Zahlreiche rechtliche Änderungen warten 2017 auf die Bürger. Außerdem in der Presseschau: Vorschläge für ein neues Familienrecht, Hintergründe zu Anis Amri, eine tschechische Wahrheitsagentur und "Walter White" auf der Flucht.
Tagesthema
Ausblicke auf 2017: Wo und wie sich in den Bereichen Gesundheit, Steuern, Sozialversicherungen, Arbeit, Mobilität, Energie und Umwelt sowie Unternehmen im Jahr 2017 die Rechtslage ändert, ist aus dem Wirtschaftsteil der FAZ (Marcus Jung/Hendrik Wieduwilt) zu erfahren. So steigen etwa der Mindestlohn und die Beiträge zur Pflegeversicherung, die Steuererklärung ist künftig später fällig, der Mutterschutz für Schülerinnen kommt und Fracking wird untersagt. In der weiteren Kategorie "Verschiedenes" finden sich auch der Hinweis auf den einmaligen bundeseinheitlichen Feiertag zum Reformationsjubiläum und zur Stärkung von Urheberrechten gegenüber Verwertern.
Einen Überblick darüber, was sich für Autofahrer und Radler 2017 ändert, gibt spiegel.de. So solle etwa die Einrichtung von 30er-Zonen erleichtert werden und Eltern dürften künftig mit ihren Kindern gemeinsam auf dem Gehweg radeln. Mit letzterem befasst sich auch zeit.de (Ingrid Weidener).
Was sich ab dem kommenden Jahr in den Bereichen Lohn, Rente und Pflege ändert, fasst auch die taz (Barbara Dribbusch) zusammen.
Rechtspolitik
Familienrechtliche Grundlagen: Die SZ (Ulrike Heidenreich) befasst sich ausführlich mit einer juristischen Ausarbeitung der Heinrich-Böll-Stiftung zu rechtlichen Innovationsideen für die Regelung von Ehe und Familie. Unter dem Titel "Wahlverwandtschaften" würden diese von der Rechtswissenschaftlerin Friederike Wapler neu definiert. Beispielsweise werde eine Ehe für alle, ein sogenanntes "kleines Sorgerecht" für Stiefeltern von Kindern mit mehr als zwei elterlichen Bezugspersonen und die Abschaffung des Ehegattensplittings sowie die Einführung eines "lebensformenneutralen" Rentensplittings vorgeschlagen.
CSU – Integrations- und Flüchtlingspolitik: Die Forderungen der CSU zur Flüchtlingspolitik und Integration, die Anfang Januar auf ihrer Klausurtagung verabschiedet werden sollen, fasst zeit.de zusammen. Es gehe um Burka- und Nikab-Verbote, den Doppelpass und schärfere Asylregelungen. Mit den Forderungskatalogen der CSU befasst sich ausführlich auch die FAZ (Julian Staib), die hinsichtlich der Forderungen nach einer Verschärfung von Abschiebehaft sowie zum Ausreisegewahrsam und zur Schaffung eines neuen Haftgrundes für Gefährder darauf hinweist, dass sich diese Punkte bereits in einem Gesetzentwurf des Bundesinnenministeriums fänden. Der Entwurf befinde sich bereits in der Ressortabstimmung.
Die Welt (Thomas Vitzthum) spricht mit CSU-Vizechefin Angelika Niebler über Sicherheit und Polizeipräsenz, den Umgang mit sog. Gefährdern, die Verlängerung des Ausreisegewahrsams, Datenaustausch im europäischen Raum, Daten-Entschlüsselung, Entwicklungszusammenarbeit mit afrikanischen Staaten und über den Umgang mit Ängsten in Rechtsstaat und Demokratie.
Strafen gegen "Cybermobbing": Wie der Spiegel knapp meldet, will sich die CSU Anfang Januar auch über neue Strafgesetze zur Bekämpfung von Beleidigungen im Internet abstimmen. Ein entsprechendes Papier enthalte weitere Vorschläge zu Löschpflichten bei "Hassnachrichten" in sozialen Netzwerken, zur Bekämpfung von "Fake News" und zu intensiveren verdeckten Ermittlungen im Netz.
Videoüberwachung für Ermittlungen: Wie zeit.de meldet, hat sich Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) für mehr Videoüberwachung an öffentlichen Orten ausgesprochen. So könnten Straftaten schneller aufgeklärt werden. Müller wende sich damit gegen den rot-rot-grünen Koalitionsvertrag.
Geldwäsche-Bekämpfung: Nach einem ausführlichen Beitrag des Hbl (Frank M. Drost) gibt es im sog. Nichtfinanzbereich kaum Verdachtsmeldungen durch die nach dem Geldwäschegesetz Verpflichteten. Dies liege laut Bundeskriminalamt vor allem an fehlender Aufsichtsarbeit der Behörden in den Ländern. Daher spreche sich der Bund Deutscher Kriminalbeamter etwa für eine Bundeskompetenz zur Überwachung aus, eine der Finanzaufsicht Bafin entsprechende Behörde für den Nichtfinanzsektor sei nötig.
Justiz
VG Köln zu NPD-Silvesterdemo: Das Polizeipräsidium Köln hatte eine von der NPD für den Silvesterabend in Köln geplante Versammlung verboten. Gegen die Entscheidung suchte die NPD im Eilverfahren Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht Köln. Das VG schloss sich jedoch, so lto.de, der Ansicht der Polizei an, ein überwiegendes öffentliches Interesse am Versammlungsverbot liege vor. Gegen den Beschluss kann die NPD noch Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen einlegen. Eine von der AfD geplante Kundgebung hatte die Kölner Polizei ebenfalls verboten.
LG Köln – Quelle-Erbin: Wie der Spiegel knapp meldet, haben sich die Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz und die Bank Sal. Oppenheimer außergerichtlich geeinigt. Dies teilte Schickedanz' Anwalt dem Landgericht Köln schriftlich mit. Damit endet der jahrelange Rechtsstreit, in dem Schickedanz die Bank auf 1,9 Milliarden Euro Schadenersatz wegen problematischer Aktiengeschäfte verklagt hatte.
LG Rottweil zu Betriebsgefahr: Der VerkehrsrechtBlog (Alexander Gratz) weist auf ein Urteil des Landgerichts Rottweil hin, das bei der Beurteilung eines Auffahrunfalles zwischen einem ausscherenden Lkw und einem überholenden, auffahrenden Pkw die sog. Betriebsgefahr von letzterem bei der Bildung der Haftungsquote gänzlich außer Acht ließ. Grund sei, dass der Pkw die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h nur um maximal 20 Prozent überschritten habe.
Fall Anis Amri: Mit dem Fall Anis Amri befasst sich der Spiegel (Matthias Bartsch/Maik Baumgärtner u.v.a., spiegel.de-Kurzmeldung) ausführlich in einem mehrseitigen Beitrag. Darin wird die lange Kriminalgeschichte Amris, beginnend 2011 in Tunesien, seine Flucht über Italien bis später nach Deutschland und sein Untertauchen unter Verwendung verschiedener Identitäten geschildert. Auch geht es um Handeln und Unterlassen der Sicherheitsbehörden bei der teils intensiven Überwachung des als "Gefährder" eingestuften Amri, gegen den die Staatsanwaltschaft Düsseldorf in diesem Jahr sogar einmal wegen Betrugs beim Bezug von Sozialleistungen ermittelte und der häufig Thema im GTAZ war – dem Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum von 40 deutschen Sicherheitsbehörden. Im Fall Amri, konstatiert der Spiegel, sei ein Vollzugsdefizit und kein Mangel an ausländerrechtlichen Grundlagen zentral dafür gewesen, dass dieser nicht vor dem Berliner Anschlag festgesetzt wurde.
Auch die FAZ (Johannes Leithäuser) befasst sich mit dem Fall Amri und berichtet, dass der als möglicher Unterstützer Amirs festgenommene 40-jährige Tunesier wieder auf freiem Fuß sei. Laut Bundesanwaltschaft habe sich der Verdacht gegen ihn nicht erhärtet.
Hans Leyendecker (SZ) lobt die Arbeit der "viel gescholtenen Sicherheitsbehörden", die bei der Überwachung Amris größtenteils einen "wirklich guten Job gemacht hätten" – am Ende hätten sie ihn aber doch falsch eingeschätzt.
Vergewaltigungsvorwurf gegen bayerischen Grünen: lto.de (Pia Lorenz) geht dem Fall des 24-jährigen bayerischen Grünen-Politikers und Jurastudenten Max Hieber nach, der sich mit einem Vergewaltigungsvorwurf durch eine 17-jährige Parteikollegin konfrontiert sieht. Hieber spricht in Bezug auf die fragliche Nacht von einvernehmlichem Oralverkehr, die namentlich nicht genannte junge Frau behaupte, sie sei zu betrunken für eine Einwilligung in sexuelle Handlungen gewesen. Hieber habe zwischenzeitlich Anzeige wegen Verleumdung gegen die Frau erstattet und Strafantrag gestellt, so lto.de, nachdem er einen anwaltlichen Brief der Eltern der Frau erhalten habe.
Recht im Ausland
Türkei – Prozess gegen Journalistin: Im am gestrigen Donnerstag angelaufenen Prozess gegen die türkische Autorin Aslı Erdoğan und weitere Angeklagte hat das Gericht angeordnet, die Schriftstellerin und eine Kollegin aus der Untersuchungshaft zu entlassen, so die taz (Jürgen Gottschlich), die ausführlich berichtet. Der Schriftstellerin wird vorgeworfen, Mitglied in der als terroristisch eingestuften kurdischen Arbeiterpartei PKK ("Partiya Karkerên Kurdistanê") zu sein. Dazu auch FAZ (Karen Krüger) und lto.de.
Argentinien – Anklage gegen Ex-Präsidentin: Die SZ (Sebastian Schoepp, sueddeutsche.de-Kurzmeldung) befasst sich ausführlich mit der Anklage gegen die frühere argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner. Ihr werde Korruption bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen vorgeworfen. Laut der etwa 800-seitigen Anklageschrift, die nun vom zuständigen Bundesrichter Julián Ercolini zugelassen wurde, habe Kirchner als Amtsinhaberin an der Spitze einer kriminellen Vereinigung fungiert.
Tschechien – "Wahrheitsagentur": Die FAZ (Karl-Peter Schwarz) erläutert Arbeit und Hintergründe des sich derzeit noch im Probelauf befindenden Zentrums gegen Terrorismus und hybride Bedrohung (CTHH), das dem tschechischen Innenministerium untergeordnet ist. Die 20 Mitarbeiter des Zentrums sollen insbesondere "Fake News" aufdecken, die Öffentlichkeit aufklären und falsche Meldungen korrigieren.
Sonstiges
Rückblick 2016 – Vermischtes: Einen bunten Strauß "schön erfreulicher" juristischer Nachrichten – inklusiver "anderer Ansichten" – aus dem Jahr 2016 bindet lto.de.
Rückblick 2016 – Wirtschaftsanwälte: "Geld regiert [auch 2016] die Wirtschaftsanwaltswelt" resümiert Anja Hall (lto.de) mit Blick auf den Anwälte-Exodus bei King & Wood Mallesons im zu Ende gehenden Jahr.
Zuwanderung und Kriminalität? Wie viele Straftaten begehen Zuwanderer und ab wann sollte die Kriminalität von Zuwanderern überhaupt ein politisches Thema sein? – Mit dem "schwierigen Weg über den Einzelfall zur Statistik und zurück" befassen sich Lenz Jacobsen und Veronika Völlinger (zeit.de).
Integration in der JVA: Die Welt (Kristian Frigeli) widmet sich in einer Reportage dem Thema Integration in Gefängnissen und besucht die Justizvollzugsanstalt in Bielefeld.
Das Letzte zum Schluss
Fahndung nach "Walter White": Bryan Cranston, Darsteller des berühmt-berüchtigten Walter White aus der Erfolgsserie "Breaking Bad", wurde in der Zeit vor seinem Schauspiel-Ruhm einmal per Fahndung wegen eines Mordverdachts gesucht, weiß spiegel.de. Gegenüber Kollegen hatte Cranston, der damals als Kellner arbeitete, darüber gescherzt, den verhassten Koch umzubringen und im Restaurant zu servieren. Besagter Koch verschwand einige Zeit später und der urlaubende Cranston wurde per Fahndung gesucht. Später stellte sich heraus, dass der Verschwundene von einer Prostituierten nebst Komplizen erschlagen worden war.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/dc
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 30. Dezember 2016: Ausblicke 2017 / Wahlverwandtschaften im Familienrecht / VG Köln zu NPD-Demonstration . In: Legal Tribune Online, 30.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21611/ (abgerufen am: 02.05.2024 )
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