Ist es richtig, das Ecclestone-Verfahren einzustellen? Die Meinungen gehen auseinander. Außerdem in der Presseschau: Die Pkw-Maut und die Diskussion um den Wissenschaftlichen Dienst, warum das Land Baden-Württemberg Mails seines Ministerpräsidenten a.D. löschen muss, Polizeieinsätze im Fußball und die Richterin, die zu Bollywood-Songs tanzen sollte.
Tagesthema
LG München I - Ecclestone: Am heutigen Dienstag könnte der Strafprozess gegen den Formel-1-Chef Bernie Ecclestone vor dem Landgericht München I gegen eine Zahlung von 100 Millionen US-Dollar eingestellt werden. Verteidiger und Staatsanwaltschaft sollen sich bereits darauf geeinigt haben; das Gericht hat die für Dienstag geladene Zeugen offenbar bereits ausgeladen. Ecclestone ist wegen Bestechung und Anstiftung zur Untreue angeklagt; er soll einen Bankmanager der BayernLB mit 44 Millionen Euro geschmiert haben, um sich seinen Posten als Formel-1-Chef zu sichern. Die taz (Tobias Schulze) berichtet über die Schwierigkeit, Ecclestone das Wissen um die Amtsträgerschaft des Landesbankmanagers nachzuweisen – was Voraussetzung für die Strafbarkeit der Bestechung ist. Die taz (Christian Rath) erklärt den Unterschied zwischen einer "Einstellung des Verfahrens" und der "Verständigung im Strafprozess" – und stellt klar, dass die Einstellung des Verfahrens gängige Praxis an deutschen Gerichten ist, gerade wenn die Beweisaufnahme sich wie hier als schwierig herausstelle. Sie werde "auch bei vielen armen Schluckern" angewandt und sei "kein Sonderrecht für Reiche".
Christian Rath (taz) meint, die Justiz verzichte ständig auf Prozesse – kein Grund, warum das nicht auch bei Ecclestone gelten solle. Auch ein noch monatelanger Prozess könne nicht die Wahrheit erzwingen: Im Fall Ecclestone stehe längst fest, wer an wen wie viel Geld bezahlt hat – nicht aber, wer wann was gesagt, gedacht und verstanden hat. Anderer Meinung ist Joachim Jahn (FAZ), für den sich die angebliche Zahlung von Schmiergeld nicht durch die Entrichtung eines noch größeren Betrages an die Staatskasse aus der Welt schaffen lässt. Dies erinnere an den "Vorwurf der Klassenjustiz, deren Härte nur jene treffe, die sich nicht die teuersten Verteidiger und die höchsten Ablasszahlungen leisten können." Daher solle das Gericht die Verhandlung fortsetzen und "in den sauren Apfel beißen", ließen sich die Anschuldigungen nicht beweisen. Dies sei "nun mal der Preis des Rechtsstaats".
Die SZ (Klaus Ott) beschreibt, welche zivilrechtliche Forderungen die BayernLB gegen Ecclestone hat und geht davon aus, dass sich die Bank eher "pragmatisch" mit Ecclestone einigen werde, als sich "jahrelang teuer bei Gericht zu streiten".
Rechtspolitik
Pkw-Maut: Mit scharfen Worten reagiert die CSU auf das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zur Pkw-Maut, das seit dem Wochenende im Umlauf ist: Der Verfasser des Gutachtens solle nicht länger beschäftigt werden, so CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer im Bayerischen Rundfunk laut SZ (Daniela Kuhr). Das Gutachten stuft die von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) anvisierte Pkw-Maut als unvereinbar mit dem Europarecht ein. Tatsächlich, so die SZ, soll dem Verfasser ein Fehler unterlaufen sein, indem er von einem Einheitspreis der Vignette für Ausländer ausgegangen sei. Dieser Fehler ändere jedoch nichts am Ergebnis, dass eine "mittelbare Diskriminierung" vorliege – dadurch nämlich, dass "jeder deutsche Autofahrer bei der Kraftfahrzeugsteuer künftig um exakt den Betrag entlastet werden soll, den er für die Vignette bezahlen muss".
Der Juraprofessor Volker Boehme-Neßler beschreibt auf lto.de die Kontrollprobleme, die die geplante Vignetten-Lösung mit sich bringt. Als Lösung für die europarechtlichen Probleme schlägt er eine eigenständige Kfz-Steuer-Reform vor, die nicht lediglich der Entlastung deutscher Autofahrer diene.
Fußfesseln für Sicherungsverwahrte: Wie die SZ meldet, spricht sich die niedersächsische Justizministerin Antje Niewisch-Lennart (Grüne) auf eine Anfrage der CDU-Fraktion gegen die Nutzung elektronischer Fußfesseln für Freigänge Sicherungsverwahrter aus. Einem Sicherungsverwahrten dürfe schon gar keine Lockerung gewährt werden, wenn ein Missbrauch der Haftlockerung oder eine Flucht zu befürchten sei.
Polizeieinsätze im Fußball: Zur Frage, ob die Kosten für Polizeieinsätze bei Fußballspielen die Steuerzahler tragen sollen oder die Vereine selbst, äußert sich Heribert Prantl (SZ). Es sei nicht verboten, darüber nachzudenken, Vereine – zumal Wirtschaftsunternehmen – an polizeilichen Sonderkosten zu beteiligen. Ebenso sei es "nicht ungehörig", dass der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) Polizeieinsätze für solche Spiele zu reduzieren erwägt, die keine "Risikospiele" seien. Warum das Ansinnen juristisch heikel ist, erklärt zeit.de (Oliver Fritsch). Mit dem Thema befassen sich außerdem die FAZ (Reiner Burger) und spiegel.de.
Härtere Strafen bei Kinderpornografie: Wie welt.de meldet, haben sich die Justizminister der Länder Bayern und Hessen (beide CDU) für härtere Strafen beim Besitz von kinderpornografischem Material ausgesprochen. Der Strafrahmen aus dem Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums sei unangemessen niedrig. Ermittlungsbehörden müssten außerdem mehr Möglichkeiten haben "als bei der Aufklärung eines einfachen Diebstahls".
Sterbehilfe: Die unterschiedlichen Ansichten innerhalb der Koalitionsfraktion zum Thema Sterbehilfe tragen die SZ (epd) und die Welt (Matthias Kamann) zusammen. So stehe von SPD-Seite die Forderung einer Zulassung ärztlicher Sterbehilfe im Raum, vonseiten der Union ein umfassendes Verbot.
Justiz
VGH Baden-Württemberg zu Minister-Mails: Das Land Baden-Württemberg muss Backups von E-Mails des ehemaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) löschen. Das hat der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof entschieden. Weil es sich bei den Backups um personenbezogene Daten handele, die zur Erfüllung der Aufgaben des Staatsministeriums nicht mehr erforderlich seien, habe Mappus einen datenschutzrechtlichen Anspruch auf Löschung der Mails, so der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg laut lto.de. Vor ihrer Löschung müssen die Mails allerdings dem Landesarchiv als Archivgut angeboten werden. Der Stuttgarter Landtag soll sich Erkenntnisse zu Stuttgart 21 mithilfe der E-Mails erhofft haben – unter anderem zum umstrittenen Polizeieinsatz am "Schwarzen Donnerstag" im Jahr 2010.
LG Nürnberg-Fürth zu esoterischer Mutter: Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat eine 49-jährige Frau sowie ihren 55-jährigen Lebensgefährten wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen zu je drei Jahren Haft verurteilt. Das Paar soll es dem an Mukoviszidose leidenden damals 13-jährigen Sohn der Frau freigestellt haben, ob er Medikamente nimmt oder zu Arzt geht – offenbar aus esoterischen Gründen. "Komplettversagen bei der Erziehung" soll der Vorsitzende Richter Ulrich Flechtner laut spiegel.de dem Paar vorgeworfen haben; ein minderjähriges Kind müsse zu einer lebensnotwendigen Behandlung gebracht werden – "zur Not mit Einschaltung der Behörden".
LAG Rheinland-Pfalz zur Haftung von Arbeitgebern bei Unfall: Laut focus.de weist der Deutsche Anwaltverein auf ein Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Rheinland-Pfalz hin. Danach hafte für Arbeitsunfälle die gesetzliche Unfallversicherung für die entstehenden Kosten. Der Arbeitgeber müsse für einen Unfall des Arbeitnehmers nur dann Schadensersatz und Schmerzensgeld zahlen, wenn er den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hat. Im konkreten Fall hatte der beklagte Arbeitgeber Vorschriften zur Unfallverhütung missachtet und dadurch einen Unfall des Arbeitnehmers verursacht. Mangels Vorsatz hafte der Arbeitgeber nach Ansicht des LAG aber nicht.
OLG München – NSU: Im NSU-Prozess soll am heutigen Dienstag ein früherer Freund von Uwe Böhnhardt aussagen. Er hat mutmaßlich die Česká-Tatwaffe nach Deutschland gebracht, mit der die Terroristen laut Anklage neun Menschen getötet haben sollen. Warum "wenige Aspekte wie die vergebliche Suche nach der Česká das Versagen der Ermittlungsbehörden illustrieren" sollen, erläutert Andreas Speit (taz).
AG Altona zu Körperverletzung im Amt: Das Amtsgericht Altona hat einen Polizisten wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Der geständige Polizist habe im letzten Jahr einem Hamburger Fußballfan bei einem Spiel "mit seinem behelmten Schuh eine Kopfnuss erteilt". Die taz (Kai von Appen) schildert den Fall.
Recht in der Welt
USA – Google als Hilfssheriff: Google hat offenbar einen Mann aus Texas angezeigt, der über sein Google-Konto eine E-Mail mit angehängten Bildern kinderpornografischen Inhalts verschickt haben soll. Da Google den Mailverkehr automatisch untersucht, ist der Vorgang überhaupt erst entdeckt und zur Anzeige gebracht worden. Dass Google den Fall vor Gericht brachte, sei erst einmal gut, so Johannes Boie (SZ) – eine verflixte Angelegenheit aber, dass Google sich mit dem Scannen jeder E-Mail zum "Hilfssheriff" mache. Dem Leitspruch "Don't be evil" werde das Unternehmene in diesem Einzelfall zwar gerecht, aber grundsätzlich eben nicht. Die SZ (Johannes Boie/Pascal Paukner) hält technische und datenschutzrechtliche Hintergrundinformationen bereit. lawblog.de (Udo Vetter) geht davon aus, dass sich Google mit einer derartigen Kontrolle von E-Mails in Deutschland sogar strafbar machen würde.
Südafrika – Pistorius-Prozess: Den aktuellen Stand im Mordprozess gegen Paralympics-Star Oscar Pistorius zeichnet die FAZ (Claudia Broell). Der Prozess befinde sich in der Schlussphase, doch werde sich wohl nicht klären lassen, ob Pistorius seine damalige Freundin absichtlich oder in irrtümlich angenommener Notwehr erschossen habe. Laut einem Gutachten sei Pistorius jedenfalls voll schuldfähig. Fachleute hielten sowohl eine lebenslange Haftstrafe wie auch einen Freispruch für unwahrscheinlich.
Sonstiges
Bundeskartellamt – Rekordbußgelder, Kronzeugenregelung: Laut Handelsblatt (Catrin Gesellensetter) sind die Bußgelder des Bundeskartellamtes wegen verbotener Preisabsprachen in ihrer Summe so hoch wie noch nie. Nach Aussage des Kartellamtschefs Andreas Mundt habe sich die 2006 erweiterte Kronzeugenregelung als besonders hilfreich herausgestellt, nach der Unternehmen animiert würden, illegale Kartelle offenzulegen und dafür das Bußgeld erlassen zu bekommen. Aber auch Kritiker der Kronzeugenregelung kommen zu Wort.
Bootsfahrverbot auf der Isar: Wegen reißender Strömungen auf der Isar fordert die Münchner Wasserwacht dort ein Bootsfahrverbot. Warum das juristisch nicht so einfach möglich ist, schildert die SZ (Thomas Anlauf).
Das Letzte zum Schluss
Tanzverbot: Ein anzüglicher Tanz zu einem Bollywood-Song – hierzu forderte angeblich ein Richter am Landgericht im indischen Bundesstaat Madhya Pradesh eine Richterin auf. Das meldet taz.de. Wegen der mutmaßlichen sexuellen Belästigung durch den Kollegen habe die Richterin ihr Amt niedergelegt. "Bereit für die Todesstrafe" sei der Richter, wenn er für schuldig befunden werde. Das höchste Gericht des Landes untersuche den Fall nun.
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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
lto/fr
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
Die juristische Presseschau vom 5. August 2014: Ecclestone-Verfahren wird wohl eingestellt – Polizeieinsätze im Fußball – Minister-Mails . In: Legal Tribune Online, 05.08.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12790/ (abgerufen am: 29.04.2024 )
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