten unterschrieben und noch am selben Tag im Bundesgesetzblatt verkündet.

Verbraucherschützer Bode, der sich auf das vor diesem Hintergrund ganz offenkundige öffentliche Interesse am Informationszugang auch stützten kann, hat also in der Sache gute Aussichten auf einen Erfolg seiner Klage.
Das VG Berlin seinerseits hat die Chance, die Verhandlung zu einer Lehrstunde für das Kanzleramt zu machen. Vielleicht versteht man danach dort die ratio des IFG besser. Oder lernt sie sogar lieben.

Der Autor Dr. jur. Sven Berger ist Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Informationsfreiheit e.V..

 

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Dr. Sven Berger, Abendessen für Ackermann vor dem VG Berlin: Vom Kanzleramt, das die Informationsfreiheit immer noch nicht liebt . In: Legal Tribune Online, 07.04.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2970/ (abgerufen am: 27.01.2023 )

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