Der Bundesfinanzhof definiert, wann Karnevalsfeiern steuerlich bevorzugt werden dürfen. Außerdem in der Presseschau: EuGH-Generalanwalt will Flüchtlinge mit Visa nach Europa lassen und Bilanz im Skandal zu verkauften Examensklausuren.
Thema des Tages
BFH zu Karneval: Eine Karnevalsveranstaltung fällt nur dann unter den reduzierten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent, wenn die traditionellen Elemente der Brauchtumspflege dabei mehr als die Hälfte der Zeit einnehmen. Das entschied der Bundesfinanzhof in einem am Dienstag bekannt gemachten Urteil vom November. Konkret ging es um die "Nacht der Nächte" des gemeinnützigen Karnevalsvereins Alt-Paffrath in Bergisch Gladbach. Diese wurde nicht als steuerbegünstigt anerkannt, weil dort u.a. die Cheerleader des 1. FC Köln auftraten und der Schlagersänger Olaf Henning sang. Es berichten die SZ (Felicitas Wilke), die Welt (Gerhard Hegmann) und lto.de.
Rechtspolitik
Gewalt gegen Amtsträger: Das Bundeskabinett will am heutigen Mittwoch einen Gesetzentwurf beschließen, der tätliche Angriffe gegen Amtsträger, zum Beispiel Polizisten, schärfer als bisher bestraft, meldet lto.de.
Elektronische Fußfessel: Das Bundeskabinett will am heutigen Mittwoch außerdem einen Gesetzentwurf beschließen, der die Anwendbarkeit der elektronischen Fußfessel für haftentlassene Straftäter im Rahmen der Führungsaufsicht ausweitet. Es sollen mehr Delikte erfasst werden und die erforderliche Haftzeit soll von drei auf zwei Jahre sinken. Die SZ (Ronen Steinke/Stefan Braun) schildert, wie die zentrale Überwachung der Probanden von Bad Vilbel aus funktioniert. Straftaten könnten nur bei Personen verhindert werden, für die das Strafrecht noch abschreckende Wirkung habe.
In einem separaten Interview mit der SZ (Ronen Steinke) kritisiert die Bewährungshelferin Ute Dörfler: "Wenn jemand eine Fußfessel trägt, macht das seinen Weg zurück in ein normales, legales Leben in der Regel eher schwieriger." Die Beschäftigung mit den technischen Tücken des Geräts lenke vom Wesentlichen ab.
Alternative Strafen: NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) will neben dem geplanten Fahrverbot weitere alternative Strafen einführen, etwa Stadionverbote oder das Putzen öffentlicher Toiletten, meldet focus.de.
Managergehälter: Die taz (Christian Rath) kommt zu dem Schluss, dass ein Maximallohngesetz, mit dem Managergehälter begrenzt werden, verfassungskonform ausgestaltet werden könnte.
Digitale Grundrechte: Michael Bader stellt auf juwiss.de den von der Zeit-Stiftung initiierten Entwurf einer Charta der digitalen Grundrechte vor. Als Problem des Vorhabens sieht er zum einen in der Frage, ob sich US-Konzerne durch europäische Grundrechte binden lassen und zum anderen darin, dass Bürger keinen direkten Weg zum Europäischen Gerichtshof haben.
Justiz
EGMR zum Umgangsrecht: Das Recht auf ein Familienleben ist nicht verletzt, wenn die Behörden sich bemühen, einem Vater Umgang mit seinem Kind zu verschaffen, dies aber von der Mutter unterlaufen wird. Dies entschied laut juraforum.de der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Im konkreten Fall aus Polen hatte der Vater darauf verzichtet, mögliche Bußgelder gegen die Mutter vollstrecken zu lassen.
BFH zum Sanierungserlass: Der Bundesfinanzhof hat in einem am Dienstag bekannt gemachten Urteil vom November den sogenannten Sanierungserlass des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahr 2003 beanstandet, so lto.de. Darin waren Vermögenszuwächse des Unternehmens von der Ertragssteuer ausgenommen worden, wenn diese aus dem Verzicht von Gläubigern auf bestehende Forderungen stammten. Hierfür wäre eine gesetzliche Regelung erforderlich gewesen.
LG Aurich verurteilt Greisin: Das Landgericht Aurich hat eine 91-jährige Frau wegen Beteiligung an der Entführung eines Reeders zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt, so spiegel.de. Der Haupttäter, ihr Sohn, hatte das Lösegeld auf ihr Konto überweisen lassen.
AG Dresden – Strafbefehl gegen Pirinçci: Das Amtsgericht Dresden hat gegen den Autor Akif Pirinçci wegen Volksverhetzung einen Strafbefehl über 180 Tagessätze à 65 Euro (11.700 Euro) erlassen, so lto.de Pirinçci habe auf einer Pegida-Kundgebung, Flüchtlinge u.a. als "Nutz- und Kulturlose" und "bestellte Mörder" bezeichnet.
OLG München – NSU: Im Prozess gegen Beate Zschäpe u.a. beantragten deren Alt-Verteidiger, dass der psychiatrische Sachverständige Henning Saß seine gesamten handschriftlichen Aufzeichnungen aus dem Prozess offenlegen solle, damit die Verteidigung seine Arbeitsweise nachvollziehen könne. Der Senat lehnte das ab, was die Verteidiger beanstandeten, berichtet spiegel.de (Björn Hengst).
Gisela Friedrichsen (Welt) teilt die Beobachtungen des Gutachters. Anhand Zschäpes Verhalten gegenüber ihren Anwälten sei deutlich geworden, "wie sie ihre Interessen verfolgt und wie sie ihren Willen durchsetzt".
OLG Dresden – Gruppe Freital: Am 8. März beginnt am Oberlandesgericht Dresden der Strafprozess gegen acht Mitglieder der rechtsterroristischen Gruppe Freital. Als Verhandlungssaal wurde für 5,5 Mio Euro der Speisesaal einer Flüchtlingseinrichtung umgebaut. Vorgesehen sind 60 Verhandlungstage, berichtet die SZ (Cornelius Pollmer).
EuGH – Humanitäre Visa: Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof billigt Flüchtlingen, denen in der Heimat Folter oder unmenschliche Behandlung drohen, einen Anspruch auf humanitäre Visa zu, damit sie in der EU Asylanträge stellen können. Konkret ging es um den Fall einer syrischen Familie aus Aleppo, die in Belgien einen Asylantrag stellen will. Die SZ (Wolfgang Janisch/Stefan Braun) berichtet darüber als Aufmacher auf der Titelseite. lto.de berichtet ebenfalls.
Wolfgang Janisch (SZ) geht nicht davon aus, dass sich der EuGH dem Schlussantrag des Generalanwalts anschließen wird: "Sein flammendes Plädoyer ist letztlich der fast schon verzweifelte Ruf eines Juristen, der sich nicht damit abfinden will, dass die sonst so hoch gepriesenen Grundrechte ausgerechnet im Angesicht des größten Elends wirkungslos bleiben sollen."
EuGH – Betriebsübergang: Der Generalanwalt am EuGH plädierte Mitte Januar dafür, dass Tarifverträge im Falle eines Betriebsübergangs beim Erwerber nur begrenzte Zeit gelten, wenn der Erwerber ansonsten nicht an den Tarifvertrag gebunden ist. Wie community.beck.de (Christian Rolfs) erläutert, handelt es sich um ein Vorlageverfahren des Bundesarbeitsgerichts in Sachen Asklepios-Kliniken.
LG Berlin – Leistungsschutzrecht: Das Landgericht Berlin verhandelte über das 2013 eingeführte Leistungsschutzrecht für Zeitungsverlage gegenüber Suchmaschinenbetreibern. Das Gericht zweifelt an der Gültigkeit des Gesetzes, da dieses vor Inkrafttreten nicht bei der EU-Kommission notifiziert wurde. Der Prozess soll in vier Wochen fortgeführt werden. Vom Prozessbeginn berichten lto.de und zeit.de.
BVerfG-Richter in der Wirtschaft: Christian Rath fragt auf lto.de, ob das Engagement von ausgeschiedenen Verfassungsrichtern in der Wirtschaft dem Ansehen des Bundesverfassungsgerichts schade. Er verneint dies, da diese nicht als Lobbyisten tätig würden, sondern als Ausputzer nach Skandalen.
RA Gerhard Strate: Das Handelsblatt (Volker Votsmeier) portraitiert Strafverteidiger Gerhard Strate, weil dieser nun den Ex-VW-Aufsichtsratsvorsitzenden Ferdinand Piëch vertritt.
Recht in der Welt
USA – Einreisestopp: faz.net berichtet über die Verhandlung vor dem US-Bundesberufungsgericht in San Francisco. Am Tag der Anhörung sei noch kein Urteil verkündet worden, es zeichne sich jedoch eine 2:1-Mehrheit zugunsten der Staaten Washington und Minnesota ab, die das Einreiseverbot von Präsident Trump stoppen wollen. Letztlich werde der Streit wohl vor dem Supreme Court landen.
USA – Rechtsstaat: US-Rechtsprofessor Mark Tushnet hält den Rechtsstaat in den USA trotz abfälliger Äußerungen von Präsident Trump über "sogenannte" Richter bisher nicht für gefährdet. Den aktuellen Streit um den Einreisestopp könne man auch im Sinne Trumps entscheiden. Mark Tushnet äußert sich auf verfassungsblog.de (in englischer Sprache) in Frage- und Antwort-Form.
USA – ACLU: Die US-Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union konnte ihre Mitgliederzahl seit dem Amtsantritt von Präsident Trump von 400.000 auf eine Million Personen steigern, berichtet spiegel.de (Britta Kollenbroich). Dies zeige, dass Trump-Gegner nun vor allem auf die Gerichte und strategische Prozesse setzten.
Frankreich – Sarkozy: Ex-Präsident Nicolas Sarkozy muss sich vor Gericht verantworten, weil er bei seiner erfolglosen Wiederwahl-Kampagne 2012 die gesetzliche Obergrenze für Wahlkampfausgaben von 22,5 Millionen Euro um gut 20 Millionen Euro überschritten hat, meldet lto.de. Rudolf Balmer (taz) geht davon aus, dass Sarkozy damit im laufenden Wahlkampf auch dann nicht eingreifen kann, falls der konservative Kandidat François Fillon kurzfristig zurückzieht.
Slowakei – Amnestie-Rücknahme: Rechtsprofessor Michal Ovádek beleuchtet auf verfassungsblog.de die Diskussionen im slowakischen Parlament über die Rücknahme von Amnestien, die Ende der 90er-Jahre unter dem autoritären Präsidenten Vladimír Mečiar beschlossen wurden.
Juristische Ausbildung
Verkaufte Examenslösungen: Der niedersächsische Skandal um verkaufte Lösungen für Referendar-Examen ist weitgehend aufgearbeitet, bilanziert lto.de. Insgesamt wurde 14 Referendaren das Examen aberkannt. Die meisten wurden schon rechtskräftig zu Bewährungsstrafen verurteilt. Der Prüfungsamts-Mitarbeiter Jörg L., der die Lösungen verkauft hatte, war zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden und befindet sich derzeit im offenen Vollzug.
Sonstiges
Thomas Fischer bei Maischberger: Bundesrichter Thomas Fischer räsonniert in seiner Kolumne bei zeit.de über seinen Auftritt in der Talkshow "Maischberger" zum Thema Gewalt gegen Polizisten. Es gehe dort nicht um Information, sondern nur um Quote. Die Talkshow biete "eine auf Vorurteile hin konstruierte Scheinwirklichkeit". So würden die konkreten Beispiele absichtlich schlecht vorrecherchiert. Als Experte dürfe man sie trotzdem nicht in Zweifel ziehen. Letztlch gehe es den Zuschauern nur um gefühlte Sicherheit. Nach der Sendung habe er hunderte von Hassmails erhalten. Dabei habe er selbst "zweimal im Leben ein Messer am Hals und einmal im Körper gehabt, und war vermutlich gewiss öfter Opfer von Gewalt- und Eigentumsstraftaten als die Mehrzahl derjenigen, die ihm hasserfüllt empfehlen, aus dem 'Elfenbeinturm' zu (ihrer) 'Wirklichkeit' herabzusteigen."
Das Letzte zum Schluss
Ohne Durchsuchung: Der Diebstahl eines Handys hat dem Bestohlenen ein Strafverfahren eingebracht. Als die Polizei das Telefon beim Dieb beschlagnahmte, schaute sie sich gespeicherte Bilder an, um den Eigentümer identifizieren zu können. Dabei fand sich auch ein Foto einer Indoor-Hanfplantage. Die Polizei brachte das Handy zurück und wurde vom Eigentümer in die Wohnung gelassen, wo die Beamten dann den vermuteten Drogen-Anbau fanden. Udo Vetter (lawblog.de) schildert den Fall und warnt davor, Polizisten ohne Durchsuchungsbefehl in die Wohnung zu bitten.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/chr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 8. Februar 2017: BFH zu Karnevalsbrauchtum / Generalanwalt für Asyl-Visa / 14 aberkannte Examen . In: Legal Tribune Online, 08.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22025/ (abgerufen am: 29.04.2024 )
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