Die Forderungen nach einem Paritätsgesetz im Bund sorgen immer noch für Diskussionsstoff. Doch in den vergangenen Tagen dominierte vor allem ein Gastbeitrag zum BGH-Hinweisbeschluss Ihre Zuschriften und Kommentare.
Hier finden Sie nun mal wieder eine kleine Auswahl von Leserbriefen, die uns in den vergangenen Tagen erreicht haben. Wichtig ist uns diese Veröffentlichung vor allem, weil wir einen Gastbeitrag im Kontext des Dieselskandals veröffentlicht haben, dessen Inhalt zwar völlig untadelig ist, der aber als Lobbyismus angesehen werden könnte. Dafür entschuldigen wir uns ausdrücklich.
Die Auswahl an veröffentlichten Leserbriefen ist subjektiv und nicht repräsentativ für das Leserecho, das Sie weiterhin auch bei Facebook sowie Twitter finden. Wir nehmen ausdrücklich auch kritische Reaktion auf, konnten aber auch in dieser Woche vieles nicht berücksichtigen. Viele Zuschriften sind nicht rechtlicher Natur und/oder tragen nichts zur fachlichen Debatte bei. Einige Post konnten wir auch nicht veröffentlichen, weil Sie uns nicht mit Klarnamen geschrieben haben - schade. Unsere Leserbrief-Richtlinien finden Sie hier.
Hinweisbeschluss des BGH veröffentlicht: Für die meisten Diesel-Kläger ändert sich nichts
Von Prof. Dr. Kurt Faßbender, Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Umwelt- und Planungsrecht, an der Universität Leipzig
Ich habe mich über den LTO-Newsletter vom 27.2.2018 gewundert, der auf der einen Seite einen Hinweis auf den ausgewogenen Beitrag von Pia Lorenz zum Hinweisbeschluss des BGH vom gleichen Tage zu den Gewährleistungsansprüchen aufgrund der Diesel-Schummelsoftware enthält. Auf der anderen Seite findet sich in diesem Newsletter ein Hinweis auf einen weiteren Beitrag zu diesem Beschluss mit der bereits offensichtlich tendenziösen Überschrift "Für die meisten Diesel-Kläger ändert sich nichts". Hierzu enthält der Newsletter folgende Kurzzusammenfassung, die auch dem Beitrag selbst vorangestellt ist:
"Als der BGH ankündigte, sich erstmals zum Dieselskandal zu äußern, war die Aufregung groß. Der Hinweisbeschluss liegt nun vor. Für die meisten Diesel-Verfahren wird er aber nicht viel ändern, erläutern Alexandra Watzlawek und Levin Fischer."
Erst die Lektüre der Autorenhinweise zu diesem Beitrag ergibt (wie erst aufgrund eines Leserhinweises nachträglich beigefügt wurde), dass beide Autoren in einer Anwaltskanzlei tätig sind, die regelmäßig auch eine Tochtergesellschaft des VW-Konzerns berät. Dies deutet darauf hin, dass LTO die Autoren bzw. Autorinnen von Gastbeiträgen bislang nicht dazu verpflichtet, eine derartige Parteilichkeit von sich aus offen zu legen. Sollte dies der Fall sein, würde ich dergleichen für die Zukunft empfehlen - zumal dies mittlerweile auch einige etablierte Fachzeitschriften tun.
Ferner würde ich mich als Leser von LTO freuen, wenn eine derartige Parteilichkeit eines Verfassers bzw. einer Verfasserin eines Gastbeitrags bereits im Newsletter und auch in dem Einführungstext zu dem betreffende Beitrag offengelegt würde, damit auch der flüchtige Leser sogleich Bescheid weiß. Das erscheint gerade bei praktisch bedeutsamen und besonders umkämpften Angelegenheiten wie dem Diesel-Skandal angezeigt, weil die Automobilkonzerne eine ganze Armada an Anwälten damit beauftragt haben, die meines Erachtens berechtigten Ansprüche getäuschter Verbraucher abzuwehren.
Von Dieter Scholl, Rechtsanwalt
Es mutet schon etwas merkwürdig an, dass eine Partnerin einer Kanzlei, die zumindest eine VW-Tochter berät, den Hinweisbeschluss des BGH kommentiert und bewertet. Darf man da von einer gelungenen Lobbyarbeit sprechen? Dies um so mehr, als die Anmerkung unter dem Artikel den Eindruck macht, dass dieser Nähehinweis erst nach Veröffentlichung angebracht wurde. Man fragt sich dann schon wie es zur Veröffentlichung des Artikels und wie die LTO zu dem Artikel kam.
Noch merkwürdiger mutet es an, dass der Hinweisbeschluss nicht verlinkt wird, damit man ohne weiteres die Bewertung selbst prüfen kann.
Kurzum: Ein solcher Artikel ist der LTO nicht würdig.
Antwort von Pia Lorenz, Chefredakteurin LTO
Der Gastkommentar zum vielbeachteten Hinweisbeschluss des BGH in einem Verfahren gegen einen VW-Händler wegen manipulierter Diesel-Software erntete viel Kritik, neben mehreren Leserbriefen vor allem auch über die sozialen Medien. Diese Kritik ist trotz des rechtlich untadeligen Inhalts des Artikels in jeder Hinsicht berechtigt. Da der Redaktion erst nach der Veröffentlichung bekannt wurde, dass die Hauptautorin u. a. eine VW-Tochtergesellschaft berät, konnten wir nur noch Schadensbegrenzung betreiben, indem wir diese Verbindung im Rahmen des Autorenhinweises unter dem Beitrag ausgewiesen. Wir möchten aber ausdrücklich darauf hinweisen, dass wir den Artikel - unabhängig von seinem Inhalt - gar nicht erst veröffentlicht hätten, wenn wir vorher gewusst hätten, dass eine solche Verbindung besteht. Obwohl wir es für selbstverständlich halten, dass Kanzleien darauf, dass sie unmittelbar oder mittelbar conflicted sind, vor einer Veröffentlichung von sich aus hinweisen, fordern wir Autoren üblicherweise auch auf, uns mögliche Interessenkonflikte vorher mitzuteilen. Dass dies hier nicht geschehen war, war eher einem unglücklichen Zusammentreffen von Umständen geschuldet als einem strukturellen Defizit. Wir entschuldigen uns dennoch dafür - und geloben Besserung.
Von Jürgen Klein
Dem soliden Watzlawek/Fischer-Kommentar ist nicht viel hinzuzufügen!
Es sei denn, der 8. Senat würde bei Gelegenheit auch für Klagen auf Rückabwicklung den in einem Fahrzeugtausch enthaltenen Inflationsausgleich gleichermaßen auf den Nutzwertausgleich bei Rückabwicklungen angewendet sehen und sich dann auch limitierend zur Fristenfrage äußern. Ein Inflationsausgleich auf den geleisteten Kaufpreis nach Abzug des Nutzungsausgleich würde Verfahrenswege sicher verkürzen, zu mehr außergerichtlichen Einigungen schon vor der 1. Instanz führen und dem Ziel einer Herstellung des vorvertraglichen Zustandes durch beidseitigen monetären Ausgleich näher kommen. Dazu wäre dann aber wohl zusätzlich auch noch ein diesbezüglicher Hinweis zur Auslegung des Paragrafen 848 BGB notwendig. Daher ist die Auswirkung des Hinweis-Beschlusses bisher als eher gering und für Rückabwicklungs-Klagen als zumindest noch sehr offen zu bezeichnen.
Zur wünschenswerten einheitlichen Entscheidungsgrundlage führt der Hinweis-Beschluß jedenfalls nicht. Allerdings könnten sich Gerichte in 1. Instanz nunmehr ermutigt fühlen, den Rahmen bestehender Entscheidungsspielräume so auszuweiten, daß rein prozesstechnische Verzögerungstaktiken weniger "lohnend" sind.
Auch die Fristenfrage und Fragen zur wirksamen Mängelbeseitigung durch (zudem garantiebeschränktes) Software-Update könnten bereits in 1. Instanz schon heute noch einheitlicher entschieden werden. Der Mangel entstand unbestritten schon durch Auslieferung eines absichtlich nicht zulassungsberechtigten Fahrzeuges. Das war eben kein nachträglich und zudem unerwartet auftretender Mangel. Hier werden leider im Einzelfall sachunkundig immer noch "Äpfel mit Birnen verglichen".
Eine behauptete Mängelbeseitigung durch nachträgliches, (fremdverursachtes!) Software-Update erscheint mir zudem zweifelhaft, solange der nunmehr verwendete Logaritmus immer noch zumindest zwischen unterschiedlichen Fahrgeschwindigkeiten unterscheidet und die AGR darauf reagiert.
Eindeutiger wurde alleine durch den BGH-Hinweis also noch nicht sehr viel. Trotzdem könnten Richter sich ermutigt fühlen, zukünftig die bestehenden Rahmen zu einer verfahrensbeschleunigenden Rechtsauslegung weiter auszulegen.
Kölner Karnevalsprinz Marc I.: Ein Anwalt regiert die Domstadt
Seit Anfang Januar ist Prinz Marc I. der höchste Repräsentant von Köln. Zum Höhepunkt der Karnevalssaison reiht sich für ihn jetzt ein Termin an den anderen. Doch danach sitzt er wieder in seiner Kanzlei.
Von Dr. Johannes Rübenach, Rechtsanwalt
Schön, dass Sie heute über den Faschingsprinzen in Köln geschrieben haben. Mich, auch als Mann, würde aber ebenso, wenn nicht mehr, interessieren, wer hinter der Sitzungspräsidentin der "Mädchensitzung" an Weiberfastnacht steckt, die ich mir gestern mit großem Wohlwollen am Fernseh ansehen durfte: Es handelt sich um Martina Kratz, Ihres Zeichens promovierte Referendarin, bzw. zwischenzeitlich Rechtsanwältin, und wirklich ein Aushängeschild - sowohl des Karnevals als auch der Juristerei.
Brandenburger Paritätsgesetz: Schritt zur gleichberechtigten demokratischen Teilhabe
Ende Januar verabschiedete Brandenburg das erste paritätische Wahlgesetz in Deutschland. In zehn weiteren EU-Staaten gibt es ähnliche Regelungen. Für Silke Laskowski beendet das Gesetz einen langjährigen Verfassungsverstoß.
Von Mikel Bühring-Uhle
Drei Kritikpunkte:
1) Die Verfasserin schließt aus einer zahlenmäßig im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung feststellbaren Unterrepräsentation von Frauen auf eine Diskriminierung, das heißt eine sachlich ungerechtfertigte Schlechterbehandlung von Frauen im Vergleich zu Männern. Das ist offensichtlich unplausibel.
1a) Es ist auch nicht selbsterklärend, dass Frauenrechte nur durch paritätische Besetzungen von Gremien gewahrt werden können und Gleichberechtigung zwangsläufig in Parität enden muss.
2) Sie sagt: "Das Bundesverfassungsgericht spricht deshalb von einer "strukturellen Benachteiligung von Frauen in der Politik" (Urt. v. 1.04.2015, Az. 2 BvR 3058/1)." Das ist ein Falsch-Zitat. Davon spricht in dem genannten Verfahren nur die Antragsgegnerin. Es ist ihre Ansicht. Das wird bereits durch die konjunktive Formulierung deutlich.
3) Sie stellt zur Rechtfertigung der Parität auf den "männlichen Blick" in der Gesetzgebung ab, der zu "mittelbarer Diskriminierung" führe. Wenn wir aufgrund so vager Argumente Gesetze verabschieden, haben wir ein echtes Problem. Mich würde interessieren, in welchen Politikbereichen dieser "männliche Blick" relevant wird, wie er genau wirkt, und ob dieses "Problem" nicht durch andere Mittel lösbar wäre als eine verordnete Parität, die alle Sachbereiche betrifft.
Ich verstehe nicht, wie man als Wissenschaftler einen solch undurchdachten Artikel schreiben kann.
OLG Hamburg: Ein Plagiatsvorwurf ist Meinungssache
Ein Plagiat sei Ansichtssache und ein entsprechender Vorwurf damit kaum widerlegbar, urteilte das OLG Hamburg nun rechtskräftig. Wie man sich dann gegen die Anschuldigung, abgeschrieben zu haben, wehren soll, bleibt strittig.
Von Prof. Dr. Theodor Ebert, Erlangen
In dem Text von Herrn Hortskotte in der LTO vom 25.02. heißt es: "Auch dazu schreibt der in Hamburg erfolgreiche Rieble: 'Höchste Anforderungen gelten der wissenschaftlichen Monographie und dem Fachaufsatz in einer renommierten Fachzeitschrift.' Im Umkehrschluss könnten für andere Textgattungen wie besagte populärwissenschaftliche Sachbücher andere Anforderungen gelten, womöglich pauschale Nachweise genügen statt 'beanstandenswert' zu erscheinen."
Der Autor scheint also zu schließen: Wenn ein Text in einer wissenschaftlichen Monographie und der Fachaufsatz in einer renommierten Fachzeitschrift erscheint, dann gelten dafür höchste Anforderungen. Also im Umkehrschluss: Wenn ein Text einer anderen Textgattung zuzuordnen ist (nicht in einer wissenschaftlichen Monographie und der Fachaufsatz in einer renommierten Fachzeitschrift erscheint), dann gelten dafür keine höchsten Anforderungen.
Das ist allerdings kein Umkehrschluss, sondern der Fehlschluss der Verneinung des Vordersatzes. Dass diese Folgerung nicht allgemein gültig ist, zeigt ein einfaches Beispiel: Wenn es regnet, sind Wolken am Himmel. Falsch: Wenn es nicht regnet, sind keine Wolken am Himmel. Richtig wäre nur: Wenn keine Wolken am Himmel sind, regnet es nicht.
Dieses Missverständnis von Umkehrschluss findet sich häufig bei Journalisten und Akademikern.
Leserbriefe an LTO: Zum Karnevalsprinzen, zu Parität und einem umstrittenen Gastbeitrag . In: Legal Tribune Online, 08.03.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34287/ (abgerufen am: 19.05.2024 )
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