Die Veröffentlichung von Informationen aus den Panama Papieren beschränkt sich bisher auf die Nennung einzelner öffentlicher Personen. Aus gutem Grund, erkärt Arno Lampmann. Sonst würden Persönlichkeitsrechte verletzt.
Die Berichterstattung nicht nur der Süddeutschen Zeitung (SZ) wird zur Zeit von den so genannten "Panama Papers" beherrscht. Dort hat man sogar eine eigene Internetseite "Panama Papers - Die Geheimnisse des schmutzigen Geldes" zu dem Thema ins Leben gerufen, auf der fast täglich Neuigkeiten dazu veröffentlicht werden.
Bei den Panama Papers handelt es sich um einen 2,6 Terabyte großen Datensatz bestehend aus über 11,5 Millionen Dokumenten zu 214.000 Briefkastenfirmen, der aus einer Datenbank der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca - soweit ersichtlich auf illegale Weise - entwendet, oder wie es in der Presse heisst, "geleakt" wurde. Die SZ ist nach eigenen Angaben durch einen unbekannten Informanten an diese Daten gelangt, der dort angefragt hatte, ob man Interesse an Informationen habe.
Die Kanzlei Mossack Fonseca beschäftigt sich vornehmlich mit der Gründung von so genannten Offshore-Gesellschaftern oder "Briefkastenfirmen", mit deren Hilfe Finanztransaktionen steueroptimiert und/oder mit Hilfe von Treuhandkonstruktionen die Herkunft und die Inhaberschaft von Vermögen verschleiert werden können. Eine Briefkastenfirma ist für sich genommen nicht illegal, wird es aber dann, wenn damit Vermögen und Geschäfte vor dem heimischen Fiskus verborgen und Steuern zu hinterzogen werden sollen.
Umfassende Veröffentlichung aller Namen nicht zu erwarten
Ein Konsortium aus rund 400 Journalisten von mehr als 100 Medienorganisationen in rund 80 Ländern recherchierte in den vergangenen zwölf Monaten in den Dokumenten. Veröffentlicht wurden bisher nur einzelne Rechercheergebnisse und Namen prominenter Betroffener, die Dokumente selbst bisher nicht. Die Berichterstattung beschränkt sich auf die Mitteilung von Einzelheiten aus bestimmten Vorgängen, die bekannte, im öffentlichen Leben stehende Personen betreffen.
Die SZ erläutert auf einer eigens eingerichteten FAQ-Seite, dass sie weder gedenke, die Daten der Allgemeinheit oder den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung stellen, noch die Namen aller betroffenen Personen zu veröffentlichen, da dies auch rechtlich bedenklich sei. Mit dieser Einschätzung liegt sie trotz des auf den ersten Blick scheinbar überwiegenden Aufklärungs- bzw. Strafverfolgungsinteresses richtig.
Kein Recht auf Löschung der Daten
Die Dokumente enthalten, soweit sie natürliche Personen betreffen, personenbezogene Daten gem. § 3 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Der Begriff der personenbezogenen Daten – und das wird häufig übersehen – beschreibt nicht nur klassische Daten wie etwa den Namen oder den Geburtsort, sondern umfasst alle Informationen, die über eine Bezugsperson etwas aussagen oder mit ihr in Verbindung zu bringen sind. Eine Verarbeitung, also in diesem Fall die Übermittlung, wäre gem. § 4 Abs. 1 BSDG nur zulässig, soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat. Nichts davon trifft im vorliegenden Fall zu.
Ein Löschungs- bzw. Unterlassungsanspruch gem. § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BDSG scheitert allerdings am Medienprivileg gem. § 41 Abs. 1 BDSG. Das Medienprivileg stellt die Presse bei der Erfüllung ihrer in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zuerkannten und garantierten Aufgaben, somit der "pressemäßigen Veröffentlichung für journalistisch-redaktionelle oder literarische Zwecke" von der Einhaltung der Datenschutzvorschriften weitgehend frei. Denn ohne die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten auch ohne eine Einwilligung der jeweils Betroffenen wäre journalistische Arbeit nicht möglich.
2/2: Veröffentlichung tangiert das allgemeine Persönlichkeitsrecht
Die unbefugte Veröffentlichung vertraulichen Aufzeichnungen tangiert zwar das allgemeine Persönlichkeitsrecht, da der Einzelne grundsätzlich ein Recht darauf hat, selbst zu bestimmen, ob und wie er sich in der Öffentlichkeit darstellt (BVerfG, Beschl. v. 21.08.2006, Az. 1 BvR 2606/04). Ob der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht allerdings auch rechtswidrig ist, bestimmt das Ergebnis der Abwägung zwischen dem Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und dem Recht auf Kommunikationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG.
Den Rahmen gibt die so genannte Sphärentheorie des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 20.12.2011, Az. VI ZR 261/10) vor. Danach ist festzustellen, in welcher Sphäre der Betroffene durch die Veröffentlichung berührt wäre. Zu unterscheiden ist, ob der Eingriff in die Intim-, die Privat-, die Sozial- oder sogar die Öffentlichkeitssphäre erfolgt. Besonders hohen Schutz genießen die sogenannten sensitiven Daten, die der Intim- und Geheimsphäre zuzuordnen sind. Geschützt ist aber auch das Recht auf Selbstbestimmung bei der Offenbarung von persönlichen Lebenssachverhalten, die lediglich zur Sozial- und Privatsphäre gehören, so das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Urt. v. 15.12.1983, Az. 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83, 1, 41 ff.; 78, 77, 84).
Zusätzlich brisant: Dokumente wurden entwendet
Selbst wenn die Dokumente einem geschäftlichen und somit nicht einem privaten, sondern einem Vorgangs aus der Sozialsphäre zuzuordnen sein sollten, dürfte das Recht des Betroffenen, nicht an die Öffentlichkeit gezerrt zu werden, das öffentliche Informationsinteresse überwiegen*.
Das würde auch und gerade dann gelten, wenn der Verdacht einer Straftat im Raum stünde. Denn nicht jeder Verdacht einer Straftat begründet das überwiegende Informationsinteresse der Allgemeinheit an einer entsprechenden Berichterstattung. Es müsste sich vielmehr um eine schwerwiegende Verfehlung handeln, bei der auch die Person des Verdächtigen eine Rolle spielt. Ein kleiner Unternehmer oder gar Privatmann muss danach eher "in Ruhe gelassen werden", als ein Großindustrieller, ein Politiker oder eine sonstige in der Öffentlichkeit stehende Person. Journalisten müssten zusätzlich darauf achten, dass ein Mindestbestand an Beweistatsachen bezüglich einer Verfehlung mit einem bestimmten Gewicht vorliegt und keine Vorverurteilung des Betroffenen stattfindet, dem vor Veröffentlichung Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden muss.
Was der neudeutsche Begriff des "Leaks" verniedlicht, ist die Tatsache, dass – wie Mossack Fonseca bestätigt -, die Daten von den Servern der Kanzlei unbefugt entwendet wurden. Die Veröffentlichung rechtswidrig erlangter Informationen, bedarf zu ihrer Rechtfertigung eines gesteigerten Informationsinteresses. Die Journalisten haben daher aus gutem Grund bisher davon abgesehen, alle Dokumente zu veröffentlichen und sich darauf beschränkt, die Namen einiger bekannter, in der Öffentlichkeit stehender Personen zu nennen.
Eine Entscheidung, die jeder begrüßen müsste, der vertrauliche Dokumente bei seiner Bank, seinem Steuerberater, seiner Arzt oder Anwalt in Verwahrung hat, die bei einem Hackerangriff in falsche Hände geraten könnten.
Arno Lampmann ist Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz bei Lampmann, Haberkamm & Rosenbaum Rechtsanwälte in Köln.
*Anm. d. Red.: Satz geändert am 19. Oktober 2018, 11:19 Uhr (pl)
Arno Lampmann, Panama Papers – Rechte der Betroffenen: Immer dieses Persönlichkeitsrecht . In: Legal Tribune Online, 18.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19086/ (abgerufen am: 09.05.2024 )
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