Die Platzvergabe des OLG München an Journalisten im NSU-Verfahren stößt auf fortgesetzte Kritik. Zwei türkische Zeitungen erwägen nun den Gang vor das Bundesverfassungsgericht. Außerdem in der Presseschau: Der Prozessauftakt gegen den Jenaer Pfarrer Lothar König, das "Würfelprinzip" bei Arbeitnehmerkontrollen und warum der vermeintliche Gewinner im Mittwochslotto auch vor Gericht schlechte Karten hätte.
Platzvergabe im NSU-Prozess: Nach einem Bericht der taz (Christian Rath) will die türkische Zeitung Sabah vor dem Bundesverfassungsgericht einen Eilantrag gegen die Regelung der Platzvergabe des Oberlandesgerichts München beim NSU-Prozess einzureichen. Laut SZ (Annette Ramelsberger) erwägt auch die Hürriyet eine Klage. Die taz (Christian Rath) erinnert in einem separaten Beitrag an die Platzvergabe im Hamburger Prozess gegen einen Helfer der 9/11-Attentäter, bei dem fast die Hälfte der Medienplätze für internationale Journalisten reserviert war. In einem weiteren Artikel befasst sich die taz (Christian Rath) mit der Überlegung, durch Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes eine Übertragung des Verfahrens für Journalisten in einen separaten Arbeitsraum zu ermöglichen.
Die größte Sorge des Gerichts sei die Aufhebung des Urteils in der Revision, meint Andreas Platthaus im Feuilleton der FAZ. Die Würde eines Gerichts sei aber nicht an die Frage einer möglichen Revision gebunden, sondern das Recht an die Würde des Gerichts. Der Rechtsprofessor Ulrich Fastenrath urteilt in einem Gastbeitrag für die FAZ, die Platzreservierung für ausländische, insbesondere türkische und griechische Prozessbeobachter sei nicht allein eine Frage des Fingerspitzengefühls, sondern ein Gebot der Rechtsstaatlichkeit.
Holger Schmidt (SWR-Terrorismus-Blog) stellt hingegen nüchtern fest, die Redaktion der Sabah sei nun einmal genauso spät oder früh mit der Akkreditierung gewesen wie andere Medien. An anderen Kontroversen zwischen Journalisten und Gericht, etwa zur Dauer von Toilettenbesuchen, hätte dagegen Franz Kafka seine Freude gehabt, so Schmidt. Heribert Prantl (SZ) äußert sich in der Video-Kolumne "Prantls Politik" zu der Debatte um die Platzvergabe.
Weitere Themen – Rechtspolitik
Sperrklauseln bei Europawahl: Die FAZ (Katja Gelinksy) befasst sich auf der Staat & Recht-Seite mit der Zulässigkeit von Sperrklauseln im Europawahlrecht. Im Jahr 2011 hatte das Bundesverfassungsgericht eine Fünfprozentklausel im Europawahlgesetz für nichtig erklärt. Nach Expertenmeinung sei auch eine derzeit diskutierte Dreiprozentregel nach dem Karlsruher Urteilsspruch verfassungswidrig.
Schadensbegleichung durch Versicherer: Nach Meldung der SZ macht das Bundesministerium der Justiz Druck auf Versicherer, Schäden zügig zu begleichen. Man habe eine Vielzahl von Eingaben im Ministerium erhalten, so Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger. Das Ministerium habe bei den Bundesländern angefragt, ob ein Anstieg von Gerichtsverfahren über Versicherungsschäden festzustellen sei und ob gesetzliche Maßnahmen für nötig gehalten würden.
Rechte von Minderheits-Aktionären: Die FDP hat laut dem Handelsblatt (Jan Keuchel) bei der Novelle des Aktienrechts davon Abstand genommen, die Rechte von Minderheits-Anteilseignern in Unternehmen zu beschneiden. Vor allem die beiden Rechtspolitiker Marco Buschmann (FDP) und Stephan Harbarth (CDU) seien wegen der geplanten Änderung ins Zentrum von Lobbyismus-Vorwürfen geraten, da beide in großen Anwaltskanzleien unter Vertrag stehen, die ihre Mandanten zum überwiegenden Teil im Kreis der Mehrheitsaktionäre finden.
Arbeitnehmerüberwachung und Verhaltensvorschriften: Die SZ (Sibylle Haas) befasst sich mit der Bespitzelung von Angestellten durch ihre Arbeitgeber sowie mit der Zulässigkeit von Verhaltens- und Kleidungsvorschriften für Arbeitnehmer. So sei etwa ein "Flirtverbot" unter Beschäftigten der Supermarktkette Wal-Mart in ihren sogenannten Ethik-Richtlinien vom Arbeitsgericht Wuppertal beanstandet worden.
In einem weiteren Betrag widmet sich die SZ (Sibylle Haas) dem Gesetzentwurf zum Schutz von Arbeitnehmerdaten. Kernstück sei das Verbot heimlicher Videoüberwachung, etwa in Umkleideräumen und Toiletten. Hingegen solle die offene Kontrolle per Kamera aus Sicherheitsgründen, etwa im Kassenbereich von Märkten erleichtert werden. Ob, wann und in welcher Form der Entwurf in ein Gesetz mündet, sei jedoch unklar.
EU-Richtlinie zum Menschenhandel: Nach Informationen der Welt (Simone Meyer/Marc Neller) wird die Bundesregierung es nicht schaffen, die EU-Richtlinie gegen Menschenhandel rechtzeitig umzusetzen. Die schwarz-gelbe Koalition streite darüber, ob strengere Gesetze erforderlich seien. Die Bundesregierung lasse eine wichtige Gesetzesinitiative aus dem Koalitionsvertrag fahrlässig und kläglich scheitern, kommentiert Jörg Eigendorf (Die Welt).
Weitere Themen - Justiz
AG Dresden – Prozess gegen Nazi-Gegner: Gestern hat vor dem Amtsgericht Dresden der Prozess gegen den Jenaer Pfarrer Lothar König wegen schweren Landfriedensbruchs, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und versuchter Strafvereitelung begonnen. Nach Bericht der taz (Michael Bartsch) wird ihm vorgeworfen, im Februar 2011 bei einer Demonstration gegen einen Aufmarsch Rechtsextremer in Dresden zu Gewalt gegen Polizisten aufgerufen zu haben. König habe sich im Prozess laut spiegel.de (Julia Jüttner) in einer "denkwürdigen Rede" gegen die Vorwürfe verteidigt.
Die SZ (Cornelius Pollmer) widmet Königs Verteidiger Johannes Eisenberg besondere Aufmerksamkeit. Dieser sei nicht nur als fähiger Anwalt, sondern auch aus "krawallhumoriger Anwalt-Darsteller" bekannt, weshalb es kaum überrasche, dass der Verhandlung der Vorwurf eines mehraktigen "juristischen Vorspiels" vorangegangen sei.
LArbG Hessen – Mitarbeiterkontrolle: Das Landesarbeitsgericht Hessen hat gestern das Verfahren zwischen der Modekette Hollister und dem einzigen Betriebsrat des Unternehmens in der Frankfurter Filiale wegen überzogener Mitarbeiterkontrollen eingestellt. Zuvor hatten sich die Parteien auf eine neue Verfahrensweise für stichprobenartige Kontrollen geeinigt. Danach sollen Taschen der Mitarbeiter nunmehr nach dem "Würfelprinzip" kontrolliert werden, um mögliche Diebstähle des Personals aufzudecken. Die taz (Barbara Dribbusch), lto.de und spiegel.de berichten.
BAG zu Sozialplanabfindungen: Die Rechtsanwältin Eva Wißler bespricht auf dem Handelsblatt-Rechtsboard eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem vergangenen Monat, wonach betriebliche Sozialpläne bei der Bemessung von Abfindungen die Möglichkeit von Mitarbeitern berücksichtigen dürfen, eine vorgezogene gesetzliche Altersrente in Anspruch nehmen zu können. Die Debatte um Altersdiskriminierung in betrieblichen Sozialsystemen, ausgelöst durch die Andersen-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2010, habe in Deutschland zu zahlreichen Verfahren zur Sozialplanabfindung geführt. Das Gericht habe sich nun klar auf die Seite der Arbeitgeber und Betriebsräte geschlagen und diesen einen großen Ermessensspielraum für die Gestaltung von Sozialplänen zugesprochen.
LSG Rheinland-Pfalz zu Auto als Unterkunft: Das Landessozialgericht hat nach Meldung von lto.de entschieden, dass ein Hartz-IV-Empfänger keinen Zuschuss für sein zum Wohnen umgebautes Fahrzeug erhält. Anders als ein Wohnmobil gelte das Fahrzeug nicht als Unterkunft, weil darin keine Privatsphäre gewährleistet sei, so die Begründung.
BFH zu fehlerhaften Steuerbescheiden: Die Welt (Kathrin Gotthold) bespricht ein kürzlich veröffentlichtes Urteil des Bundesfinanzhofs, wonach keine Steuerhinterziehung begeht, wer einen fehlerhaften Steuerbescheid nicht korrigieren lässt. Bedingung sei indes, dass die Steuererklärung richtig und vollständig war.
FG Hamburg zu Bettensteuer: Das Finanzgericht Hamburg hat den Antrag eines Hoteliers auf vorläufigen Rechtsschutz gegen die Bettensteuer zurückgewiesen. Wie lto.de knapp berichtet, stelle es keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit dar, dass Hotels ihre Gäste nun befragen müssen, ob sie geschäftlich unterwegs und damit nicht steuerpflichtig seien, und entsprechende Nachweise erstellen müssen. Satzungen anderer Städte waren dagegen zuvor vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht Münster gescheitert.
Weiterverkauf "gebrauchter" Musikdateien: Nachdem ein New Yorker Bezirksgericht diese Woche entschieden hat, dass der Weiterverkauf "gebrauchter" Musikdateien illegal sei, befassen sich die Rechtsanwälte Hauke Hansen und Oliver Wolff-Rojczyk auf lto.de mit der deutschen Rechtslage zu dieser Frage. So habe der Europäische Gerichtshof im vergangenen Jahr – anders als die deutschen Oberlandesgerichte – eine entsprechende Frage hinsichtlich gebrauchter Software gegenteilig entschieden. Allerdings könne dieses Urteil nicht unmittelbar auf andere digitale Werke übertragen werden, weil dann nicht die Software-Richtlinie, sondern die abweichende Urheberrechts-Richtlinie zur Anwendung komme.
Weitere Themen – Recht in der Welt
USA - Kopfgeld auf Kony: Nach Angaben der SZ (Tobias Zick) haben die USA ein Kopfgeld von bis zu fünf Millionen Dollar für Hinweise ausgesetzt, die zur Ergreifung des vom Internationalen Strafgerichtshof gesuchten ugandischen Rebellenführers Joseph Kony führen. Kritiker vermuteten hinter dieser Unterstützung des Gerichtshofs ein strategisches Kalkül, um moralisch jene Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, welche die USA etwa durch das Foltern von Gefangenen im Irak-Krieg verspielt hätten.
Großbritannien – Kindstötung: Wie die SZ (Christian Zaschke) meldet, ist ein Brite, der den Tod sechs seiner Kinder verschuldet hat, zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Der Mann hatte im Mai vergangenen Jahres das Haus seiner Familie angezündet, um seine Kinder zu retten und sich als Held feiern zu lassen, und anschließend die Schuld an dem Brand seiner ehemaligen Geliebten zuzuschieben.
Zypern – Klagen nach Bankenrettung: Nachdem Gläubiger, Großanleger und Eigner der zyprischen Banken mit ihren über 100.000 Euro liegenden Guthaben zur Rettung des Landes herangezogen werden, droht das Land laut Handelsblatt (Heike Anger) zur Zielscheibe von Klagen zu werden. So könnten sich ausländische Investoren auf den Schutz durch bilaterale Investitionsschutzverträge berufen. Die Kläger dürften argumentieren, dass eine Enteignung ohne Entschädigung stattgefunden habe; Zypern selbst dürfte sich wohl auf einen Staatsnotstand berufen.
Türkei – Prügelattacke am Berliner Alexanderplatz: Die türkische Justiz hat nach knapper Meldung der SZ ein Ermittlungsverfahren gegen den Hauptverdächtigen der tödlichen Prügelattacke am Berliner Alexanderplatz vor eine halben Jahr eingeleitet. Dieser war in die Türkei geflüchtet. Laut Berliner Justizverwaltung stehe nach monatelangem Tauziehen nun fest, dass der 18-jährige, der sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsangehörigkeit besitze, nicht nach Deutschland ausgeliefert werde.
Sonstiges
Von Schirach-Verfilmung: Die Welt (Iris Alanyali) bespricht im Feuilleton die Verfilmung von "Verbrechen", dem bekannten Buch des Strafverteidigers Ferdinand von Schirach, die ab Sonntag im ZDF anläuft.
Das Letzte zum Schluss
Fehlerhafte Lottozahlenziehung: Der bisher nicht bekannte unglückliche "Gewinner" der fehlerhaften Ziehung der Mittwochslottozahlen, bei der zwei Kugeln nicht in der Trommel gelandet waren, hätte laut FAZ (Corinna Budras/ Robin Kunte/Peter Thomas) wohl kaum Erfolgschancen bei einer gerichtlichen Durchsetzung eines Gewinnanspruchs. So enthielten die Teilnahmebedingungen der Lottogesellschaften die Bestimmung, dass eine Ziehung nur gültig sei, wenn aus allen 49 Kugeln gezogen wurde. Auch die Kosten für teuren Schampus bei einer eilig einberufenen Lotto-Party seien nicht zu ersetzen: Solange der Gewinn nicht offiziell bestätigt sei, falle das in die Verantwortung des Einzelnen.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/js
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 5. April 2013: OLG München weiter in Kritik – Pfarrer vor Gericht – Lottospieler im Pech . In: Legal Tribune Online, 05.04.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8465/ (abgerufen am: 03.05.2024 )
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