Mitarbeiter von Krematorien dürfen Zahngold nicht selbst einsacken und zu Geld machen – es steht dem Arbeitgeber zu. Außerdem in der Presseschau: bei Waffenlieferung an Kurden wird die Beteiligung des Bundestages gefordert, das BSG liefert Gründe zum Syndikus-Urteil, Malta verkauft EU-Pässe, ein Shakira-Song ist plagiiert und wie ein Mann per Facebook der Polygamie überführt wurde.
Thema des Tages
BAG zum Zahngold-Fall: Die Angestellten von Krematorien dürfen Zahngold eingeäscherter Toter nicht an sich nehmen und behalten. Das hat das Bundesarbeitsgericht am Donnerstag entschieden. Das Zahngold stehe zwar in niemandes Eigentum und sei damit herrenlos; Diebstahl am Zahngold scheide damit aus. Doch seien Beschäftigte verpflichtet, Wertgegenstände, die sie bei der Arbeit erlangen, dem Arbeitgeber zu überlassen. Im konkreten Fall hatte der Betreiber eines Krematoriums gegen einen ehemaligen Angestellten geklagt, der insgesamt 32 Kilogramm Zahngold zu Geld gemacht hatte – rund 270.000 Euro. Die SZ (Detlef Esslinger) und die Badische Zeitung (Christian Rath) berichten.
Für Detlef Esslinger (SZ) hat der Mann offensichtlich gegen jedes Scham- und Anstandsgefühl verstoßen. Doch sollen Zahngold und Prothesen wirklich mit der Urne begraben werden – und damit "Rohstoffe aufgegeben" werden, deren Abbau "immer auch eine Zerstörung von Natur bedeutet"? Esslinger schlägt vor: "Die Krematorien sollten die Metalle verkaufen und den Erlös entweder für gute Zwecke spenden oder den Erben geben."
Rechtspolitik
Waffenlieferungen und Bundestagsbeteiligung: Mit der Debatte um die Beteiligung des Bundestages an der vermutlich anstehenden Lieferung deutscher Waffen ins nordirakische Kriegsgebiet befassen sich das Handelsblatt (Till Hoppe), zeit.de und Die Welt. Die Entscheidung bleibe der Regierung vorbehalten, heißt es aus der Koalition; Linke und Grüne fordern ein Mitspracherecht des Bundestages.
Die Kommentare sprechen sich überwiegend für eine Beteiligung des Bundestages aus – abseits von juristisch "kalter, rein formaler Argumentation", wie Rüdiger Scheidges (Handelsblatt) meint. "Gegen den Geist der parlamentarischen Demokratie" verstößt für Heribert Prantl (SZ) eine Entscheidung ohne Beteiligung des Bundestages. Das Parlament müsse schließlich auch in den Einsatz deutscher Soldaten zustimmen – wie nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts über alle "wesentlichen Fragen". Und im Falle der Waffenlieferungen in den Nordirak sei die "Wesentlichkeit" offensichtlich. Für Berthold Kohler (FAZ) machen deutsche Waffenlieferungen an Peschmerga-Milizen diese zu einer Art "fernen Parlamentsarmee". Kein Wunder, dass es manchem dabei "etwas mulmig" werde, kommentiert Kohler.
Die taz (Christian Rath) erläutert die Rechtslage zum Rüstungsexport und meint, die Bundesregierung müsse diese Grundsätze "kreativ auslegen", weil Waffenlieferungen in Bürgerkriegsgebiete eigentlich nicht genehmigungsfähig seien.
Halterhaftung im Verkehrsrecht: Am vergangenen Montag wurde bekannt, dass die Bundesregierung offenbar über eine Halterhaftung für Straßenverkehrsverstöße nachdenkt. Konkret sollen Halter die Bearbeitungskosten für erfolglose Bußgeldverfahren aus dem fließenden Verkehr tragen. Anne Christine Herr zeigt auf lto.de die Grenzen dieses Vorhabens auf und resümiert: Eine Reform hätte "kaum weitreichende Auswirkungen".
Eckpunkte statt Gesetzentwürfe: Ob Erneuerbare-Energien-Gesetz, BAföG, Pkw-Maut oder die Digitale Agenda: Ihre Pläne präsentiert die schwarz-rote Bunderegierung nicht mehr in der sonst üblichen Form – nämlich als Gesetzentwürfe –, sondern fast nur noch als Ecktpunkte- und Info-Papiere. So beobachtet es Thomas Vitzthum (Die Welt), und er nennt das Phänomen "Eckpunkteritis". Vitzthum sieht die politische Willensbildung in Gefahr.
Kritik an Ceta: Im geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada finden sich weder Garantien für Arbeits- und Sozialstandards noch eine Menschenrechtsklausel. Und da der kürzlich bekannt gewordene Ceta-Vertragstext die "Blaupause für TTIP" sei, werde dort ebenfalls ein Passus über Menschenrechte fehlen, prophezeit Eric Bonse (taz).
IT-Sicherheitsgesetz und Digitalkonzept: Der Präsident des Cyber-Sicherheitsrates Arne Schönbohm äußert sich im Interview mit der SZ (Varinia Bernau) kritisch zum kürzlich vorgestellten Entwurf des IT-Sicherheitsgesetzes. Unter anderem bleibe der Gesetzentwurf "viel zu vage" hinsichtlich der Frage, wer eine "kritische Infrastruktur" betreibt. Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Clubs, kritisiert in einem Beitrag für die FAZ, die Rolle von Geheimdiensten blieben im Digitalkonzept der Bundesregierung außen vor.
Justiz
BSG zur Rentenversicherungspflicht von Syndizi: Das Bundessozialgericht entschied bereits im April in mehreren Fällen, dass angestellte Rechtsanwälte in Unternehmen und Verbänden nicht von der Rentenversicherungspflicht befreit werden können. Das Urteil sorgte für heftige Diskussionen etwa zur Frage, ob die Rechtsprechung auch für angestellte Rechtsanwälte in Kanzleien gilt. In einem Fall sind jetzt die Gründe bekannt geworden. Rechtsanwalt Martin W. Huff bespricht sie für lto.de und zieht ein enttäuschtes Fazit: Das Urteil lasse viele Fragen offen. Die Politik müsse Klarheit schaffen, sonst drohe "eine Spaltung der Anwaltschaft".
LG Dresden – Wojciech S.: An diesem Freitag beginnt laut zeit.de (Tom Sundermann) vor dem Landgericht Dresden der Mordprozess gegen den Kriminalbeamten Detlev G. Er soll den Geschäftsmann Wojciech S. erdrosselt, zerstückelt und in der sächsischen Provinz begraben haben. Beide hatten sich anscheinend zuvor in einem Internetforum kennengelernt und verabredet; D. soll den Ermittlern zufolge die Tat eingeräumt haben, allerdings sei die Tötung auf Verlangen des G. erfolgt. Die SZ (Cornelius Pollmer) berichtet ebenfalls und spricht von einem großen Medieninteresse am Prozess.
VG Schwerin zu Gofu-Park: lto.de meldet ein Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Schwerin, nach dem auf einem Golfplatz bei Kühlungsborn der Betrieb eines Golffußballparks ("Gofu") untersagt bleibt. Das VG entschied: Golffußball ist mit der bisherigen Zweckbestimmung des für den Golf- und Countryclub geltenden Bebauungsplans nicht zu vereinbaren. Gegenüber dem klassischen Golf handele es sich um eine andersartige und selbständige Sportart.
LG Mainz – Toilettenreiniger: Mehreren Reinigungsdienstleistern für "Sanifair"-Toiletten in Supermärkten und auf Autobahnen soll nach Bericht von manager-magazin.de (Philipp Alvares de Souza Soares) bald der Prozess gemacht werden. Die Betreiber sollen Putzkräfte aus Osteuropa systematisch ausgebeutet haben, vorgeworfen werde Hinterziehung von Steuern und Vorenthalten von Sozialversicherungsabgaben. Klomänner und -frauen sollen als Scheinselbständige beschäftigt worden sein. Die Mitarbeiter sollen vor allem in Bulgarien angeworben und dann teils in Bussen nach Deutschland geschafft worden sein, heißt es. Die Staatsanwaltschaft Mainz hat Anklage erhoben. Die Staatsanwaltschaft Stade erhebt dem Bericht zufolge ähnliche Vorwürfe gegen einen weiteren Betreiber aus der Branche.
LG Frankfurt – Vergleich im Cum-Ex-Streit: Einen Vergleich zwischen der Hypo-Vereinsbank und dem Erbe des verstorbenen Investors Rafael Roth meldet das Handelsblatt (Sönke Iwersen/Kerstin Leitel – Kurzfassung). Die Bank hatte Roth vor dem Landgericht Frankfurt auf 120 Millionen Euro verklagt; Gegenstand des Verfahrens waren Aktiendeals, bei denen die Parteien mithilfe einer Gesetzeslücke Steuern umgehen konnten (sogenannte Cum-Ex-Geschäfte). Der Vergleich sei für Roth nun "äußerst vorteilhaft" ausgegangen, da die Bank auf einen Großteil ihrer Forderungen verzichte. Sie habe zunächst wie der sichere Sieger ausgesehen, doch der Vergleich lege das Gegenteil nahe.
OLG München – Beate Zschäpe: Bislang schweigt Beate Zschäpe im Prozess vor dem Oberlandesgericht München beharrlich. Wie spiegel.de (Jörg Diehl) berichtet, hatte Zschäpe sich vor ihrem Prozess mehreren Kriminalbeamten offenbart. Dies gehe aus dem Untersuchungsbericht des Thüringer Landtages zum NSU-Untersuchungsausschuss hervor. Weil sie im Prozess verstummt sei, "erlangen die wenigen Worte, die sie bislang mit Beamten austauschte, eine umso größere Bedeutung".
Recht in der Welt
USA – Banken-Rekordstrafe: Wegen fauler Hypothekenpapiere muss die Bank of America den USA eine Rekordstrafe von 17 Milliarden Dollar zahlen, berichtet spiegel.de. In den Augen Ulrich Schäfers (SZ) ist die amerikanische Justiz viel erfolgreicher als etwa die deutsche, deren Richter und Staatsanwälte sich in den Vergehen der Finanzkrise "mit viel zu wenig Personal um höchst komplexe Sachverhalte" kümmern müsse. Dort sei man unerbitterlich – hierzulande bleibe vieles liegen.
USA – Shakira-Song: Ein New Yorker Gericht hat entschieden, dass Teile des 2010 von Popsängerin Shakira veröffentlichten Songs "Loca" plagiiert sind. Die spanische Version des Songs enthalte Elemente einer Komposition des Sängers Ramón Arias Vázquez. "Loca", entstanden unter Zusammenarbeit mit dem dominikanischen Sänger Edward Bello Pou, sei eine indirekte Kopie, so das Gericht: Der Song basierte auf einem Song Pous. Und der habe sich wiederum bei Vázquez bedient. Die FAZ (Christiane Heil) berichtet.
Saudi-Arabien – mehr Todesurteile: Seit Anfang August sind in Saudi-Arabien laut focus.de 19 Menschen hingerichtet worden, sieben von ihnen wegen Drogenschmuggels, einer nach einer Verurteilung wegen "Hexerei". Insgesamt nehme die Zahl der Todesurteile laut Menschenrechtsorganisationen zu.
Malta – Geschäfte mit EU-Pässen: Über die umstrittene Praxis "vor allem klammer" EU-Länder, die Staatsbürgerschaft an Reiche zu verkaufen, schreiben Die Welt (Christoph B. Schiltz) und die FAZ (Hendrik Kafsack). So sei ein Ansturm auf EU-Pässe aus Malta zu verzeichnen. Die Rechtslage sei eindeutig, da jeder EU-Mitgliedsstaat selbst entscheiden dürfe, wem es die Staatsbürgershaft gewährt; der Europäische Gerichtshof habe dies auch bestätigt.
Sonstiges
Amazon und Machtmissbrauch: Ist der US-Versandriese Amazon ein Fall für die Kartellaufsicht? Gefährdet er die kulturelle Vielfalt im Buchmarkt? Ja, meint Hans-Peter Siebenhaar (Handelsblatt). Amazon wolle sein Quasi-Monopol im Onlinebuchhandel ausbauen und die Macht der Verlage "ein für alle Mal brechen"; eine "mediale Verödung" drohe. Das Bundeskartellamt müsse Amazon nun in die Schranken weisen. Die taz (Christian Rath) erklärt, dass die Frage nach der marktbeherrschenden Stellung Amazons und dem seitens der Verlage ins Feld geführten Marktmissbrauch rechtlich nicht so leicht zu beantworten ist. Schließlich: Die Bewahrung der Verlagsvielfalt könne eine Aufgabe für den Gesetzgeber werden; die "Dramatisierung" des Konflikts um den Buchmarkt bereite die Politik auf entsprechende Forderungen vor, so Rath.
NSU-Untersuchungsausschuss in Thüringen: Die Welt fasst die Ergebnisse des NSU-Untersuchungsausschusses kurz zusammen, dessen Abschlussbericht der Thüringer Landtag kürzlich vorgestellt hat und der zu einem "vernichtenden Urteil" für die Behörden gekommen war. Dargestellt werden die Rollen von Bundesamt und Landesamt für Verfassungsschutz, Polizei, der Staatsanwaltschaft Gera und dem Landeskriminalamt. Laut spiegel.de hat sich Thüringer Landtag die Angehörigen der Opfer des NSU um Entschuldigung für das Versagen der Behörden gebeten.
Das Letzte zum Schluss
Auf Facebook der Polygamie überführt: Vier Frauen soll er zwischen 1988 und 2013 geheiratet haben, eine fünfte Ehe ist wohl geschieden: Der US-Amerikaner Darnell Pixley (49) hat sich offenbar der Polygamie schuldig gemacht und wartet jetzt laut justillon.de auf seine Gerichtsverhandlung im Oktober. Eine seiner Ehefrauen habe Fotos auf Facebook entdeckt – von anderen Hochzeiten, jeweils mit Pixley im Bild. Eine Gefängnisstrafe sei "nicht unwahrscheinlich".
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/fr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 22. August 2014: Urteil im Zahngold-Fall – Waffenlieferungen und Bundestagsbeteiligung – Syndikus-Urteil veröffentlicht . In: Legal Tribune Online, 22.08.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12967/ (abgerufen am: 01.05.2024 )
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