Journalisten haben ein Zeugnisverweigerungsrecht, wenn sie journalistisch tätig werden. Nicht erst der Fall des Mitarbeiters eines Internet-Bewertungsportals, der sich weigert, Daten eines Nutzers herauszugeben, zeigt, dass im Zeitalter von Blogs, Community und User Generated Content Grenzen verwischen können. Lösungsmöglichkeiten von Pia Lorenz und Martin W. Huff.
Kurz nach der Beinahe-Durchsuchung der Augsburger Allgemeinen Zeitung sorgen erneut nicht herausgegebene Nutzerdaten für Aufregung. Einem Mitarbeiter das Internetportals www.medizinfo.de droht Beugehaft. Das Portal bietet über die Unterseite klinikbewertungen.de auch die Möglichkeit, Kliniken zu bewerten. Dafür muss sich der Nutzer anmelden, seine Bewertung erscheint dann unter einem Alias-Namen.
Ausweislich des "Bewertungseinmaleins" des Portals werden die Bewertungen von der Redaktion daraufhin geprüft, ob ihre Inhalte den dortigen Vorgaben entsprechen, die Redaktion behält sich vor, Beiträge zu ändern, zu kürzen oder zu sperren. Die in Bezug genommenen Vorgaben beschränken sich darauf, dass User auf die Nennung von Namen verzichten sollen und dass Beleidigung, Schmähkritik sowie Andeutungen von Straftaten nicht Gegenstand einer Bewertung seien.
Gegenüber LTO gab der verantwortliche Mitarbeiter an, die Nutzerbewertungen würden nicht im Voraus händisch geprüft, sondern vor der Veröffentlichung nur mit Hilfe einer Software gescannt. Im Nachhinein würden nach dem Zufallsprinzip Stichproben durchgeführt, bei denen manche Kommentare von einem Mitarbeiter überprüft würden.
Eine Therapeutin erstattete Strafanzeige wegen übler Nachrede im Kommentar eines nicht namentlich bekannten Nutzers. Der Betreiber des Portals löschte nach eigenen Angaben noch im Jahr 2011 die von ihr beanstandete Passage der Bewertung. Der zuständige Mitarbeiter verweigert aber seitdem die Nennung des Klarnamens des Kommentators, dessen strafrechtliche Verfolgung die Therapeutin erreichen möchte.
"Tagtäglich redaktionelle Arbeit" auf einem Bewertungsportal?
Der Mitarbeiter von medizinfo.de beruft sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Strafprozessordnung (StPO), da er eine journalistische Tätigkeit ausübe. Der zuständige Amtsrichter sah dies anders und verhängte erst ein Ordnungsgeld, dann Beugehaft gegen den Mitarbeiter, den er wie die Staatsanwaltschaft als Zeugen ansieht Dieser hat Beschwerde eingelegt und nach eigenen Angaben das Bundesverfassungsgericht angerufen. "Wir üben tagtäglich redaktionelle Arbeit aus. Wir brauchen Rechtssicherheit", ist er überzeugt. Eben daran aber darf man erhebliche Zweifel haben. Das Zeugnis verweigern dürfen nach § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, Abs. 1 S. 2 und 3 StPO "Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken, Rundfunksendungen, Filmberichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben."
Diese Personen dürfen das Zeugnis verweigern "über die Person des Verfassers oder Einsenders von Beiträgen und Unterlagen oder des sonstigen Informanten sowie über die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen, über deren Inhalt sowie über den Inhalt selbst erarbeiteter Materialien und den Gegenstand berufsbezogener Wahrnehmungen." All das gilt aber nur für die Quellen und Materialien "für den redaktionellen Teil oder redaktionell aufbereitete Informations- und Kommunikationsdienste".
Wer nicht mal liest, ist auch kein Journalist
Selbst wenn man das Internetportal medizinfo.de - eher großzügig - als einen solchen Dienst, also als ein Pressorgan ansehen wollte, hat der für die Klinikbewertungen zuständige Mitarbeiter aber wohl an den journalistischen Beiträgen, an welche die StPO anknüpft, nicht im erforderlichen Sinne "mitgewirkt".
Er selbst beruft sich darauf, auch Leserbriefe fielen unter die vom Zeugnisverweigerungsrecht geschützten Beiträge. Das gilt aber nur dann, wenn sie vor der Veröffentlichung von der Redaktion gesichtet und redaktionell bearbeitet werden.
Wenn dagegen Dritte, die sich einmal anonym angemeldet haben, einen Kommentar einstellen können und dieser online geht, ohne dass ihn ein Mitarbeiter inhaltlich überprüft hat, dann gibt es gerade keine Mitwirkung im Sinne des § 53 StPO. Auch der Einsatz von technischen Hilfsmitteln wie zum Beispiel Filtern ersetzt die tatsächliche redaktionelle Bearbeitung nicht.
2/2: Nachher löschen macht keinen Journalisten
Der Mitarbeiter wird gerade nicht journalistisch tätig, wenn er nicht an der Veröffentlichung des Kommentars mitgewirkt, diesen redaktionell aufbereitet hat oder sonst wie tätig geworden ist.
Dass der Mitarbeiter den User-Kommentar, der strafrechtlich relevante Formulierungen enthalten haben könnte, auf eine entsprechende Abmahnung der Therapeutin hin nachträglich aus dem Netz nahm, ist ebenfalls keine redaktionelle Tätigkeit. Denn dazu ist der Anbieter nach positiver Kenntnis von der Rechtsverletzung nach den Vorschriften der §§ 6 ff. des Telemediengesetzes verpflichtet, will er sich selber nicht haftbar machen und zwar sowohl in zivil-, wie auch in strafrechtlicher Hinsicht.
Diese nachträgliche Entfernung des Kommentars macht dessen Veröffentlichung auch nicht etwa im Nachhinein zu einer journalistischen Tätigkeit. Die üble Nachrede ist geschehen und in der Welt – auch wenn sie dann nicht dauerhaft im Netz erhalten bleibt.
Und wenn er geprüft hätte: ganz schnell vom Zeugen zum Täter
Daher steht dem Mitarbeiter von medizinfo.de kein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Er muss im Rahmen des Ermittlungsverfahrens die Daten des Kommentators herausgeben, damit der "Täter" der üblen Nachrede ermittelt werden kann. Die Beugehaft hat das Amtsgericht daher zu Recht angeordnet.
Was aber wäre, wenn der Mitarbeiter des Portals die Beiträge von Nutzern vor ihrer Veröffentlichung immerhin auf Namensnennungen oder strafrechtliche Relevanz prüfte? Er hätte noch ein ganz anderes Problem: Hätte er den Kommentar vorher gelesen, bearbeitet und erst dann veröffentlicht, wäre er zwar journalistisch tätig geworden und hätte damit ein Zeugnisverweigerungsrecht in Bezug auf den "Zulieferer" der Information.
Wenn die Bewertung aber dann tatsächlich die Voraussetzungen der üblen Nachrede erfüllt, hilft ihm das Zeugnisverweigerungsrecht möglicherweise wenig, weil er nicht mehr nur Zeuge in dem Verfahren wäre. Er kann sich vielmehr selbst strafbar machen: Entweder als Täter, wenn er die Verantwortung übernimmt, also einen ersichtlich diffamierenden Kommentar redigiert und sich zueigen macht, oder zumindest in Form der Beihilfe, weil er an der üblen Nachrede jedenfalls durch die Veröffentlichung mitgewirkt hat.
Wer die Verantwortung übernimmt, muss sie auch tragen
Dieses Ergebnis ist auch richtig. Der so genannte von Nutzern generierte Inhalt (user generated content) wird quasi wie an einer "Pinwand" aufgehängt, wenn keine Redaktion darauf in Form von Prüfung, Sichtung oder Redigatur Einfluss nimmt.
Das ist etwas anders als der redaktionell verantwortete Leserbrief. Ein Zeugnisverweigerungsrecht als Privileg für die Medien, die eben keine Verantwortung für diese Kommentare Dritter übernehmen und auch nicht übernehmen wollen, kann und darf es dabei nicht geben. Der Betreiber einer Homepage muss sich also entscheiden: Wenn er keine redaktionelle Leistung erbringt, also auch keine Verantwortung für Veröffentlichungen Dritter übernimmt, sondern nur die Pinnwand zur Verfügung stellt, an welcher diese ihre Beiträge aufhängen können, hat er auch kein Zeugnisverweigerungsrecht. Er muss dann die Daten der Nutzer herausgeben, sofern die Inhalte strafrechtlich relevant sind.
Erbringt er eine redaktionelle Leistung und veröffentlicht anschließend Kommentare, die erkennbar strafrechtlich relevant sind, hat auch er die Verantwortung für diese übernommen. Einer muss am Ende verantwortlich sein und gemacht werden können. Auch und gerade für Äußerungen im Netz.
Die Autorin Pia Lorenz, LL.M. oec. ist Rechtsanwältin und Chefredakteurin der Legal Tribune ONLINE.
Der Autor Martin W. Huff ist Rechtsanwalt und Lehrbeauftragter für Medienrecht an der Fachhochschule Köln. Er war früher Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Pia Lorenz und Martin W. Huff, Beugehaft für Bewertungsportal-Mitarbeiter: Das Zeugnisverweigerungsrecht im Journalismus 2.0 . In: Legal Tribune Online, 19.02.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8174/ (abgerufen am: 04.05.2024 )
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