Reform der Ökostrom-Umlage: "Wer auf eigene Solarenergie setzt, wird bestraft"

von Claudia Kornmeier

11.04.2014

Wer soll die Energiewende bezahlen? Alle? Nur Erzeuger und Nutzer von Strom aus fossilen Quellen? Je mehr sich die erneuerbaren Energien durchsetzen, desto komplizierter wird eine gerechte Verteilung der Kosten. Margarete von Oppen hat ein Gutachten für die Solarbranche erstellt. Sie hält es für bedenklich, dass an den Kosten beteiligt werden soll, wer die Energiewende vorbildlich umsetzt.

LTO: Anfang August soll die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) in Kraft treten. Ziel ist es, die Kosten für die Energiewende gerechter zu verteilen. Belastet werden soll in Zukunft deshalb auch, wer seinen Strom selbst aus erneuerbaren Energien erzeugt. Wer tut das in der Regel?

von Oppen: Vor allen Dingen investiert der Mittelstand, also Gewerbe, Dienstleistung, Handel und Landwirtschaft in Solarstromanlagen. Daneben gibt es noch den privaten Bereich: das klassische Einfamilienhaus mit wenigen Solarpanelen auf dem Dach. Die sind aber weniger betroffen, weil der Gesetzentwurf eine Grenze bei zehn Kilowattstunden zieht. Nur wer mehr Leistung installiert, soll die EEG-Umlage zahlen müssen.

LTO: Wieso wehrt sich dann die Solarbranche gegen diese Neuregelung und nicht mittelständische produzierende Unternehmen?

von Oppen: Der Verband versteht sich als Stimme der Unternehmen. Er ergreift in deren Interesse die Initiative. Er ist außerdem bereit, Zeit und Kosten zu übernehmen, um so gut wie möglich vorbereitet zu sein. Diese Handlungsspielräume haben die Unternehmen selbst häufig nicht. Die Eigenerzeugung von Strom ist im mittelständischen Segment ein großes Thema und die aktuelle Entwicklung wird dort mit Ärger und Sorge betrachtet. Das betrifft übrigens nicht nur die Solarbranche. Denken Sie zum Beispiel an ein Sägewerk, dass sich den benötigten Strom mithilfe von Holzhackschnitzeln erzeugt.

"Energiewende-Kosten müssen Verursacher des Klimawandels tragen"

LTO: In Ihrem Gutachten kommen Sie zu dem Ergebnis, dass diese sogenannte Eigenverbrauchsumlage gegen die allgemeine Handlungsfreiheit verstoßen könnte. Wieso nicht gegen die Berufsfreiheit?

Margarete von Oppenvon Oppen: Ein Eingriff in die Berufsfreiheit setzt nach der Rechtsprechung voraus, dass die fragliche Vorschrift zumindest eine objektiv berufsregelnde Tendenz hat. Eine solche Tendenz ist nicht ersichtlich. Die EEG-Umlage refinanziert die Förderung von Strom aus erneuerbaren Energien. Die Energieversorgungsunternehmen dürfen damit im Ergebnis belastet werden, weil sie als Verursacher einer klima- und umweltschädlichen Energieerzeugung gelten.

Deshalb blieb leider nur Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG), der auch das Recht umfasst, frei zu wirtschaften. Die EEG-Umlage auf den Eigenverbrauch greift klar in dieses Recht ein. Grundsätzlich ist ein solcher Eingriff auf Basis des EEG auch möglich. Allerdings muss die  gesetzliche Grundlage ihrerseits verfassungsgemäß, insbesondere verhältnismäßig sein.

Der interessanteste Aspekt dabei ist die Frage nach der Zumutbarkeit. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat dazu die Rechtsprechung zur "Indienstnahme Privater für Allgemeinwohlbelange" entwickelt. Ein schönes Beispiel dafür sind die Raucherwarnungen auf Zigarettenpackungen. Als normaler Unternehmer würde man ja nicht auf die Idee kommen, vor seinem eigenen Produkt zu warnen. Das BVerfG geht aber davon aus, dass der Gesetzgeber die Tabakindustrie im Interesse des Gesundheitsschutzes zu einer solchen Warnung verpflichten darf. Zwar ist die Tabakindustrie nicht selbst für einen solchen Allgemeinwohlbelang unmittelbar verantwortlich, aber es gibt einen spezifischen Sach- und Verantwortungszusammenhang. Zigaretten sind nämlich besonders gesundheitsschädliche Produkte.

LTO: Und dieser Gedanke lässt sich auf die Eigenverbrauchsumlage übertragen?

von Oppen: Am Anfang war ich auch skeptisch, aber im Grunde passt das sehr gut: Die Belastung der Energieversorger mit der EEG-Umlage ist auch eine Indienstnahme Privater für Allgemeinwohlbelange – nämlich für die Energiewende. Während die Tabakindustrie gesundheitsschädliche Zigaretten herstellt, erzeugen die Betreiber von Kohlekraftwerken  Strom auf klimaschädliche Weise. Das rechtfertigt dann die Belastung mit der Umlage. Diese verursachergerechte Zuordnung der Kosten wird so auch als Ziel in der Gesetzesbegründung formuliert. Die Kosten der Energiewende im Sinne des Verbraucherschutzes möglichst breit zu verteilen, muss dabei – aus meiner Sicht – ein untergeordneter Zweck bleiben, aus rechtlichen Gründen nicht aus politsichen!

Wer nun aber seinen eigenen Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt, verhält sich nicht klimaschädlich, er setzt die Energiewende vielmehr vorbildlich um. Das Hauptargument für eine Belastung mit der EEG-Umlage entfällt damit. Und es gibt auch kein anderes überzeugendes Argument. Einer der mehreren Zurechnungsgründe wäre die  Möglichkeit, Strom aus dem öffentlichen Netz zu beziehen. Da sehe ich aber den erforderlichen besonderen Sach- und Verantwortungszusammenhang nicht. Denn jeder ist berechtigt, Strom einzukaufen und über das Netz zu beziehen. Würde der Gesetzgeber an ein solches allgemeines Kriterium anknüfen, würde die Umlage sehr nah an eine Steuer herangeraten.

Zitiervorschlag

Claudia Kornmeier, Reform der Ökostrom-Umlage: . In: Legal Tribune Online, 11.04.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11678 (abgerufen am: 10.11.2024 )

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