Lizenzinhaber wehrten sich schon lange gegen Händler, die Kopien von Bauhaus-Klassikern via Internet vom Ausland aus in Deutschland anbieten. Die jüngste BGH-Rechtsprechung verbessert ihre Möglichkeiten, wie Robert Heine erläutert.
Der Markt für Replikate von Möbelklassikern boomt. Eine Suche nach Begriffen wie "Bauhaus Möbel" oder "Möbelklassiker" bei Google führt zu zahlreichen Händlern im Ausland, die Designikonen wie den Freischwinger von Mies van der Rohe oder die Wagenfeld-Leuchte im Internet auch in Deutschland anbieten. Diese Replikate sind meist billiger als die Originalwaren, die von Lizenznehmern der Designer hergestellt werden. Sie sind aber – jedenfalls nach deutschen Recht – illegal.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat derartige Umgehungen des deutschen Urheberrechts jetzt in zwei Parallelverfahren deutlich erschwert: Werbemaßnahmen im inländischen Markt können auch dann untersagt werden, wenn die Produkte im Ausland rechtmäßig hergestellt wurden (Urt. v. 5.11.2015, Az. I ZR 91/11 und I ZR 76/11).
Mit diesen jüngsten Urteile erleichtert der BGH den Rechteinhabern den Zugriff auf den Handel mit urheberrechtsverletzenden Produkten und bestätigt damit seine bisherige Rechtsprechung, die zwischenzeitlich auf europäischer Ebene überprüft worden war.
Unterschiede im Urheberschutz für Designmöbel
Den Verfahren lagen Klagen gegen einen italienischen Möbelhersteller zugrunde. Das Unternehmen hatte Möbel nach Entwürfen von Marcel Breuer und Ludwig Mies van der Rohe sowie eine Nachahmung der Wagenfeld-Leuchte deutschsprachig im Internet und in Printmedien beworben. Die Produkte selbst wurden in Italien produziert und standen dort zur Abholung bereit.
Dieses Geschäftsmodell macht sich zunutze, dass der Urheberrechtsschutz in Deutschland höher ist als andernorts. Deutsche Gerichte haben in vielen Urteilen Designermöbeln diesen Schutz zugesprochen, so etwa Sesseln und Liegen von Le Corbusier (BGH), dem Lounge-Chair von Charles Eames, dem Basket-Chair von Gian Franco Legler (Kammergericht) und dem Anwälten bekannten, da gern in Kanzleien genutzten USM-Haller-System (OLG Frankfurt).
In Italien dagegen waren industrielle Designentwürfe bis 2010 gar nicht oder nur eingeschränkt urheberrechtlich geschützt. Die Designer bzw. heute in der Regel ihre Erben und Lizenznehmer konnten die Verwertung ihrer Entwürfe daher nicht untersagen, solange Produktion und Vertrieb in Italien stattfanden.
Werbung und Verkauf über die Grenzen hinweg
Typischerweise vertreiben die Anbieter in diesem Segment die Replikate über deutschsprachige Webseiten, sind aber selbst in Italien ansässig und stellen die Imitate auch dort her.
Der Vertrag mit den Kunden kommt laut den Anbieter-AGB in Italien zustande und das Produkt wird dort auch übergeben, und zwar wahlweise dem Kunden selbst oder einem Spediteur. Den vermitteln die Anbieter gleich mit. "Sie erwerben Ihre Möbel bereits in Italien, bezahlen aber erst bei Abholung oder Anlieferung durch eine inkassoberechtigte Spedition (wird auf Wunsch von uns vermittelt)." So lautet eine typische AGB-Klausel eines italienischen Anbieters.
In den vom BGH entschiedenen Fällen sahen die Lizenzinhaber allerdings schon in der Bewerbung der Produkte in Deutschland eine Verletzung ihres inländischen urheberrechtlichen Verbreitungsrechts gemäß § 17 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG) und nahmen die Beklagte auf Unterlassung, Auskunft und Schadenersatz in Anspruch. Die Instanzgerichte hatten den Klagen im Wesentlichen stattgegeben. Dem hat sich der BGH nun angeschlossen.
2/2: Kann schon die Werbung Urheberrechte verletzen?
Die Anbieterin der Replikate hatte sich gegen die Klagen u.a. mit dem Argument verteidigt, dass das deutsche Verbreitungsrecht nicht betroffen sei. Sie bringe die Möbel nicht in Deutschland in Verkehr. Übergabe und Eigentumsübergang fänden in Italien statt. In der Werbung allein liege keine Verletzung des inländischen Verbreitungsrechts.
Der BGH hat diese Argumentation nun endgültig zurückgewiesen. Nach seiner Auffassung verletzt das Anbieten und Bewerben urheberrechtlich geschützter Produkte in Deutschland auch dann das inländische Verbreitungsrecht der Urheber, wenn die Veräußerung und Übergabe der Produkte im Ausland erfolgen soll und das Werk dort urheberrechtlich nicht geschützt ist.
Exakt dieselbe Position hatte der BGH schon 2007 in seinem Urteil Wagenfeld-Leuchte eingenommen und entschieden, dass schon das Anbieten und das Bewerben geschützter Werke die Verwertungsinteressen des Rechteinhabers im Inland beeinträchtigen, unabhängig davon, wo die anschließende Veräußerung stattfindet (Urt. v. 15.02.2007, Az. I ZR 114/04).
EuGH-Rechtsprechung ließ Zweifel aufkommen
Der Grund, aus dem sich der BGH erneut mit der Frage befassen musste, liegt in Luxemburg: Das Verbreitungsrecht aus § 17 Abs. 1 UrhG, um dessen Auslegung es geht, ist unionsrechtlich harmonisiert, und zwar durch Art. 4 Abs. 1 der sog. InfoSoc-RL (2001/29/EG). Die letztverbindliche Auslegungsbefugnis des Verbreitungsrechts liegt daher beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH).
Dieser hatte in einem Urteil aus dem Jahr 2008 entschieden, dass die Verbreitung urheberrechtlich geschützter Produkte im Sinne von Art. 4 Abs. 1 der InfoSoc-RL Handlungen voraussetze, die "mit einer Eigentumsübertragung verbunden sein" müssen (Urt. v. 17.04.2008, Rs. C-456/06, Peek & Cloppenburg/Cassina).
Das bloße Anbieten und Bewerben beinhaltet jedoch noch keine solche. Das Urteil des EuGH hatte daher Zweifel aufkommen lassen, ob die Rechtsaufassung des BGH richtlinienkonform ist, auch wenn dem EuGH-Urteil ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen hatte, und zwar die Ausstattung einer Ruhezone in einem Kaufhaus mit Le-Corbusier-Möbeln.
Auch ein weiteres Urteil des EuGH (Rs. C-5/11, Donner) hatte zwischenzeitlich keine eindeutige Klärung gebracht. Der EuGH hatte dort entschieden, dass das Verbreitungsrecht auch Handlungen umfasse, die vom Abschluss eines Kaufvertrags bis zu dessen Erfüllung durch die Lieferung an ein Mitglied der Öffentlichkeit reichten. Ob die dem Kaufvertragsschluss zeitlich vorgelagerte Bewerbung unter den Verbreitungsbegriff zu fassen ist, blieb nach dem Urteil aber unklar.
Hohes Schutzniveau in Deutschland bleibt
Vor diesem Hintergrund sah sich der BGH daran gehindert, an seiner Rechtsprechung aus dem Urteil Wagenfeld-Leuchte festzuhalten. Er legte dem EuGH die Frage vor, ob das Verbreitungsrecht nach Art. 4 Abs. 1 der InfoSoc-RL auch die hier fraglichen Handlungen des Anbietens und Bewerbens umfasse (Beschl. v. 11.04.2013, Az. I ZR 91/11).
Mit Urteil vom 13. Mai 2015 bejahte der EuGH die Vorlagefrage (Rs. C-516/13, Dimensione Direct Sales ua/Knoll International). Die Richtlinie gebiete ein hohes Schutzniveau. Werbungen fielen deshalb auch dann unter den Begriff der Verbreitung, wenn sie nicht unmittelbar zum Erwerb führten.
Mit dieser Entscheidung ebnete der EuGH dem BGH den Weg, an seiner urheberfreundlichen Rechtsprechung zum Tatbestand der Verbreitung festzuhalten.
Dass diese Rechtsprechung nicht nur den Handel mit Möbelreplikaten betrifft, zeigt ein zeitgleich ergangenes drittes Urteil des BGH vom Donnerstag (Urt. v. 05.11.2015, Az. I ZR 88/13). Dort ging es um den nichtautorisierten Mitschnitts eines Gitarren-Konzerts in Japan, den der Beklagte in Deutschland auf DVD im Internet angeboten hatte. Auch hier sah der BGH bereits das bloße Anbieten und Bewerben der DVD über das Internet als Verletzung des inländischen Verbreitungsrechts des ausübenden Künstlers an.
Der Autor Dr. Robert Heine, LL.M. (Chicago) ist Rechtsanwalt bei Raue LLP in Berlin. Er ist u. a. auf das Urheber- und das Medienrecht spezialisiert.
Dr. Robert Heine, LL.M. (Chicago), BGH erschwert Umgehung des Urheberrechts: Werbung für Replikate in Deutschland illegal . In: Legal Tribune Online, 06.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17462/ (abgerufen am: 02.05.2024 )
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