Staaten dürfen geschützte Berufe nicht zu sehr abschotten, aber eine totale Öffnung wird es auch nicht geben. Außerdem in der Presseschau: Sonntagsarbeit bei Amazon, Europahymne gegen AfD-Demo und wie man in Holland Fahrstunden bezahlt.
Thema des Tages
EuGH zu Steuerberatern: Der Europäische Gerichtshof hat auf Vorlage des Bundesfinanzhofs entschieden, dass auch Steuerberater, die nicht in Deutschland zugelassen sind, Beratungsleistungen erbringen dürfen, es sei jedoch ihre Qualifikation sicherzustellen. Aufgrund der Dienstleistungsfreiheit müsse ein europäischer Steuerberater auch für ausländische Kunden arbeiten dürfen, jedoch dürfe über nationale Qualitätskontrolle dem Verbraucherschutz und der Bekämpfung von Steuerhinterziehung genüge getan werden. Es berichten die SZ (Wolfgang Janisch), lto.de und das HBl (Donata Riedel).
Donata Riedel (HBl) sieht das Urteil im Kontext weiterer Entscheidungen des EuGH, die dem "Subsidiaritätsprinzip als gedankliche Leitschnur" folgen. Der Gerichtshof zeige, dass er von seinem sehr brüsselfreundlichen Kurs abrücke und den Nationalstaaten Regelungen dort zugestehe, wo es an europäischen fehle. Dieser Kurs dürfe jedoch nicht zu weit gehen und zu viel Rücksicht vor Marktabschottungen mit sich bringen.
Rechtspolitik
Vorratsdatenspeicherung: Am heutigen Freitag tritt das neue Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung in Kraft. Bayern möchte die Daten mit einem Landesgesetz auch seinem Verfassungsschutz zur Verfügung stellen, was laut Bundesjustizminister Maas aber nicht vorgesehen ist. Der Text des Gesetzes spricht von "Gefahrenabwehrbehörde[n] der Länder", lediglich die Gesetzesbegründung kann man so verstehen, dass sich das Gesetz nur auf Polizeibehörden beziehen soll, die ist aber nicht Teil des Gesetzes. Die SZ (Heribert Prantl) schreibt zu dem Streit zwischen Bundesjustizministerium und bayerischer Regierung.
Justiz
BVerwG zu BAföG als Einkommen: Bei der Berechnung des Einkommens für die Kita-Gebühren ist auch der Teil des BAföG einzubeziehen, der staatliches Darlehen ist und zurückgezahlt werden muss. Das entschied das Bundesverwaltungsgericht, wie lto.de berichtet.
BGH zu DVB-T in Hotels: Die Einrichtung von DVB-T-TV in Hotelzimmern ist keine öffentliche Wiedergabe, entschied der Bundesgerichtshof am gestrigen Donnerstag. Hotels müssen daher keine Gebühren an die GEMA zahlen, wenn sie DVB-T-Zimmerantennen einrichten, berichtet lto.de.
BGH zu Filmausschnitten: Verletzt das Senden von Ausschnitten aus Exklusivinterviews das Urheberrecht des interviewenden Senders, oder darf ein anderer Sender die Ausschnitte nach § 51 Urheberrechtsgesetz zitieren? Das Oberlandesgericht Hamburg hielt den Vorgang noch für eine Urheberrechtsverletzung, der Bundesgerichtshof hielt es nicht für ausgeschlossen, dass nur zitiert wurde und verwies zur weiteren Sachaufklärung zurück. Rechtsanwalt Johannes Schäufele schreibt auf lto.de zu den rechtlichen Fragen des Falles.
OLG München – NSU: Spiegel.de (Wiebke Ramm) und zeit.de (Tom Sundermann) fassen den Prozesstag zusammen, an dem Ralf Wohlleben bereits auf erste Fragen zu seiner Aussage antwortete. Die taz (Konrad Litschko) gibt einen Ausblick darauf, was nach der vierwöchigen Pause im NSU-Prozess geschehen wird, nachdem nun Zschäpe und Wohlleben ausgesagt haben. Die SZ (Anette Ramelsberger) würdigt das Durchhaltevermögen des Gerichts und seines Vorsitzenden, bei dessen Ruhe nun die Angeklagten eingebrochen seien. Christian Rath (taz.de) betont, dass für Wohlleben viel von seiner Glaubwürdigkeit abhänge.
OLG München – AGG-Hopping: Nachdem das Landgericht München I eine Anklage wegen gewerbsmäßigen Betrugs durch AGG-Hopping nicht zum Hauptverfahren zugelassen hat, weil kein Betrug vorliege, hat nun das Oberlandesgericht zu entscheiden. Die Staatsanwaltschaft hat Ende November Beschwerde eingereicht, schreibt die taz (Christian Rath).
VG Gelsenkirchen zu Jagd als Tierschutz: Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen versagte dem Landesjagdverband NRW das Verbandsklagerecht. Zwar fördere der Verband den Tierschutz, das sei aber nicht sein primäres Ziel, weshalb er nicht als Tierschutzverband im Sinne des Gesetzes angesehen werden könne. Das meldet die taz.
VG Düsseldorf zu Sonntagsarbeit bei Amazon: Nachdem die Bezirksregierung Sonntagsarbeit am vierten Advent bei Amazon bewilligt hatte, hatte Ver.di Klage eingereicht. Um die Erlaubnis doch aufrecht zu erhalten, hat es Amazon mit einem Eilverfahren versucht. Dieses ist nun vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf gescheitert, schreibt die SZ. Beschwerde sei jedoch noch möglich.
VG Karlsruhe zu Flüchtlingsunterkunft: Mit Urteil von Anfang Dezember hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe entschieden, dass der "massive Zuzug von Bewohnern aus einem fremden Kulturkreis", den Nachbarn als Argument gegen eine Flüchtlingsunterkunft anführten, baurechtlich kein Argument bildet. Es berichtet lto.de.
LG Hannover zu Notwehr: Es war keine Notwehr entschied das Landgericht Hannover im Fall des tödlichen Schusses auf einen Einbrecher. Dieser habe, ohne die Tat begangen zu haben, bereits begonnen wegzulaufen, als ihn der Schuss traf. Der Schütze wurde zu drei Jahren Haft verurteilt, weil das Gericht einen minderschweren Fall des Totschlags annahm, berichtet spiegel.de (Philipp Seibt).
LG Nürnberg-Fürth zu Aufklärung bei Geschlechtszuweisung: Obwohl medizinische Lehrbücher 1995 noch etwas anderes behaupteten, hätten die Ärzte eine damals 20-Jährige darüber aufklären müssen, dass sie keine eindeutigen Geschlechtsmerkmale aufwies. Ohne die Aufklärung war ihre Einwilligung in die geschlechtszuweisende Operation nicht wirksam und die Klägerin erhielt vom Landgericht Nürnberg-Fürth Schadensersatz zugesprochen, berichten lto.de und FAZ.
LG Waldshut-Tiengen – Yasminelle: Im Verfahren um die Antibabypille Yasminelle hat das Landgericht Waldshut-Tiengen beschlossen, die Pille zunächst begutachten zu lassen. Das meldet die taz (Franz Schmider). SZ (Josef Kelnberger), Welt (Hannelore Crolly) und FAZ (Klaus Max Smolka) schreiben über das Verfahren, den Fall der jungen Klägerin und was die Pille mutmaßlich anrichtete.
LG Essen – RWE Schadensersatz: Falls der Staat für die Abschaltung des Atomkraftwerks Biblis Schadensersatz an RWE zahlen muss, dann aber wohl in weit geringerer Höhe als den 235 Millionen Euro, die RWE verlangt. Das ließ der Vorsitzende Richter am Landgericht Essen am gestrigen Donnerstag in der Verhandlung durchblicken, schreibt die FAZ (Helmut Bünder).
StA Mainz – Ode an die Freude: Weil eine AfD-Demonstration vor dem Mainzer Staatstheater stattfand, fanden sich über 100 Mitarbeiter des Theaters an dessen offenen Fenstern wieder und Sangen die Europäische Hymne. Die Polizei untersagte den Gesang und stellte Strafanzeige nach § 21 Versammlungsgesetz wegen Sprengens einer Versammlung. Der Jurastudent Simon Gauseweg begründet auf juwiss.de, warum die Sänger sich nicht strafbar gemacht haben.
Recht in der Welt
Schweden – Grenzkontrollen: Das schwedische Parlament hat ein Gesetz beschlossen nach dem – zunächst nur in öffentlichen Verkehrsmitteln – die Passkontrolle an der Grenze für die nächsten drei Jahre wieder eingeführt wird. Dazu berichtet die taz (Reinhard Wolff).
Frankreich – Anklage Lagarde: IWF-Chefin Christine Lagarde ist nun doch vor dem Gerichtshof der Republik in Frankreich angeklagt. Ihr wird Fahrlässigkeit im Amt beim Missbrauch öffentlicher Gelder vorgeworfen. Bei dem ausschließlich für amtliche Verfehlungen von Politikern zuständige Gericht haben die zuständigen Ermittlungsrichter entgegen der Empfehlung des Staatsanwalts sich für eine Anklageerhebung ausgesprochen. SZ (C. Wernicke/C. Hulverscheidt), FAZ (mic) und spiegel.de berichten.
Sonstiges
Mein Kampf: Das Urheberrecht an "Mein Kampf" endet zum 1. Januar 2016 und es wird eine kommentierte Neuauflage erscheinen. Unkommentierte Neuauflagen wird es aber weiter nicht geben, da diese strafbar wären. Christian Bommarius (BerlZ) argumentiert gegen den Bundesgerichtshof, der sie als Propagandaschrift verbot, es seien vielmehr volksverhetzende Schriften wegen der antisemitischen Hetztiraden, die das Buch enthält.
Schengen: Der Jurastudent David Werdermann befasst sich auf verfassungsblog.de mit dem Outsourcing von Grenzkontrollen innerhalb des Schengenraums, indem Private direkt oder indirekt verpflichtet werden Grenzkontrollen durchzuführen. Kontrollen, die dem Staat untersagt sind, dürften von Privaten nicht verlangt werden, was dafür spreche auch den Straftatbestand des Schleusens unionsrechts- und verfassungskonform zu reduzieren.
Syrieneinsatz: Der Wissenschaftliche Mitarbeiter Felix Würkert betrachtet auf juwiss.de in englischer Sprache die Haltung der UN-Charta zu Gewaltanwendung. Man hätte sich mit den rechtlichen Argumenten für und gegen den Syrieneinsatz tatsächlich intensiv auseinandersetzen müssen, denn Gewalteinsatz bedürfe unter Geltung der Charta der Rechtfertigung und nicht mehr die Forderung nach Frieden.
Lammert im Interview: Mit Bundestagspräsident Norbert Lammert spricht die FAZ (Reinhard Müller), über die Verfassungskrise in Polen, der milden europäischen Reaktion darauf und die Schwierigkeit der jungen osteuropäischen Staaten ihre gerade gewonnene Souveränität wieder an die EU abzugeben.
Flüchtlinge und Verfassungsrecht: Von einer Tagung von Verfassungsrechtslehrern in Bonn berichtet die FAZ (Reinhard Müller). Auf der Tagung hatten die Professoren sich mit verfassungsrechtlichen Grundfragen der Flüchtlingskrise befasst, nachdem diese auf der jährlichen Tagung der Vereinigung der Staatsrechtslehrer nicht zur Sprache kam.
Das Letzte zum Schluss
Bezahlung mal anders: Laut bild.de hat sich eine besondere Bezahlmethode für Fahrstunden in Rotterdam verbreitet. Abgeordnete stellten daraufhin eine Anfrage, ob das Bezahlen von Fahrstunden mit sexuellen Dienstleistungen denn nicht Prostitution sei. Die Regierung antwortete, dass es sich nicht um Prostitution sondern um eine gänzlich legale Zahlungsweise handele, wenn beide über 18 seien und das Angebot vom Fahrlehrer ausgehe.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der Printausgabe oder im kostenpflichtigen E-Paper des jeweiligen Titels.
Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/krü
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 18. Dezember 2015: Steuerberatung EU-weit / Aufklärung Intersexueller / privatisierte Grenzkontrolle . In: Legal Tribune Online, 18.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17911/ (abgerufen am: 18.05.2024 )
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